Gemeinderats-Briefing #37: Geld gegen die Hitze - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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30. März 2023 um 07:00

Gemeinderats-Briefing #37: Geld gegen die Hitze

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Hitzeminderung, Linksextreme und keine Bussen an Demos.

(Foto: Zana Selimi)

Ausgesprochen lustig ist es ja nicht im Gemeinderat. Es ist ja schliesslich kein Comedy-Haus, sondern das Parlament der grössten Stadt der Schweiz. Witzig wird es trotzdem ab und zu, vor allem vor oder zwischen den Traktanden. Beispiel gefällig? Weil bei der Verpflegung in den Sitzungspausen der Teppich im neuen Rathaus schmutzig geworden ist, muss seit gestern in einem Raum mit schönem Holzboden gespeist werden. Der Kantonsrat habe dies vom Gemeinderat verlangt, so der Ratspräsident. Weil der neue Raum noch nicht mit allen technischen Notwendigkeiten ausgestattet ist, wurde die Pause von 15 auf 30 Minuten verlängert, damit niemand vor lauter essen die Abstimmung verpasst… 

Für Nicht-Polit-Nerds ist der Parlamentsbetrieb eh schon schwierig zu verstehen. Es geht um Weisungen, Kommissionen und Dispositivziffern. Bei der Diskussion über die Statdgrün-Initiative wurde es gestern sogar so kompliziert, dass sich die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP) dafür entschuldigte und auch die Sprecherin der Kommission begann ihr komlexes Votum mit den Worten: «Es wird kompliziert heute Abend.»

Ich habe nun die dankbare Aufgabe, massiv zu vereinfachen, damit dir beim Lesen das Gesicht nicht einschläft. Warum gehts? Die «Stadtgrün»-Initiative fordert unter anderem mehr Grün, bessere Luft und mehr Biodiversität. Damit sollen die Auswirkungen der Klimakrise gemindert werden. Natürlich kostet dies etwas. Der Initiativtext will darum 1 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen über eine Stiftung für hitzemindernde Massnahmen ausgeben. 

Eine solche Zweckbindung von Steuergeldern ist nicht erlaubt. Hauptsächlich darum erarbeitete der Stadtrat einen Gegenvorschlag: Mit 83 Millionen sollte ein Vier-Punkte-Programm im Bereich der Hitzeminderung umgesetzt werden; natürlich in der Verwaltung, nicht in einer neuen Stiftung.  

Die Anliegen der Initiative fanden (fast) bei allen Anklang. Doch die Umsetzung sollte mit einem Rahmenkredit und in der Verwaltung erfolgen – mit viel mehr Geld als der Stadtrat forderte.

Die Debatte in wenigen Punkten:

  1. Carla Reinhard von der GLP will, dass es schnell vorwärts geht: «Wir brauchen mehr Impact und noch mehr Gewicht – und darum auch mehr Budget.»
  2. Johann Widmer von der SVP befürchtet sinnlose Massnahmen gegen den «Klimawahn».
  3. Sebastian Vogel von der FDP zweifelte den Nutzen von zusätzlichen Mittel an und unterstützte die 83 Millionen Franken des Stadtrates.
  4. Barbara Wiesmann von der SP betonte die gesundheitlichen Vorteile einer kühleren Stadt und pochte auf eine schnelle Umsetzung. 
  5. Dominik Waser von den Grünen kündigte an, noch mehr Geld sprechen zu wollen, falls die geforderten 130 Millionen Franken nicht reichen sollten.
  6. Und Stadträtin Simone Brander kündigte die Unterstützung des Stadtrates für den neuen Gegenvorschlag an: «Wir nehmen den Betrag und versuchen, diesen auszuschöpfen. Seien Sie uns aber nicht böse, wenn wir nicht alles ausgeben können.»

Die SVP lehnte das ganze Vorhaben ab, die FDP folgte dem Stadtrat und alle anderen erhöhten die Gelder auf 130 Millionen Franken. Die Hoffnung des Parlaments: Mit einem guten Gegenvorschlag soll eine Abstimmung über die Initiative verhindert werden. Das Geschäft wird nun redaktionell bereinigt. Wir bleiben dran. 

Keine (zusätzliche) Strategie gegen Linksextreme

Mit vier Postulaten (1, 2, 3, 4), die alle sehr ähnlich formuliert sind, will Samuel Balsiger und seine SVP-Fraktion gegen den Linksextremismus vorgehen. Der Stadtrat verharmlose Gewalt von linken Extremist:innen, was sich nach der Koch-Demo im Februar erneut gezeigt habe. «Sie haben weggeschaut und nichts gemacht», so Balsiger an die Adresse des Stadtrates. Die SVP forderte daher eine Strategie, wie Linksextremismus verhindert werden kann. Dafür soll eigens ein Legislaturschwerpunkt definiert werden. Er wisse, dass alle Vorstösse abgelehnt werden, referierte Samuel Balsiger, aber: «Wir machen diese Vorstösse nicht, damit sie überwiesen werden, sondern damit der Stadtrat Stellung beziehen muss.»

Links- und Rechtsextremismus seien nicht vergleichbar, hielt Moritz Bögli von der AL dagegen. Während die Linken Sachbeschädigungen begingen und Mauern versprayen, würden die Rechten Asylzentren in Brand stecken und queere Menschen zusammenschlagen: «Das eine sind Verletzte oder Tote, das andere sind Schmierereien.»

Die zuständige Stadträtin Karin Rykart betonte, man verurteile Gewalt und Extremismus von allen Seiten: «Gewalt, Drohungen und Einschüchterungen haben keinen Platz in der Stadt Zürich.» Untätig sei die Stadt keineswegs, Straftaten würden verfolgt und verschiedene Stellen arbeiteten gemeinsam gegen Extremismus. Neue Strategien seien nicht nötig, die Stadt Zürich sei mit dem nationalen Aktionsplan gut eingebettet. Denn: «Extremismus macht nicht an den Stadtgrenzen halt.»

Eine Bemerkung zur Debatte: SVP-Fraktionschef Samuel Balsiger verschob seine eigene Untergrenze des Anstandes immer weiter ins Bodenlose – oder in den Worten von FDP-Schmid: «Ehrverletzend gegenüber den Grünen.» In diversen Voten bezichtigte Balsiger die Grünen der Pädophilie, griff den Ratspräsidenten frontal an, sprach in wirren Sätzen und verlor mehrfach den Faden beim Sprechen. Die Niveaulosigkeiten führten zu wilden Szenen, Zwischenrufen und einem Ordnungsantrag der Grünen Fraktion auf Abbruch der Debatte. Dieser wurde knapp abgelehnt.

Der Prophet Samuel Balsiger hat es vorhergesehen: Sämtliche Vorstösse wurden abgelehnt.

Weitere Themen:

  1. Wer an einer unbewilligten Demonstration teilnimmt, kann von der Polizei gebüsst werden. Mit einer knappen Mehrheit will der Gemeinderat dies nun verhindern. Denn: «Durch Androhung einer Busse soll man nicht an Teilnahme von Demonstrationen oder Kundgebung gehindert werden», fordern die Motionäre Moritz Bögli (AL) und Luca Maggi (Grüne). Mit den Stimmen der SP haben sie das Geschäft gegen den Willen des Stadtrates überwiesen.
  2. Erinnerst du dich an Isabel Garcia, die kurz nach ihrer Wahl in den Kantonsrat von der GLP in die FDP gewechselt ist? Wegen diesem Wechsel wurde gestern für die GLP Serap Kahriman neu in die Finanzkommission gewählt. Ebenfalls ein neues Mitglied hat die Sozialkommission: Für die zurückgetretene Jeannette Büsser ist Ulises Rozas Campos von den Grünen gewählt worden. 
  3. «Gefühlt jedes Stäubchen wird weggeblasen», begründete Jürg Rauser (Grüne) die Motion, die er zusammen mit Alan David Sangines (SP) eingereicht hatte. Das Ziel: Laubbläser sollen nur in den «Laubmonaten» von Oktober bis Dezember eingesetzt werden dürfen. Die Geräte würden derzeit ganzjährig und oft als Ersatz für Wischen verwendet. Mit einer Einschränkung könnten die Emissionen reduziert werden. Stadträtin Rykart war wegen der schwierigen Umsetzung dagegen. Die Mehrheit des Parlaments folgte den Motionären und überwies den Vorstoss. 

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