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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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6. September 2022 um 09:41

Hohe SBB-Mieten sind frech, aber die Neugasse-Initiative löst kein Problem

Die SBB ziehen dem Volk mit hohen Mieten das Geld aus der Tasche; das ist falsch. Allerdings ist es ebenfalls nicht richtig, die 125 gemeinnützigen Wohnungen auf dem Neugasse-Areal abzulehnen – die Wohnungsnot ist zu gross. Ein Kommentar.

Die SBB wollen auf dem Neugass-Areal im Kreis 5 nur ein Drittel gemeinnützige Wohnungen anbieten. Darum fordern Aktivist:innen aus dem Umfeld der AL und des Mieter- und Mieterinnenverbands per Volksinitiative, dass die Stadt Zürich den Bundesbahnen das Land abkauft. 

Doch eigentlich geht es den Initiant:innen nicht nur um dieses Areal, sondern grundsätzlich um die SBB und deren Verhalten auf dem Wohnungsmarkt. Neben der Swiss Life ist die SBB nämlich die grösste Wohnungsvermieterin der Schweiz und hat vom Bund die Aufgabe, mit den Mieten das defizitäre Zuggeschäft mitzufinanzieren. 

«Es wäre schön, wenn wir Zürcher:innen mit lokalen Abstimmungen die Bundespolitik diktieren könnten. Aber so läuft es nicht.»

Die Initiant:innen kämpfen also eigentlich in Bern dafür, dass die SBB mit ihren Wohnungen keine Rendite auf dem Buckel des Volkes machen dürfen. Das ist richtig, denn es macht keinen Sinn, wenn eine Firma den eigenen Besitzer:innen das Geld aus der Tasche zieht. 

Die Abstimmung über die Neugasse-Initiative findet aber nicht in Bern, sondern in Zürich statt. Es wäre schön, wenn wir Zürcher:innen mit lokalen Abstimmungen die Bundespolitik diktieren könnten. Aber so läuft es nicht. 

Am 25. September stimmen wir nicht über nationale Bestimmungen der SBB ab. Dieser Kampf muss in Bern geführt werden. Jetzt stimmen wir darüber ab, ob wir in der Stadt Zürich 125 gemeinnützige Wohnungen kriegen oder nicht. Gemäss Kompromiss, den die Stadt und die SBB auf öffentlichen Druck hin ausgehandelt haben, wird nämlich ein Drittel aller 375 Wohnungen auf dem Areal gemeinnützig sein und zwei Drittel der Wohnungen werden durch die SBB je zur Hälfte im preisgünstigen und im mittleren Marktsegment vermietet. 

Nun sagen die Initiant:innen, das reiche nicht. Und sie haben recht: Um das städtische Ziel von einem Drittel gemeinnützigen Wohnungen erreichen zu können, braucht es so viele neue Wohnungen, wie es nur geht. 

«Der Kampf hat mit den hohen SBB-Mieten zwar das richtige Ziel identifiziert, wird beim Neugass-Areal aber auf dem Buckel der Falschen ausgetragen.»

Das Problem ist aber, dass wir Zürcher:innen die SBB nicht zwingen können, ihr Projekt zu überarbeiten oder ihr Land zu verkaufen, dies hat sie bereits mehrfach klargemacht – auch in einem offiziellen Schreiben an die Stadtregierung.

Wenn die Initiative angenommen wird, werden wir stattdessen gar keine neuen Wohnungen bekommen. Was sagen die Befürworter:innen der Initiative den Menschen, die unter der Gentrifizierung leiden? Etwa sowas? «Ihr müsst jetzt Nein sagen zu 125 gemeinnützigen Wohnungen, damit wir ein Symbol nach Bern schicken können. Ja, da müsst ihr jetzt die bittere Pille schlucken, aber ausserhalb Zürichs gibt es noch günstige Wohnungen. Geht doch dorthin. Bitte, alle.»

Der Kampf hat mit den hohen SBB-Mieten zwar das richtige Ziel identifiziert, wird beim Neugass-Areal aber auf dem Buckel der Falschen ausgetragen. Wer dringend eine Wohnung braucht, hat keine Zeit für Symbolpolitik. 

Die Wohnungsnot in Zürich ist zu gross, als dass wir gemeinnützige Wohnungen für rund 300 Personen einfach ablehnen könnten.

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