Gemeinderats-Briefing #34: Kein Wille, kein Gebüsch - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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14. März 2023 um 15:29

Gemeinderats-Briefing #34: Kein Wille, kein Gebüsch

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Mehr Grün, Bildung gegen Rechtsextremismus und Hilfe für Geflüchtete.

Illustration: Zana Selimi (Foto: Zana Selimi)

Vierzehn violette Schals, Pullis, Kappen und Einstecktücher waren von links bis in die Mitte hinein zu sehen. Zufall? Kaum. Warum sich auch der Ratspräsident mit einem violetten Schal den Hals wärmte, liest du bei den Kurz-News...

Mehr Grün, weniger Asphalt

Nun zu einer anderen Farbe: Grün. 

Den Wunsch von Markus Knauss (Grüne) hat der Stadtrat mit seiner Weisung bereits erfüllt, teilweise zumindest. Mittels Pilotprojekten soll getestet werden, wie der Strassenraum klimagerecht gestaltet werden kann. Denn, so der Motionär, «es gibt noch zu viel Asphalt, auch wenn es gar nicht nötig ist». Man müsse lernen, wie mehr Grünvolumen möglich ist und wie Strassen entsiegelt werden können. Die Verwaltung habe diese Pläne zwar bereits aufgenommen, doch Knauss war äusserst unzufrieden, dass es zu wenig rasch vorwärts geht. Selbst die SVP sah im Bericht des Stadtrates einige positive Beispiele, auch wenn viele der Projekte teuer und wirkungslos und hauptsächlich als Anti-Auto-Massnahmen zu verstehen seien. Parkplätze müssten, so Derek Richter (SVP), nicht abgebaut, sondern einfach entsiegelt werden. Oder in anderen Worten: «Wo kein Wille ist, ist kein Gebüsch.» Aber wie gut lässt es sich auf einem Gebüsch parkieren? Der Bericht wird vom Gemeinderat zur Kenntnis genommen und die Motion von Knauss abgeschrieben. 

Entsiegeln war auch das Thema beim Postulat von Monika Bätschmann (Grüne) und Rahel Habegger (SP), welches mehr Grün auf den Strassenbegleitflächen fordert. Denn im Kampf gegen die Klimakrise brauche es zwar einen Systemwandel, aber eben auch kleine Schritte, die nicht weh tun. Darum sollen Strassenbegleitflächen wie Steingärten, Inseln und Mittelstreifen, beispielsweise zwischen Strasse und Trottoir entsiegelt und begrünt werden. Sämtliche Parteien unterstützten das Postulat.

Und der letzte Punkt im Kapitel grün: Wieder von den gleichen beiden Politikerinnen. Sie fordern in ihrem Postulat unversiegelte und naturnahe Abstellplätze für Verkehrsmittel im öffentlichen Raum. Also etwas sehr ähnliches wie beim vorherigen Punkt. Auch hier verlief die Diskussion ähnlich, die kleine Massnahme tut nicht weh und gegen Entsiegelung und Begrünung hat daher niemand etwas. Auch dieses Postulat wurde ohne Gegenstimme überwiesen.

Weiterbildung gegen Rechtsextremismus

Nun weg von der Farbenlehre und hin zur Ausbreitung des Rechtsextremismus – auch in Zürich. Nach dem Angriff der Jungen Tat auf das Tanzhaus im vergangenen Sommer haben die Grünen und die SP mehrere Vorstösse eingereicht (wir haben berichtet). Die Forderung von gestern: Regelmässige und verpflichtende Weiterbildungen für städtische Angestellte. Wie Anna Graff von der SP ausführte, sollen Mitarbeitende aus der Verwaltung, von Polizei, Jugendarbeit und Staatsanwaltschaft Präventionsarbeit leisten können, um den Rechtsextremismus als Bedrohung für die Demokratie zu bekämpfen. Die GLP wollte den Text ändern, sodass auch gegen andere Formen des Extremismus vorgegangen werden kann. Und die AL wollte den Text so ändern, dass nicht mehr «Rechtsextremismus» im Fokus steht, sondern «(Neo-)Faschismus». Die Grünen und die SP gingen auf diesen Vorschlag ein und das Postulat wurde mit einer einzigen Stimme mehr an den Stadtrat überwiesen. 

«Wo kein Wille ist, ist auch kein Gebüsch.»

Derek Richter, SVP, über mehr Grün in der Stadt

(Keine) Hilfe für Geflüchtete

Welche Geflüchteten hat die SVP am liebsten? Jene, die wieder in ihre Heimat zurück gehen. Deshalb forderte Samuel Balsiger in einem Postulat, dass ukrainische Geflüchtete Geld von der Stadt bekommen, wenn sie wieder nach Hause reisen wollen. «Wir wollen niemanden abschieben und keine Propaganda auf dem Buckel der Flüchtlinge machen», so Balsiger, «sondern helfen, damit sie ihre Heimat unterstützen können.» Humanitäre Hilfe als patriotischer Akt sozusagen. Nach hitziger Diskussion stellten sich alle Parteien ausser der SVP gegen das Anliegen. Grund: Der Kanton Zürich sei zuständig und biete bereits eine funktionierende Rückkehrhilfe.

Kurze Zeit später ging es erneut um mehr Geld für Geflüchtete. Diesmal wollte Nadina Diday von der SP finanzielle Unterstützung für zivilgesellschaftliche Projekte, welche die staatliche Integration ergänzen sollen. «Solche Projekte sind gelebte Solidarität», fand Karin Weymann von Die Mitte und so wurde das Postulat gegen die Stimmen von FDP und SVP überwiesen. 

Weitere Themen der Woche:

  1. Zum gestrigen Internationalen Frauentag verlasen Vertreterinnen der fraktionsübergreifenden IG Frauen eine gemeinsame Erklärung. Tanja Maag (AL), Serap Kahriman (GLP), Cathrine Pauli (FDP), Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne), Karin Weyermann (Die Mitte) und Angelica Eichenberger (SP) gingen auf den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in der Schweiz ein, der zwischen 2018 und 2020 nur um ein Prozent gesunken sei. Sie thematisierten die unbezahlte Sorgearbeit, die Frauen machten, die Unterrepräsentation in Führungs- und Entscheidungspositionen sowie Gewalt gegen Frauen, die in der Schweiz Alltag sei. Zudem stellten sie sich demonstrativ hinter Ratskollegin Isabel Garcia, die nach ihrem kürzlich erfolgten Wechsel von der GLP zur FDP massive Anfeindungen erfahren habe.
  2. Susanne Brunner, die einzige weibliche Vertreterin der SVP im Rat, nahm nicht an der gemeinsamen Erklärung teil. Stattdessen verwies ihr Fraktionskollege Michele Romagnolo in einer persönlichen Erklärung auf den Aufruf zu einer Demonstration anlässlich des Frauentags am kommenden Samstag. Darin sei von einem «Kampftag» und von der «Zerstörung des Kapitals» die Rede. Er warnte vor Ausschreitungen und rief den Stadtrat dazu auf, die Demonstrationen «spätestens bei ersten Vermummungen oder Sachbeschädigungen» aufzulösen.
     
  3. Einstimmig hiess der Gemeinderat gestern eine Weisung gut, die einen kommunalen Solidaritätsbeitrag für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzerungen vor 1981 vorsieht. Stadtrat Raphael Golta (SP) sprach von einem der «dunkelsten Kapitel der Schweizer und Zürcher Sozialgeschichte». Man habe unter anderem eine Studie in Auftrag gegeben, die die Rolle der Stadt und ihrer Behörden bei den damaligen Vorgängen beleuchten solle.
     
  4. Anna Graff und Severin Meier (beide SP) forderten mit einem Postulat, in Zürich Logistikhubs zur Zwischenlagerung von Lieferungen aufzubauen, um eine Feinverteilung mit Lastenvelos auf der letzten Meile zu unterstützen. Unterstützt wurde das Vorhaben von den Grünen und der AL. Es kam zu einem Patt von 57 zu 57 Stimmen, das Gemeinderatspräsident Matthias Probst (Grüne) mit einem Stichentscheid zugunsten der Befürworter:innen entschied. Sven Sobernheim (GLP) erklärte, angesichts von Feinverteilungslösungen wie beispielsweise Salü-Boxen biete der Vorstoss nichts Neues. Vertreter:innen von SVP, FDP und der Mitte erklärten, es sei nicht Aufgabe des Staates, sich um die Logistik zu kümmern. Michael Schmid (AL) meinte, der Staat müsse nicht sämtliche Aufgaben übernehmen, könne aber Entwicklungen beschleunigen. Ein solches Logistikhub-System liesse sich zum Beispiel gut mit dem geplanten Cargo-Sous-Terrain-Projekt kombinieren.

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