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28. Januar 2015 um 10:19

Gibt es Illuminaten und Freimaurer in Zürich?

Ja, es gibt Freimaurer in Zürich und Illuminaten gab es wohl auch. Viel wichtiger aber ist die Frage, ob dies ein Problem darstellt. Ein Bericht aus einer Welt zwischen Wahrheit und Mythos.

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Der Zürcher Botellón im Jahre 2008 wurde von den Illuminaten organisiert. Der Grund dafür sei offensichtlich: Usain Bolts Lauf am Leichtathletik-Meeting im Letzigrund am selbigen Wochenende sollte in Vergessenheit geraten. Ob das der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt, der User «TruthIsNeverTooHorrible» behauptet dies jedoch äusserst überzeugt in einem bekannten Verschwörungsforum.

Tausende solcher Verschwörungstheorien schwirren durch das Internet, in denen Illuminaten und Freimaurer für zig Geschehnisse von der Französischen Revolution über die Ermordung Kennedys bis zu 9/11 verantwortlich gemacht werden. Oft bleibt es bei der blossen Unterstellung, ohne dass Beweise genannt oder weitere Erklärungen abgegeben werden. So auch im Falle der Theorie um den Zürcher Botellón. In einem Punkt hat der Autor aber durchaus Recht: Es gibt Freimaurerlogen in Zürich und einen Illuminatenorden hat es wohl auch gegeben.

Die Freimaurer: Viel Feind, viel Ehr

Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass Freimaurer und Illuminaten voneinander unterschieden werden müssen, wenn auch einige Freimaurer Illuminaten gewesen sind. Die Freimaurer sahen und sehen sich als Lebensschule, oder wie es in den «Allge­meinen maureri­schen Grundsät­zen der Schweizerischen Grossloge Alpi­na» geschrieben steht: «Der Zweck des Freimaurerbundes ist die Erziehung seiner Mitglieder zum wahren Menschentum». Die ersten dieser Logen entstanden anfangs des 18. Jahrhunderts und verbreiteten sich rasch in weiten Teilen der Welt.

Ihre damals revolutionären aufklärerischen Ideen und die geheimen internen Ritualen liessen bis heute viel Platz für eigenwillige Interpretationen und abergläubische Meinungen bezüglich der Logen. Im Laufe der Jahre zählten das römisch-katholische Papsttum, die Nazis aber auch linke Diktaturen zu den Feinden der Freimaurerei. In ihren Reihen sollen sich jedoch nicht weniger illustre Namen befunden haben, so unter anderem Goethe, George Washington, Walt Disney, Charlie Chaplin, Kurt Tucholsky oder Axel Springer. Waren sie nur auf der Suche nach Erleuchtung oder wollten sie tatsächlich eine neue Weltordnung errichten?

Geheimnisse auf dem Lindenhof?

Hierzulande entstanden die ersten Logen in der Mitte des 18. Jahrhunderts und hatten von Anfang an starken Zulauf. 1937 versuchte man die Freimaurerei auch in der Schweiz mit einer nationalsozialistisch angehauchten Volksinitiative zu verbieten – das Volk lehnte diese jedoch mit einer deutlichen Mehrheit ab. Gemäss der grössten Zürcher Loge «Modestia cum Libertate» zählen die 83 Schweizer Logen heute noch fast 4000 Mitglieder.

Die Freimaurer mögen zwar ein exklusiver Klub sein, jedoch haben sie informative Internetseiten, geben eigene Publikationen heraus und zumindest die Zürcher Logen sind in stadtbekannten Gebäuden auf dem Lindenhof zu finden. Wie der Autor Peter Wendling in seinem Buch über die Logen schreibt, sind sie «viel weniger geheim als viele Aufsichtsratssitzungen von Wirtschaftsunternehmen». Was zudem kaum bekannt ist: Die Freimaurer sind auch karitativ tätig. So wurde zum Beispiel das Zürcher Brockenhaus einst von der bereits genannten Loge «Modestia cum Libertade» gegründet.<

Die Illuminaten: Von bedeutungslos zum Mythos

Der Illuminatenorden wurde 1776 im bayerischen Ingolstadt gegründet und sollte eine geheime Weisheitsschule und revolutionäre Zelle sein. So ist in den Schriften des Ordens die Rede von einem Aktionsplan für eine indirekte, stillschweigende Übernahme des Staates, jedoch blieb dies nie mehr als eine Idee. In erster Linie lebte der Orden von seiner geheimnisvollen, mit altägyptischen Zeichen aufgebauschten Aura und dem gemeinsamen Lesen verbotener Schriften von Voltaire und anderen revolutionären Literaten.

Das war den meisten wohl zu wenig und so stand der Orden gegen Ende des 18. Jahrhunderts schon kurz vor dem Aus, als die bayerische Obrigkeit von den vermeintlichen Revolutionären erfuhr und sie verbieten liess. Zudem wurden einige Mitglieder in Schauprozessen zu Haftstrafen verurteilt. Die Kunde über diese revolutionäre Geheimgesellschaft der eigentlich kaum bedeutsamen Illuminaten verbreitete sich rasant im aufgewühlten Europa und in der zeitnahen französischen Revolution sahen viele die Handschrift des Illuminatenordens und der Freimaurer. Ein Mythos war geboren, welcher die Jahrhunderte überleben wird.

Hokus Pokus und jugendlicher Leichtsinn

In der «Paranoia-Welt des Kalten Krieges», wie es Stephan Gregory in seinem Werk «Wissen und Geheimnis» passend zusammenfasst, durchlebt der Illuminatenmythos ein fulminantes Revival: Hunderte Bücher erscheinen und verbinden so gut wie jedes mythenbehaftete Ereignis mit dem «Allsehenden Auge» der Illuminaten. Insbesondere die okkulten Werke eines gewissen Aleister Crowley werden gerne gelesen. Dieser hatte zusammen mit Theodor Reuss vor dem Zweiten Weltkrieg den «Ordo Templi Orientis» gegründet, welcher das Gedankengut der Illuminaten mit okkulten Praktiken verband. Auf einer Informationsseite einer deutschen Freimaurerloge wird behauptet, der Orden solle sich nach 1945 in Zürich wieder neu gegründet haben, nachdem er unter der Nazi-Herrschaft in Deutschland verboten wurde.

Es werden jedoch keine Quellen dazu genannt. Gesichert ist jedoch die Tatsache, dass es 1784 in Zürich zur Gründung der «Gesellschaft zur Aufnahme des Guten» kam, welche Züge der Illuminaten trug. Mitbegründer war unter anderem der junge Johann Heinrich Pestalozzi. Dieser schrieb in seinen Memoiren, in seinem jugendlichen Leichtsinn wollte er damals alle Wahrheitsfeinde zertreten und den Bürgermeister ermorden. Es blieb beim Wollen, denn auch hier wurde kaum eine Idee in die Tat umgesetzt. Die junge Geheimgesellschaft löste sich bald wieder auf und so gibt es bis auf ein paar wenige Gerüchte keinen Hinweis auf einen aktuellen Illuminatenorden in Zürich.

Sich verstecken ist keine Stärke

Es gibt die Freimaurer, die Illuminaten hat es auch gegeben, jedoch sind sie weit weg davon, als Erklärung für jedes Unheil der Menschheitsgeschichte herhalten zu können. Oder wie es Gregory passend schreibt: «Die paranoide Zusammenhangskonstruktion erscheint hier als verzweifelter und letztlich vergeblicher Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen, in einer sich zunehmend dissoziierenden, entropischen Welt Orientierungspunkte, Strukturen ‚Sinn’ zu schaffen.» Mächtige Leute brauchen keine geheimen Treffen, um wichtige Entscheidungen zu treffen, siehe die Rotary-Clubs, das WEF, die Bilderberger-Konferenz oder eben die Freimaurer: Ihr Veranstaltungskalender ist im Internet für jeden offen zugänglich. Deshalb gilt wohl weiterhin: Aus dem Geheimen heraus agieren nur die Schwächeren.

Erschienen am 28.01.2015 / Aktualisiert am 20.11.2018

Literaturempfehlungen

Gregory, Stephan (2009). Wissen und Geheimnis : das Experiment des Illuminatenordens. Frankfurt am Main: Stroemfeld.

Lennhoff, Eugen (1931). Politische Geheimbünde. Zürich: Amalthea-Verlag.

Baumann, Adolf (2006). Wer ist wer? : markante Freimaurer aus zwei Jahrhunderten. Zürich: Modestia cum Libertate.

Wendling, Peter (1991). Die Unfehlbaren : die Geheimnisse exklusiver Clubs, Logen und Zirkel. Zürich: Schweizer Verlagshaus.

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