Hotelbranche in der Krise: «Das ewige Massnahmen-Hin-und-Her hat die Lage nur schlimmer gemacht» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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21. Januar 2021 um 05:00

Hotelbranche in der Krise: «Das ewige Massnahmen-Hin-und-Her hat die Lage nur schlimmer gemacht»

Von den Mitarbeiter*innen bis zum Toilettenpapier wird alles runtergefahren. Verträge werden neu verhandelt, Kurzarbeit ausgeschöpft, Kündigungen ausgesprochen. Hotels werden geschlossen und gehen konkurs. Nach bald einem Jahr Reisebeschränkungen, Teil- und Voll-Lockdowns steckt die Tourismusbranche in einer tiefen Krise. Zürich fehlen etwa 3,8 Millionen Tourist*innen.

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Jenny Seitz (links) und Isabel Grassi leiten zusammen mit Oliver Baumgartner das «Kafi Schnaps».

Nach bald einem Jahr Reisebeschränkungen, geschlossenen Grenzen, Teil- und Voll-Lockdowns steckt die Tourismusbranche in einer tiefen Krise. In den Berghotels halten sich die Ausfälle dank Schweizer Tourismus zwar noch in Grenzen. Doch der stark auf ausländische Tourist*innen ausgerichtete Städtetourismus ist inzwischen fast zum Erliegen gekommen. In Zürich mussten schon mehrere Betriebe schliessen, darunter das Swissôtel am Bahnhof Oerlikon sowie das Hostel City Backpacker Biber im Niederdorf.

«Zürich ist enorm international abhängig, uns fehlen etwa 3,8 Millionen Touristen in der Stadt», erklärt Andreas Stöckli. Der General Manager des Hotels «Schweizerhof Zürich» hat in die menschenleere Lobby des altehrwürdigen Hauses geladen. Nach dessen Schliessung während der ersten Covid-Welle habe man sich im Sommer ein wenig erholt, erzählt er: «Wir waren dann bei 30 bis 40 Prozent Umsatz, wo wir sonst vielleicht 80 Prozent gemacht hätten. Gerade noch tragbar, aber meilenweit weg von einigermassen normalen Zeiten.» Gäste seien im Sommer fast nur aus dem Tessin oder der Romandie gekommen, vereinzelt auch aus Nachbarländern, wenn die Massnahmen dort gerade etwas gelockert wurde.

Kein Stein ist mehr auf dem anderen

Im Herbst habe man dann versucht, mit Pop-up-Store-Konzepten etwas Geld in die Kassen zu spülen, hatte zum Beispiel die Schuhfirma Risch Shoes zu Gast: «Wir waren glaube ich so innovativ wie noch selten», meint Stöckli, «doch das ist dann alles abgeprallt an irgendwelchen Covid-Richtlinien und -massnahmen. Deshalb haben wir jetzt beschlossen, dass wir damit komplett aufhören und keine Energien mehr verschwenden. Wir gehen stattdessen in einen Dornröschenschlaf und hoffen, dass wir eines Tages als Könige wiedererwachen», lächelt er.

Das heisst nun Kostenreduzierung: «Von den Mitarbeiter*innen bis zum Toilettenpapier wird einfach alles runtergefahren. Wir haben Verträge neu verhandelt, Kurzarbeit ausgeschöpft, alles gemacht, was machbar ist. Es ist hier kein Stein mehr auf dem anderen.» Mit mehr als 70 Prozent Umsatzverlust im letzten Jahr sei man um Kündigungen nicht herumgekommen, erklärt Stöckli. Man habe aber auch Personal an Berghotels vermittelt, Reinigungskräfte in Spitäler. Viele Mitarbeiter*innen hätten jedoch gar keine Vermittlung gewollt.

Gerade mal sechs Reservierungen habe man momentan in dem 98-Zimmer-Haus. «Es ist schon sehr teuer, das Heizen aufrechtzuerhalten», erzählt der General Manager und fährt fort: «Dann braucht es eine Person, die das Haus bewacht, eine die kocht. Wir arbeiten auch mit einem Lieferservice: Abends kommen ein paar Leute zu uns und zahlen ein bisschen was, damit sie etwas Gescheites essen können.»

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Andreas Stöckli, General Manager des Hotels «Schweizerhof».

Der Versuch, die Ausfälle irgendwie aufzufangen

Jenny Seitz und Isabel Grassi leiten zusammen mit Oliver Baumgartner das «Kafi Schnaps» am äussersten Rand Wipkingens, das auch eine Pension mit fünf Zimmern beinhaltet. «Lieferservice oder Take-Away kommt für uns nicht in Frage, da der Aufwand in keinem gesunden Verhältnis zum benötigten Gewinn steht», erklären sie. Zwar lägen direkt vor der Tür an der Ecke Kornhaus-/Rotbuchstrasse vier Bushaltestellen, «aber schlussendlich ist es ein Wohnquartier und die Gäste, die sich normalerweise bei uns über Mittag verpflegen, sind im Homeoffice.»

Das «Kafi Schnaps» versteht sich als Quartiercafé, in dem Anwohner*innen und Übernachtungsgäste zusammenfinden. Die Zimmer würden in der Regel von Gästen aus dem deutschsprachigen Raum genutzt, «als zusätzliches Schlafzimmer für Anwohner*innen, wenn man Gästebesuch hat.» Viele Schweizer Gäste kämen auch hierher, weil sie in Zürich eine Veranstaltung oder ein Seminar besuchen. Doch Veranstaltungen finden schon länger keine mehr statt, Gästebesuche werden wegen der Kontaktbeschränkungen abgesagt.

Der Gastronomiebetrieb des «Kafi Schnaps» hofft auf weitere Leistungen der Versicherung und Härtefallgelder. Die gesamte Belegschaft befindet sich in Kurzarbeit. Sie haben verschiedenes ausprobiert, um die Ausfälle bei der Zimmervermietung aufzufangen: Um Kosten zu sparen, übernahmen sie selbst die Zimmerreinigung, erzählt Grassi. Im ersten Lockdown habe man auch versucht, Office-Plätze in den Zimmern anzubieten oder sie in Langzeitvermietung abzugeben: «Leider hat das nicht gefruchtet.» Nach der erneuten Verschärfung der Massnahmen im Dezember wurde die Pension vorerst geschlossen.

Es sah aus wie ein Geisterhaus, wie bei The Shining.

Sven Lehmann, Resort Manager des aja Zürich

«Das Gute ist, dass wir ein gutes Verhältnis zum Vermieter der Pensionszimmer haben, der sich die Situation jeden Monat mit uns zusammen anschaut und uns auch entgegenkommt», erzählt Seitz: «Weil es sich bei der Pension um eine Art Mietwohnung handelt, zahlen wir auch nicht viel mehr als eine normale Wohnungsmiete. Im schlimmsten Fall könnte man das Mietverhältnis auflösen und aus der Pension wieder eine reguläre Mietwohnungen machen. Dies wäre für uns sehr schmerzhaft. Seit 14 Jahren ist die Kombination von Kafi und Pension unser Konzept und das hat extrem gut funktioniert.» Deshalb bleiben Grassi und Seitz auch positiv: Sie gehen davon aus, dass sie das Geschäft im Laufe des Jahres wieder aufnehmen können und ihre Gäste ihnen die Treue halten.

War das Plexiglas umsonst?

Auch Sven Lehmann ist ganz guter Dinge. Er ist Resort Manager des «aja Zürich», eines 318-Zimmer-Hotels, das zu einer deutschen Hotelkette gehört und in schwarzen, imposanten Hochhäusern in der Nähe des Bahnhofs Altstetten untergebracht ist. «Wir hatten ein wenig Glück», erklärt er, «denn unser Konzept heisst Ferien in der Stadt. Wir haben die Möglichkeit, für Inhouse-Gäste noch Massage, Fitness und Wellness anbieten zu können.» So seien vor allem am Wochenende Gäste für Kurzferien vorbei gekommen, viele davon aus der Romandie.

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Sven Lehmann, Resort Manager des aja Zürich.

Den bisherigen kantonalen Massnahmenwettbewerb sieht Lehmann als Standortvorteil: «Bis vor kurzem konnte man hier noch shoppen gehen, ein Vorteil zum Beispiel gegenüber benachbarten Kantonen. Die Gäste haben das verbunden – tagsüber in die Stadt und Abends hier noch etwas Wellness machen.» So sei man an Wochenenden manchmal auf 30 Prozent Auslastung gekommen.

Im ersten Lockdown hatte das Hotel acht Wochen geschlossen. «Es sah aus wie ein Geisterhaus, wie bei The Shining», erzählt er. Durch die Schliessung habe man die Kosten von Schliessung und Nicht-Schliessung vergleichen können: «Da haben wir gemerkt: Für uns lohnt es sich, geöffnet zu bleiben.» Inzwischen sei der Betrieb zwar weit entfernt von Wirtschaftlichkeit, aber stabil, sagt Lehmann, ohne Zahlen nennen zu wollen. Auch das aja Zürich habe «eine geringe Anzahl wirtschaftlich bedingter» Kündigungen aussprechen müssen, erzählt er: «Aber der Personalstamm, den wir jetzt haben, der ist stabil und den wollen wir unbedingt behalten. Weitere Kündigungen machen zurzeit keinen Sinn, denn Mitarbeiter*innen sind ein hohes Gut.» Lehmann geht davon aus, «dass wir allmählich am Ende des dunklen Tunnels ankommen.» Im Frühjahr rechnet er mit der Rückkehr zu mehr Freiheiten, auch was die Hotelbranche angeht.

Das aja hat Lehmann zufolge noch alle seine Bereiche geöffnet. Statt weiter herunterzufahren, nutze man die Zeit und baue gerade eine Etage zu einem Club um. «Wir haben zum Glück einen sehr zukunftsorientierten Gesellschafter», erklärt er: «Wir investieren jetzt, damit wir, wenn die Nachfrage wieder da ist, bereit sind und mit zukunftsweisenden Konzepten loslegen können.» Das sei auch ein Signal an die Mitarbeiter*innen: «Jede*r Mitarbeiter*in macht sich ja derzeit Gedanken um seine Zukunft: Besteht mein Betrieb noch in zwei, drei Monaten? Oder bin ich auch eine*r derjenigen, der*die jetzt in einer sehr schwierigen Lage eine neue Arbeitsstelle suchen müssen? Wir investieren jetzt in die Zukunft, das gibt ihnen Motivation und die Zuversicht, dass sie sich solche Gedanken aktuell nicht machen müssen.»

Sven Lehmann hätte sich gewünscht, dass früher Hilfen für die betroffenen Bereiche aufgegleist worden wären: «Momentan sieht es danach aus, dass es damit im Februar losgeht. Ich hoffe nur, dass das für manche in unserer Branche nicht schon zu spät ist.» Für Andreas Stöckli vom «Schweizerhof» ist klar: Das ewige Massnahmen-Hin-und-Her und der politische Unwille, auch die Hotellerie zu schliessen, haben die Lage nur schlimmer gemacht: «Alle müssen schauen dass sie möglichst viel Umsatz machen und wenig Kosten generieren. Und dazu durch Schutzmassnahmen möglichst wenige Risiken auf Bussen in Kauf nehmen. Also hat man Plexiglas hier und dort, dies und jenes. Dann macht man zu, und alle Kosten hängen immer noch an einem selbst. Also hätte man die Schutzmassnahmen auch einfach in die Tonne treten und das Ding gleich zu machen können. Denn jetzt habe ich zwar schönes Plexiglas, aber es nützt trotzdem nichts.»

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