Gemeinderats-Briefing #42: Mehr Energie! - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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25. Mai 2023 um 07:00

Gemeinderats-Briefing #42: Mehr Energie!

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Energiezulage, sicherer Schulweg und der Central Park für Zürich.

Alle Gemeinderatssitzungen haben eines gemeinsam: Sie beginnen jeweils Punkt 17 Uhr mit dem Läuten des Gongs. Die Politiker:innen sind noch am Quatschen, Hallo hier, Hallo da und dann begeben sie sich langsam an ihre Plätze. 

So identisch der Start, so unterschiedlich der Verlauf der Sitzungen – und auch deren Schlusszeit. Gestern, und dies ist eher ungewöhnlich, dauerte es nur drei Stunden. Ziel: 30 Traktanden (was dann schliesslich leicht verfehlt wurde). Noch etwas zögerlich eröffnete die neue Ratspräsidentin Sofia Karakostas (SP) durch die Sitzung: Vorlagen des Stadtrates, dringliche Vorstösse und Geschäfte, die das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement betreffen.

Illustration: Zana Selimi

Mit Traubenzucker gegen Heizkosten

Geschenkt gibt es selten etwas. Doch wer gestern das Ratsgebäude betrat, kriegte eine Packung Traubenzucker mit dem Aufkleber «Energiezulage» in die Hand gedrückt. Die AL hat die Zulage offenbar zum strategischen Geschäft erklärt, obwohl keine richtungsweisenden Entscheide angestanden sind. Doch auch die SVP nutzte die Gelegenheit und machte Stimmung gegen das Klimaschutzgesetz, über das wir im Juni abstimmen werden. 

Worum geht's? Haushalte mit wenig Geld, also solche mit Prämienverbilligungen oder Ergänzungsleistungen, sollen finanziell unterstützt werden, wenn die Energiekosten um mindestens 30 Prozent steigen. Soweit so klar. 

Energie in Form von Zucker: Die AL verteilte vor der Sitzung Dextro Energy – ich habe sogar zwei Packungen bekommen und dann mit der SRF-Journalistin geteilt.  (Foto: Simon Jacoby)

Gestern ging es einerseits nur noch um redaktionelle Bereinigungen (sprich: textliche Verfeinerungen) und andererseits darum, dass nach drei Jahren überprüft werden soll, ob und wie die Energiekostenzulagen genützt haben. 

Fast alle Parteien konnten sich auf dieses Vorgehen einigen, nur die SVP war dagegen – warum, blieb unklar. Walter Angst (AL), der die Überprüfung im Namen der Kommission vorgestellt hat, erklärt: Je nachdem, wie die Teuerung der Energiekosten aussieht und je nachdem, wie viele Menschen Prämienverbilligungen erhalten werden, müssten die Zulagen neu berechnet und damit die Wirkung überprüft werden. In seinen Worten: «Damit können wir seriös mit dem neuen Instrument umgehen.» Für die SP sprach Marcel Tobler und betonte, es gehe nicht um den Inhalt, sondern nur um das Ablaufdatum und die Möglichkeit, die Zulagen dann zu verlängern oder zu beenden. 

Fast schon euphorisch klang es von Patrik Brunner von der FDP: «Wir sind glücklich über den Kompromiss und die FDP bedankt sich bei den anderen Parteien.»

Gegen die Stimmen der SVP wurde das Geschäft angenommen und die Wirksamkeit der Energiekostenzulage wird in Zukunft überprüft.

Sicherer Schulweg – aber wie?

Nach dem tragischen Unfall beim Escherwyss-Platz, als im Dezember 2022 ein Kindergartenkind überfahren worden ist, will die Politik von links bis zur FDP, dass die Situation an der Thurgauerstrasse in Zürich-Nord sicherer wird. Dort gibt es nämlich keine zusammenhängende Überquerung für die künftigen Schüler:innen der 18 Primarschulklassen und 6 Kindergärten des Schulhauses Leutschenbach. Das Unterfangen ist nicht ganz einfach, denn die Strasse hat in jede Richtung zwei Spuren und in der Mitte fährt auch noch das Tram.

Sicherheit für die Kinder wollen alle Parteien, bei der Umsetzung war man sich nicht ganz einig. Gleich drei Vorstösse (zwei Postulate und eine Motion) standen zur Debatte. Die Hauptfrage: Soll eine Passerelle provisorisch sein oder nicht?

Bis im Herbst 2024 muss eine Lösung her, denn ab dann müssen täglich rund 150 Schulkinder die Strasse überqueren, wie Stadträtin Simone Brander (SP) prognostizierte. 

«Ob provisorisch oder nicht spielt keine Rolle, es muss einfach eine Passerelle her.»

Andreas Egli, FDP

Was tun? Vorerst soll für 150’000 Franken eine provisorische Passerelle erstellt werden. Aber in etwas fernerer Zukunft soll die Strasse zwei Spuren verlieren und das Tempo reduziert werden. Zudem, so fordern die linken Parteien, müsse die Thurgauerstrasse ebenerdig überquert werden können. In den Worten von Heidi Egger (SP): «Ok, liebe Stadtverwaltung, baut eine Passerelle. Aber vergesst unsere Forderung nicht!»

Eine schnelle Lösung will auch die FDP, denn die Thurgauerstrasse sei als Schulweg klar untauglich und müsse sicher gemacht werden. Andreas Egli: «Ob provisorisch oder nicht spielt keine Rolle, es muss einfach eine Passerelle her.»

Gänzlich gegen eine ebenerdige Überquerung ist die SVP. Denn drei Mobilitäten würden im Konflikt mit den Fussgänger:innen stehen: Velos, Motorverkehr und das Tram. Darum sei eine Passerelle die sicherste Möglichkeit, erklärte Derek Richter. 

Nach einer ausführlichen Debatte entschied sich die Mehrheit für zwei der dreien Vorstösse. Nun wird eine Passerelle kommen. Wie lange diese stehen wird, werden wir noch sehen. 

Ein Central Park für Zürich?

Die Mythenpark-Initiative will, dass zwischen dem Strandbad Mythenquai bis zum General-Guisan-Quai ein möglichst durchgängiger und öffentlich zugänglicher Park entsteht. Die IG Seepärke will damit qualitativ hochwertige Erholungszonen schaffen. 

Eigentlich war das Geschäft schon einmal diskutiert worden. Damals haben die Parlamentarier:innen vom Stadtrat zwei Dinge gefordert: Eine Umsetzungsvorlage und einen Gegenvorschlag. Doch unterdessen hat der Stadtrat gemerkt, dass ein Gegenvorschlag keinen Sinn mache, weil der Spielraum zu klein sei. Deshalb, so die Idee, solle der Gemeinderat auf seinen Entscheid zurückkommen und die Bestellung eines Gegenvorschlages zurückziehen. 

Ein solche Zurückkommen ist standardmässig nicht vorgesehen, weshalb sich Andreas Egli von der FDP zu folgendem Votum hinreissen liess: «Wir erleben einen raren Moment, indem Stadtrat und Gemeinderat gescheiter werden können.»

Die Volksinitiative wird also ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen auch wenn, so die Befürchtung von Stephan Iten (SVP), der Kanton einer Umsetzung kaum zustimmen werde. 

Das Tiefbaudepartement von Simone Brander muss nun eine Umsetzungsvorlage erarbeiten für eine Initiative, die gemäss der Stadträtin mit der grossen Kelle anrührt und «mit dem Recht und der Realität» kollidiert. Dies, weil zu viele Strassen und zu viele andere Verpflichtungen verletzt würden.

Der Rat stimmte der Bestellungstornierung des Gegenvorschlages zu – und damit sind alle etwas gescheiter geworden. 

Weitere Themen der Woche

  1. Die Stadtgrün-Volksinitiative will, dass die Stadt Zürich 1 Prozent der Steuereinnahmen für diverse Massnahmen gegen die klimatische Erhitzung der Stadt beschliesst. Weil eine solche Zweckbindung der Steuergelder nicht möglich ist, haben Stadt- und Gemeinderat einen Gegenvorschlag erarbeitet (wir haben berichtet). Nun ist dieser Vorschlag fix: Mit bis zu 130 Millionen Franken (Ausgabenbremse gelöst!) werden vier Massnahmen-Programme umgesetzt. Der Gemeinderat steht mehrheitlich hinter diesem Vorschlag und lehnt die Initiative entsprechend ab. 
  2. Die Kehrrichtverwertungsanlage Hagenholz wird ausgebaut und eine dritte Verbrennungslinie eingerichtet – für 367 Millionen Franken. Die Abfallmenge wird steigen, auch wegen Bevölkerungswachstum und höherer Bautätigkeit. Der Ausbau des Hagenholz verspricht einen grossen Schritt nach vorne in der Klimapolitik, sagt Stadträtin Simone Brander (SP). Dies, weil durch mehr Verbrennung von Müll, mehr Fernwärme genutzt werden kann. Benedikt Gerth (Mitte) kritisierte, dass mehr Abfallverbrennung als klimaneutral bezeichnet wird. Der Gemeinderat stimmte zu, das Stimmvolk wird das letzte Wort haben.

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