Gemeinderats-Briefing #32: Tschüss, Züri Nord! - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderats-Briefing #32: Tschüss, Züri Nord!

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Abgangsentschädigung nur noch für Stadträt:innen, für alle etwas beim ZFF, Unterstützung für IPV-Berechtigte

(Foto: Zana Selimi)

Zur letzten Sitzung vor dem Umzug in die Bullingerkirche gab es gestern gleich zwei Überraschungen. Zum einen hatte Gemeinderatspräsident Matthias Probst zum Abschluss in der Messehalle 9 einen Apéro organisieren lassen. Zum anderen wurden die Gemeinderät:innen vor Beginn der Sitzung von einem Grüpplein Gewerkschafter:innen mit Flyern in der Hand begrüsst.

Der Gewerkschaftsverband des öffentlichen Dienstes VPOD hatte über 900 Unterschriften gesammelt für sein Anliegen, den städtischen Mitarbeitenden ein vollwertiges ZVV-Zone-110-Abo zur Verfügung zu stellen sowie die Verpflegungspauschalen um 50 Franken zu erhöhen und so denen des Kantons anzupassen. Es gehe darum, diese Ungleichheit zu beseitigen, teilte mir ein Herr vor dem Eingang mit. Und mit dem vollwertigen statt nur teilweise erstatteten ZVV-Abo verfolge man auch ein ökologisches Ziel. Der Gemeinderat wird das Geschäft in den kommenden Wochen beraten.

Die Forderungen der Gewerkschafter:innen, die sich auf Mehrkosten von knapp 800 Franken pro Mitarbeiter:in und Jahr summieren, sind eher bescheiden, vergleicht man sie mit den Summen, die im Rahmen der von der SVP lancierten Volksinitiative «Keine goldenen Fallschirme für abtretende Behördenmitglieder» genannt werden. In einer Fraktionserklärung legte SVP-Gemeinderat Martin Götzl den Inhalt der Initiative noch einmal dar: Angesichts von durchschnittlich 500'000 Franken, die die Stadt jährlich als Entschädigung für abtretende Behördenmitglieder zahle, sollten solche Abgangsentschädigungen «eliminiert» werden. Lediglich Stadträt:innen sollten ein Anrecht darauf haben, jedoch nur bei unfreiwilligem Ausscheiden und in der Höhe von maximal einem Jahreslohn.

Die im letzten Frühjahr eingereichte Initiative wird vom Stadtrat abgelehnt. Er unterbreitete dem Gemeinderat stattdessen in einer Weisung einen Gegenvorschlag, der lediglich die Beschränkung auf den Stadtrat übernimmt. An der Umsetzung dieser Forderung sei man sowieso gerade dran, schliesslich sei sie Inhalt einer bereits überwiesenen Motion aus den Reihen der Grünen.

Die meisten anderen Forderungen der Initiative seien bereits umgesetzt, so Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP): Eine Teilrevision der Abgabeverordnung sei seit September 2022 in Kraft. Sie beschränke die maximale Höhe der Entschädigungsleistungen von zuvor 4,8 auf nun 1,8 Jahreslöhne und passe zudem den Kreis der Anspruchsberechtigten an. Zurückgegangen sei sie auf eine Motion der SVP, welche ohne Gegenstimme im Rat abgeschrieben worden sei.

VPOD Gemeinderat

Keine goldenen Fallschirme, sondern goldene ZVV-Abos: Das fordert der VPOD. (Foto: Steffen Kolberg)

Die Zahlen, auf die sich die SVP in ihrer Fraktionserklärung beziehe, entsprächen also nicht mehr der Wirklichkeit, argumentierte Mauch, und der Grossteil des Rats teilte ihre Auffassung. Man könne sich bei der SVP auf die Schulter klopfen, dass der Stadtrat nun einen Gegenvorschlag erarbeitet habe, der sich auch bei den «Besitzstandswahrern» der grossen Parteien durchgesetzt habe, meinte zum Beispiel Walter Angst (AL).

Sein Fraktionskollege Patrik Maillard sprach von Populismus seitens der Rechten. Luca Maggi (Grüne) warf der Volkspartei vor, mit ihrem Festhalten an der Initiative Rechtsunsicherheit für die betroffenen Personen zu schaffen. Es sei keine saubere Arbeit, die Umsetzung einer Motion nicht abzuwarten. «Die Initiative ist gefährlich», erklärte er. Denn wer mutige Personen in Entscheidungsämtern wolle, müsse ihnen auch die nötige Absicherung geben.

Hans Dellenbach (FDP) sagte, dies sei einer der seltenen Fälle, in denen er mit Luca Maggi einer Meinung sei. Niemand wolle Stadträt:innen, die gegen Ende ihrer Amtszeit damit beschäftigt seien, einen neuen Job zu suchen. Auch Christian Traber (Die Mitte) fand, mit den Schritten, die bereits umgesetzt oder in Umsetzung seien, sei der Sache der Initiative Genüge getan.

Einzig die GLP unterstützte sowohl den Gegenvorschlag als auch die Initiative. Man könne durchaus den Standput vertreten, dass ein Jahressalär ausreichend sei, so Isabel Garcia zur Begründung. Sie blieb allerdings zusammen mit der SVP in der Unterzahl. Der Gegenvorschlag wurde einstimmig angenommen, die SVP will trotzdem an der Volksinitiative festhalten.

Für alle etwas beim ZFF

Die Debatte um die finanziellen Beiträge für das Zurich Film Festival (ZFF) in den kommenden Jahren bot gestern Platz für einen bunten Strauss an Forderungen. In seiner Weisung sah der Stadtrat eine Erhöhung der jährlichen Beiträge von 350'000 auf 450'000 Franken sowie eine jährliche Anpassung an die Teuerung vor. Dies, weil das Festival grössere Kinosäle brauche und deshalb in Ermangelung solcher das Kongresshaus bespielen wolle. Zudem sollen Angebote im Bereich Filmmusik und solche für die Filmbranche ausgebaut, die Publikums-Nachwuchsförderung soll ganzjährig durchgeführt werden.

«Sie erleben jetzt einen speziellen Moment: Einen Subventionserhöhungsantrag der SVP.»

Stefan Urech, SVP, zu seiner Forderung nach 50'000 Franken mehr für das ZFF

Würden die vielen Freiwilligen, die bei der Durchführung des Festivals helfen, einen Lohn verlangen, wäre die Durchführung noch deutlich teuerer, erklärte Kommissionsreferentin Sabine Koch (FDP). Sie stellte sich hinter einen Änderungsantrag von Stefan Urech (SVP), der den Beitrag noch einmal um 50'000 Franken auf dann 500'000 erhöhen wollte. Urech begründete das mit den 50'000 Franken, die zweckgebunden für die Durchführung des Musikfilmwettbewerbs zu verwenden seien. Das ZFF brauche die bereits vorgeschlagenen 100'000 zusätzlichen Franken schon für den Ausbau zum Beispiel des Kinder-Angebots. Für ihn als Lehrer sei das eine «attraktive Ergänzung zum Unterricht».

Balz Bürgisser (Grüne) lehnte die Erhöhung ab und erklärte, das ZFF könne seine Ausbaupläne auch ohne sie umsetzen. Stattdessen forderte er in einem Postulat zusammen mit seiner Fraktionskollegin Monika Bätschmann, das Festival umwelt- und klimafreundlich im Sinne der Netto-Null-Ziele der Stadt durchzuführen. Ein Vorhaben, das wiederum Sabine Koch mit dem Hinweis auf die bereits geleisteten Nachhaltigkeitsanstrengungen ablehnte. Einen Textänderungsantrag der GLP, die Treibhausgasreduktion auch mithilfe negativer Emissionen und Zertifikate erreichen zu dürfen, lehnte Bürgisser ab: «Wir Grüne sind sehr skeptisch gegenüber Zertifikaten.»

Moritz Bögli und Mischa Schiwow (beide AL) ihrerseits forderten in einem Postulat, andere Filmfestivals in der Stadt wie das Human Rights Film Festival oder die Jugendfilmtage mit zusätzlichen Mitteln in einem ähnlich hohen Rahmen zu fördern. Urs Riklin (Grüne) sorgte mit einer Textänderung hier noch für eine Präzisierung: Gefordert wurden nun  150'000 Franken.

Die sich abzeichnende Zustimmung zu ihrem Postulat bewog die AL, sich im Gegensatz zu früheren Beitragsdebatten in diesem Jahr für das ZFF auszusprechen. «Wir waren lange nicht mit der inhaltlichen Ausrichtung zufrieden, störten uns am Bling Bling und stören uns immer noch am Corso der hochmotorisierten Limousinen um den Sechseläutenplatz, auch wenn diese jetzt elektrisiert sind», so Schiwow. Doch das ZFF habe inhaltlich an Profil gewonnen und dafür gesorgt, dass vor allem während der Pandemie Menschen die Kinos besucht hätten.

Das Postulat der AL erhielt am Ende die Zustimmung von SP, Grünen und GLP, der Erhöhungsantrag von Stefan Urech setzte sich gegen die Stimmen von Mitte, Grünen und GLP durch. Ausser den Grünen stimmten alle Fraktionen den Beiträgen für die Jahre 2023 bis 2026 zu. Das Nachhaltigkeits-Postulat der Grünen wiederum setzte sich gegen die Stimmen von FDP, GLP und SVP durch.

Unterstützung für IPV-Berechtigte

In einem dringlichen Postulat forderten AL-, Grüne- und SP-Fraktion eine Orientierung von Personen, die einen Anspruch auf Prämienverbilligungen im Jahr 2022 haben und den entsprechenden Antrag bisher nicht eingereicht haben. Walter Angst (AL) erklärte zur Begründung, die Quote der Antragssteller:innen unter den Berechtigten sei in den letzten Jahren von 90 auf aktuell 72 Prozent gesunken, während die Durchschnittsprämien inzwischen 17'000 Franken im Jahr betragen und die Kaufkraft der Menschen auffressen würden.

Die Hoffnung hinter dem Vorstoss sei, so Angst, dass der Stadtrat mit einer öffentlichen Kampagne die Aufmerksamkeit erhöhe und Massnahmen zur Unterstützung bei einem nachträglichen Gesuch einleite. Zwar sei es ein sehr positives Zeichen, dass die SVA inzwischen allen 80'000 Anspruchsberechtigten einen Brief habe zukommen lassen, doch ein solcher Brief mit einem Hinweis auf ein kompliziertes Formular sei nicht für alle Personen eine Hilfe.

Samuel Balsiger (SVP) erinnerte an die «Gerechtigkeitsinitiative», mit der seine Partei im Kanton höhere Steuerabzüge bei den Krankenkassenprämien habe erreichen wollen. Alle anderen Parteien, die damals den Gegenvorschlag mit deutlich niedrigerem Abzug unterstützt hatten, seien «heuchlerisch», wenn sie sich nun bei der Prämienverbiligung engagierten. Josef Widler (Die Mitte) meinte, Balsiger verstehe überhaupt nichts von Gesundheitspolitik. Die linke Ratsseite wiederum solle die Verwaltung mit ihrem Anliegen verschonen, der Kanton kümmere sich bereits darum.

Hannah Locher (SP) verwies ihrerseits auf die Nationale Prämienentlastungsinitiative der SP und fand, die Prämienverbilligung sei im aktuellen System ein wichtiges Instrument der Armutsbekämpfung. Doch während andere Kantone die Verbilligung automatisch an die Berechtigten ausrichteten, begnüge sich der Kanton Zürich damit, Briefe zu schreiben. Das Postulat wurde dem Stadtrat mit einer knappen rotgrünen Mehrheit von 61 zu 59 Stimmen überwiesen.

Weitere Themen der Woche:

  1. In einer Weisung und zwei Begleitpostulaten beschäftigte sich der Rat gestern mit dem Pavillon Le Corbusier im Seefeld. Der Kommissionsantrag von Stefan Urech (SVP), in Replik auf Kontextualisierungsbemühen der linken Ratsseite die städtischen Beiträge für die nächsten drei Jahre nur mit einer Hinweistafel zu Le Corbusiers Zusammenarbeit mit autoritären Regimen und seinen antisemitischen Äusserungen zu genehmigen, scheitere knapp an 59 zu 60 Gegenstimmen bei einer Enthaltung. Stattdessen wurde ein Postulat von SP, Grünen und AL von allen Fraktionen ausser der SVP angenommen, das eine Reflexion und Kontextualisierung im Rahmen von Wechselausstellungen fordert. Der Vorstoss von Urs Riklin und Markus Knauss, die vorgesehenen zehn Veloparkplätze «in enger räumlicher Zuordnung zum Pavillon» zu erstellen, fand die Zustimmung von SP, Grünen, AL und GLP.
  2. Dominik Waser (Grüne) und Serap Kahriman (GLP) reichten gestern ein Postulat ein, das die Zusammenführung zweier zuvor eingereichter Vorstösse beabsichtigt. Das bereits überwiesene Postulat von Marco Denoth (SP) und Walter Angst (AL) sieht eine Zwischennutzung der Personalhochhäuser auf dem Triemli-Areal vor, die noch nicht behandelte Motion der Grüne-, SP- und GLP-Fraktionen verlangt, ein Grundstück oder eine Liegenschaft als eine Art Reallabor an eine klimagerechte Genossenschaft zu vergeben. Waser und Kahriman fordern nun die Prüfung, ob dieses Laborprojekt nicht in den Triemli-Hochhäusern stattfinden könne.
     
  3. Moritz Bögli (AL) und Urs Riklin (Grüne) reichten gestern angesichts der angekündigten Schliessung der beiden Arthouse-Kinos Alba und Uto eine Dringliche Anfrage ein. Darin fragen sie den Stadtrat unter anderem, ob die beiden Häuser Denkmalschutzauflagen haben und ob die Stadt bereit wäre, die Immobilien anzukaufen, um eine Weiterführung des Kinobetriebs zu ermöglichen.
     
  4. In einer Persönlichen Erklärung drückte Serap Kahriman (GLP) ihre Erschütterung über das Erdbeben in der Türkei und Syrien aus. Sie wisse, dass Hilfsleistungen eine nationale Aufgabe seien, fordere aber dennoch den Stadtrat auf, so schnell wie möglich Unterstützung zu leisten. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) erklärte, es sei bereits städtische Unterstützung in die Wege geleitet: Eine Schweizer Rettungshunde-Organisation sowie der Rote Halbmond bereiteten derzeit entsprechende Anträge vor.
  5. Dominik Waser (Grüne) verlas in einer Persönlichen Erklärung Stimmen unter anderem von Mandy Abou Shoak und Brandy Butler zur Nicht-Verlängerung des Vertrags mit der Intendanz des Schauspielhauses. Diese sei ein Angriff auf die Diversität im Theater und Ergebnis einer rechten Medienkampagne, hiess es. Stefan Urech (SVP) fand dagegen, es habe in Zürich genügend Platz für solch eine Art von Theater, beispielsweise in der Neugasse, der Gessneralle oder der Winkelwiese.
  6. Cathrine Pauli (FDP) ging in einer Persönlichen Erklärung auf die Überziehung der letzten Gemeinderatssitzung um 45 Minuten ein. Als Mutter, Berusfstätige und Hobbypolitikerin finde sie das Verhalten von Gemeinderatspräsident Matthias Probst inakzeptabel, erklärte sie. Probst hatte die Behandlung des Themas Mindestlohn (wir berichteten) knapp eine Stunde vor dem geplanten Ende der Sitzung eröffnet, obwohl davon auszugehen war, dass die Debatte lange dauern würde. Er selbst verteidigte sich: Das Vorgehen sei vorher in der Geschäftsleitung einstimmig beschlossen worden.
  7. Zwei Gemeinderäte sind zurückgetreten und werden in der Bullingerkirche nicht mehr im Rat vertreten sein. Severin Pflüger (FDP) erklärte in seinem Rücktrittsschreiben, er habe sich stets zu Wort gemeldet, wenn er etwas zu sagen hatte. Zum Abschied habe er deshalb keine Ratschläge zu erteilen. Probst attestierte dem seit 2009 im Rat Sitzenden, ein emotionaler Debattierer zu sein und eine «Faszination für die AL» zu haben. Christian Monn (GLP), seit 2018 im Rat, sieht seine Zukunft in seinem Rücktrittsschreiben in «verbindender, parteiübergreifender Themenarbeit». Für den Schwamendinger habe immer Kreiszugehörigkeit vor Parteizugehörigkeit gestanden, so Probst.

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