Gemeinderats-Briefing #29: Grüner wird's noch - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderats-Briefing #29: Grüner wird's noch

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Kesselhaus soll selbstverwaltet werden, mehr Solar auf Dach und Acker, Grüne (Zwischen-)Räume.

Illustration: Zana Selimi

Hitzig hätte es werden können an diesem Mittwoch im Gemeinderat. Schliesslich standen Reizthemen wie Verkehrsplanung, Parkplätze und Besetzungen auf der Tagesordnung. Doch es blieb einigermassen gesittet. Schade eigentlich, ein bisschen Hitze hätte uns unter unseren Winterjacken sicherlich gut getan.

Kesselhaus soll selbstverwaltet werden

Starten wir doch direkt mit dem Thema Besetzungen. Wie du wahrscheinlich mitbekommen hast, fanden in den letzten Monaten einige statt. Eine davon betraf das ehemalige Kesselhaus des Elektrizitätswerks Letten, das sich im Besitz der EWZ befindet und ziemlich schnell wieder von der Polizei geräumt wurde. Dabei hat die Stadtpolizei eigentlich ein Merkblatt, das die Räumung von Hausbesetzungen nur unter bestimmten Bedingungen zulässt, beispielsweise wenn eine Abbruch- oder Baubewilligung vorliegt, eine Neunutzung belegt werden kann oder eine Gefährdung für Personen oder denkmalgeschützte Gebäudeteile vorliegt.

Eine Reihe von Bedingungen, aus denen das EWZ zur Begründung der angeordneten Räumung gleich mehrere parat hatte, wie Michael Schmid (AL) darlegte: Dabei sei die anfänglich vorgebrachte Einsturzgefahr am Ende lediglich auf einen einzelnen Punkt auf dem Dach beschränkt gewesen und der Denkmalschutz beziehe sich lediglich auf einen Eintrag in der Inventarliste schützenswerter Bauten. Auch Sicherheitsbedenken bezüglich fehlender Fluchtwege seien eher Grund für eine Limitierung der Personenzahl, nicht aber für ein vollständiges Verbot der Nutzung. Darum fordere die AL in einem zusammen mit den Grünen eingereichten Postulat die Ermöglichung einer selbstorganisierten Nutzung des Hauses für kulturelle und politische Veranstaltungen sowie Selbsthilfewerkstätten.

Stadtrat Michael Baumer (FDP) war davon nicht sehr begeistert. «Im Unterschied zu allen von Ihnen bin ich der Einzige, der schon in der Halle stand», meinte er, und fügte nach kurzem Raunen im Saal hinzu: «zumindest legal». Die Halle werde ab 2027 nicht mehr von den EWZ gebraucht, doch eine temporäre kulturelle Nutzung bis dahin sei mit zu hohen Investitionskosten verbunden. Sichtbar widerwillig gab er am Ende die Haltung des Stadtrats wieder, das Postulat trotzdem zur Prüfung entgegenzunehmen.

Während Benedikt Gerth (Die Mitte) erkärte, er vertraue der Einschätzung der Behörden, dass eine Nutzung nicht möglich sei, bedankte sich Beat Oberholzer (GLP) bei der Besetzer:innenszene dafür, dass sie auf ungenutzten Raum im Zentrum der Stadt aufmerksam mache, meinte aber, solche selbstverwalteten Räume sollten lieber etwas weiter weg, nicht so nahe am Dynamo entstehen. Johann Widmer (SVP) setzte in seinem Votum unkommerzielle mit rechtsfreien Räumen gleich. Martin Busekros (Grüne) dagegen erklärte: «Wir fordern eine sofortige Räumung der Besetzung des Gebäudes durch das EWZ!» Die linksgrüne Mehrheit aus SP, Grünen und AL folgte seinem Ruf und überwies das Postulat mit 62 zu 52 Stimmen.

Mehr Solar auf Dach und Acker

Dominik Waser stellte gestern zwei Vorstösse zum Photovoltaikausbau vor. In einer Motion forderte er zusammen mit Patrick Tscherrig (SP) die Ausarbeitung einer Verordnung über die Ausschöpfung des Photovoltaik-Potenzials auf allen Immobilien der Stadt Zürich bis 2030. Das seien im Vergleich zu anderen Investitionen, die angesichts der Klimakrise gemacht werden müssten, «low hanging fruits», argumentierte er. Die Fläche auf Gebäuden der Stadt habe das Potenzial für eine Solarstromerzeugung von 56 GWh im Jahr.

«Als reichste Stadt sollten wir eigentlich Vorreiter sein, sind aber leider Rücklicht.»

Dominik Waser, Grüne, über den Stand des Photovoltaikausbaus in Zürich

Stadtrat Baumer verwies auf die Solar-Offensive der Stadt, die eine Vervierfachung der Solarstromerzeugung bis 2030 vorsieht. Die Zielmarke von 56 GWh sei aber unrealistisch, unter anderem deshalb, weil man die Sanierungszyklen der Gebäude beachten müsse und es auch ökologisch keinen Sinn mache, bereits vor einer anstehenden Sanierung eine Photovoltaikanlage zu installieren. Man sei jedoch bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen.

Auch Beat Oberholzer (GLP) fand die Zielmarke von 56 GWh bis 2030 unrealistisch und schlug mit einem Textänderungsantrag eine Reduzierung auf 40 GWh vor. Tscherrig und Waser nahmen die Textänderung und auch die Umwandlung in ein Postulat an, womit bis auf die SVP alle Fraktionen dem Vorstoss zustimmen konnten.

Zusammen mit FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman und Mitunterzeichnenden aus SP, GLP und der Mitte hatte Waser ein Postulat eingereicht, das die Erweiterung des Photovoltaik-Contracting-Angebots des EWZ auf den Bereich der Agro-Photovoltaik fordert. Damit werden halbdurchsichtige Solarpanels zur Beschattung und als Hagelschutz für bestimmte landwirtschaftliche Kulturen eingesetzt und stehen nicht in direkter Flächenkonkurrenz mit der Lebensmittelproduktion. Die landwirtschaftlichen Flächen auf dem Stadtgebiet seien zwar eher klein, so Waser. Es solle deshalb auch mehr darum gehen, das EWZ in diesem Bereich gut aufzustellen und von der Stadt aus das Land bei der Erschliessung neuer Geschäftsfelder zu unterstützen.

Einwände vonseiten der SVP, das Konzept sei kaum erforscht und die Pflanzen bräuchten ja vor allem im Frühjahr die Sonne, entgegneten Vertreter:innen gleich mehrerer Parteien: Es gebe durchaus schon positive Erfahrungen mit der Technologie, und natürlich mache der Einsatz nur bei Pflanzen Sinn, die eine gewisse Beschattung bräuchten. Diese würden aber mit zunehmender Hitze tendenziell mehr, so Waser. Bis auf die SVP stimmten alle Fraktionen dem Vorstoss zu.

Grüne (Zwischen-)Räume

«Begrünung ist wichtig, sie kann die Stadt an heissen Tagen herunterkühlen.» Das sagte gestern nicht ein:e Politiker:in der Grünen, sondern SVP-Fraktionschef Samuel Balsiger. Es folgte ein Aber: Es solle bitte nicht so sein, dass Eingänge vollgestellt und das Gewerbe behindert werde. Es ging um die vorgesehene Begrünung des Münsterhofs, die aufgrund verschiedener Anforderungen und Vorgaben ohne Baumpflanzungen auskommen muss. Balsiger und sein Fraktionskollege Walter Anken forderten mit einem Postulat, dass der vorgesehene Einsatz von mobilen Bäumen und Sträuchern im Einklang mit den Interessen des lokalen Gewerbes und der Grundeigentümer:innen stattfinden soll.

Während die linke Ratsseite den Vorstoss rundheraus ablehnte, verstand Benedikt Gerth (Die Mitte) nicht, was denn dagegen sprechen sollte: «Das ist doch eine sinnvolle Sache.» Martin Bürki (FDP) meinte, es handle sich um ein unnötiges Postulat: «Die SVP hat einfach eine Medienmitteilung der Stadt abgeschrieben, aber den letzten Satz weggelassen, in dem steht, dass man an der Sache bereits dran ist.» Seine FDP enthielt sich bei der Abstimmung, mit den Stimmen von SVP, GLP und Mitte fand das Anliegen keine Mehrheit.

Um unauffälligeres Grün ging es im Postulat von David Garcia Nuñez und Andreas Kirstein (beide AL). Sie forderten, im Sinne der Hitzeminderung bei «geeigneten Kopfsteinpflasterbelagen» eine passende Begrünung in den Zwischenräumen einzusetzen. «Wir könnten zur Verbesserung des städtischen Mikroklimas beitragen, wenn wir aufhören zu jäten», so Garcia Nuñez. Anklang fand die Idee sowohl bei Grünen und GLP, als auch bei der SP.

Deren Stadträtin Simone Brander konnte sich jedoch nicht dafür erwärmen. Sie machte geltend, dass die betreffenden Stadträume weiterhin hindernisfrei sein und zum Beispiel mit Rollatoren benutzt werden müssten. Eine Argumentation, die Beat Oberholzer (GLP) nicht nachvollziehen konnte. Schliesslich sei das sehr vorsichtig formuliert, niemand fordere einen flächendeckenden Einsatz. Ursina Merkler (SP) fand: «Es wäre schade, wenn man neben vielen anderen, teureren Massnahmen zur Hitzeminderung nicht auch das ausprobieren würde.» Gegen die Stimmen von SVP, FDP und Mitte/EVP fand sich eine Mehrheit für das Vorhaben.

Weitere Themen der Woche:

  1. In einer gemeinsamen Motion forderten Sebastian Vogel (FDP), Ronny Siev und Florine Angele (beide GLP) eine Untertunnelung des Bucheggplatzes, um diesen vom Verkehr zu entlasten und umzugestalten. Das Anliegen gehe auf eine Petition des Quartiervereins Unterstrass zurück, für die auch die Kreispartei der SP Stimmen gesammelt habe, so Siev. Ausser der SVP unterstützte aber keine andere Partei das Vorhaben. Auch Stadträtin Simone Brander (SP) lehnte es ab, mit Verweis darauf, dass man gerade dabei sei, eine Lösung für die gesamte Achse von der Bucheggstrasse über die Rosengartentrasse bis zur Hardbrücke zu erarbeiten. Grundlage dafür sei eine Motion von SP, Grünen, GLP, AL und EVP aus dem Jahr 2020.
  1. Serap Kahriman (GLP) und Anna Graff (SP) forderten in einem Postulat die Einrichtung eines digitalen dynamischen Velo-Parkleitsystems für die städtischen Velostationen. Das Anliegen fand eine grosse Mehrheit gegen die Stimmen von SVP und Grünen. Markus Knauss (Grüne) erklärte, er sehe Digitalisierung nicht als grosses Problem bei der Velo-Infrastruktur an. Die AL enthielt sich. Für Michael Schmid (AL) war es «fraglich, ob wir gerade am richtigen Zeitpunkt dafür sind.» Die Verwaltung solle sich erstmal auf die Verbesserung der Situation auf der Strasse konzentrieren.
  1. Keine Chance hatte das Anliegen von Johann Widmer und Samuel Balsiger (beide SVP), den Bedarf an blauen Parkplätzen in den Quartieren vollständig abzudecken und dafür im Zweifel zusätzliche Parkplätze auf öffentlichem und privatem Gund zu erstellen. Während die FDP dem Postulat zustimmte, votierte die Mitte mit dem Rest des Rates dagegen. Benedikt Gerth aus der Fraktion fand es besonders stossend, dass notfalls Privatgrund mit einbezogen werden solle: «Das wäre dann Enteignung.»
  1. Umgestaltungen am Bahnhof Altstetten: In einer Weisung des Stadtrats sowie zwei Begleitpostulaten wurde gestern der Neubau der Unterführung am Bahnhof Altstetten diskutiert. Das Ergebnis: Die Kapazitäten für Fussgänger:innen und Velos sollen durch eine deutliche Verbeiterung, eine bauliche Trennung von Fuss- und Veloverkehr sowie Abstellplätze für mindestens 1500 Velos erhöht werden. Eine weitere Weisung, die eine Verkehrsentlastung sowie eine Aufwertung der Altstetterstrasse zwischen dem Bahnhof Altstetten und dem Lindenplatz für den Fuss- und Veloverkehr vorsah, wurde gegen die Stimmen der SVP angenommen.
  1. Ohne Widerstand wurde ein Postulat von Samuel Balsiger und Johann Widmer (beide SVP) dem Stadtrat überwiesen. Darin fordern sie ihn auf, zu prüfen, wie bei den Themen Wohnen, Mobilität, Klima und Energie Doppelspurigen beseitigt und damit die Effizienz in der Stadtverwaltung gesteigert werden könne. Sie verweisen im Postulat auf einen Bericht, den das Präsidialamt in Auftrag gegeben hatte und der Reformbedarf identifiziert hatte.

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