Gemeinderats-Briefing #26: Effizient durch die Sondersitzung
Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Steuern bleiben wie sie sind, liberale Alternative gegen Ersatzneubauten, Bericht über Solarausbau.
Illustration: Zana Selimi (Foto: Zana Selimi)
Eins lässt sich nach der diesjährigen Budgetdebatte im Gemeinderat sagen: Die Effizienz, die SVP- und FDP-Mitglieder immer wieder so schmerzlich vermissen in den städtischen Strukturen, im Gemeinderat ist sie vorhanden. Bereits am Abend der freitäglichen Sondersitzung war die Detailberatung des städtischen Budgets abgeschlossen. Vier Stunden vor dem geplanten Ende der Sitzung war längst klar, dass es die optionale Sondersitzung am Samstag nicht brauchen wird.
Das spart etwas Sitzungsgelder und freut am Ende vielleicht die eine oder andere Steuerzahler:in. Wobei die Freude schnell getrübt sein dürfte durch die Mehrausgaben von insgesamt 7,7 Millionen Franken, die der Gemeinderat gegenüber der städtischen Vorlage beschlossen hat. Doch bei einem Budget von über 10 Milliarden Franken fallen weder samstägliche Sitzungsgelder noch aufbudgetierte Mehrausgaben gross ins Gewicht.
Auch nicht sonderlich ins Gewicht fallen, würde das Anliegen von FDP, GLP und Mitte/EVP, den Steuerfuss von 119 auf 116 Prozentpunkte zu senken. Zumindest, wenn man der Berechnung von SP-Gemeinderat Florian Utz folgt: 54 Franken müsste die Mediansteuerzahler:in weniger zahlen, würde man den Steuerfuss entsprechend senken, erklärte er. Die linke Mehrheit aus SP, Grünen und AL versenkte die Steuersenkungspläne der Mittig-Bürgerlichen. Dafür lehnten FDP und SVP das städtische Budget am Ende ab, das somit trotzdem noch eine grosse Mehrheit von 85 zu 34 im Rat fand.
Eine liberale Alternative gegen Ersatzneubauten
Eine interessante Koalition tat sich auf, als es um das Budget für das Hochbaudepartement ging. Walter Angst (AL) hatte Anträge eingereicht, bei zwei geplanten städtischen Sanierungsprojekten von Alterszentren auf den projektierten Ersatzneubau zu verzichten, da dieses Vorgehen nicht mit den Netto-Null-Zielen der Stadt vereinbar sei. Es sei klar, dass man die Vorgaben beim Bau von Schulräumen nicht einhalten könne, beim Gesundheitsbauten sei eine Planung auf Abriss aber aus seiner Sicht erstaunlich. Die beiden Anträge wurden zwar von allen anderen Fraktionen zurückgewiesen. Auch Stadtrat André Odermattt (SP) befand, die Budgetdebatte sei nicht der richtige Ort, um dies zu diskutieren. Anklang fand aber ein Postulat der AL-Fraktion, das Angst mit den Anträgen in den Rat brachte.
«Ich fühle mich wieder wie mit 18, wie ein Klimaaktivist: Es muss jetzt etwas passieren, wir müssen einen Schritt weiterkommen.»
Walter Angst, AL, nachdem SP-Fraktion und Stadtrat befanden, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um über Ersatzneubauten und Netto-Null zu sprechen.
Darin wird gefordert, die Neubaurate bei Bauprojekten auf ein Minimum zu reduzieren und bei Architekturwettbewerben den Bestandeserhalt zu priorisieren. Zustimmung dafür kam von vielen Seiten, unter anderem von Cathrine Pauli (FDP), einer studierten Architektin. Man beobachte die Tendenz, bei Bauprojekten vorschnell Tabula Rasa zu machen. Es gelte, Erinnerungsfähigkeit in einer schnell wachsenden Stadt zu erhalten. Die Stadt vertraue zu wenig in die Fähigkeit von Architekt:innen, in der Kombination von Bestand und Neubau etwas Besseres zu machen: «Die Stadt muss nicht alles vorbestimmen mit hunderten von Studien.» Sie schlug eine Textänderung vor, die den architektonischen Wettbewerb in den Vordergrund stellt.
Jürg Rauser verlangte für die Grünen ebenfalls eine Textänderung, um dem Postulat zustimmen zu können: Als entscheidendes Kriterium müsse der Treibhausgasausstoss über den gesamten Lebenszyklus im Vordergrund stehen. Florian Blättler (SP) befand, die Stossrichtung des Postulats sei gut, jedoch sei ihm die darin ausgedrückte Ablehnung des Neubaus zu absolut. Mit einer Textänderung verlangte er seinerseits, dass die Festlegung, erst nach einem Architekturwettbewerb zu entscheiden, ob neu gebaut werde oder nicht, wieder herausgenommen werde.
Nachdem Walter Angst die Ablehnung der SP-Textänderung, jedoch die Zustimmung zu den Änderungen von FDP und Grünen bekannt gab, mussten beide Fraktionen über ihren Schatten springen, um die jeweils andere Änderung zu akzeptieren: Sowohl Pauli als auch Rauser erklärten, ihre Fraktionen hätten lange mit sich gerungen, würden den jeweils anderen Vorschlag aber akzeptieren. So verhalfen am Ende FDP, GLP und Grüne dem AL-Postulat zu einer äusserst knappen Mehrheit von 59 zu 56 Stimmen.
Wo bleibt der Solarausbau?
«Wir finden das ein bisschen peinlich» erklärte Sibylle Kauer (Grüne) die Haltung ihrer Fraktion zum hinterherhinkenden Photovoltaikausbau in der Stadt Zürich. Sie stellte den Antrag vor, dem Departement der industriellen Betriebe 100'000 Franken mehr zur Verfügung zu stellen, um einen Bericht in Auftrag zu geben, der aufzeige, wie der Ausbau beschleunigt werden könne. In einem Begleitpostulat präzisierten ihre Fraktionskollegen Dominik Waser und Martin Busekros die Forderung nach einem Bericht. Das Klimaziel von Netto-Null könne nur mit einer Solaroffensive erreicht werden, ist darin zu lesen.
Busekros machte deutlich, dass es aus seiner Sicht vor allem an den Elektrizitätswerken Zürich (EWZ) und dem für sie zuständigen Departementsvorsteher Baumer hänge. Andreas Kirstein (AL) setzte mit einer Textänderung jedoch durch, dass der Fokus auf die EWZ aus dem Postulat gestrichen und durch «städtische Verwaltung» ersetzt wurde. Unter diesen Umständen war auch Cathrine Paulis FDP bereit, die Forderung nach dem Bericht zu unterstützen: «Denn damit kommt endlich Klarheit auf den Tisch, warum es so langsam vorangeht, und dass das weniger mit den EWZ zu tun hat als mit übergeordneten gesetzlichen Regulierungen.»
Ähnlich äusserte sich ihr Parteikollege, Departementsvorsteher Michael Baumer: Die EWZ hätten in diesem Jahr grosse Leistungen erbracht beim Photovoltaikausbau, allerdings weniger in der Stadt als in hochalpinem Gelände. In Zukunft wolle man noch viel mehr ausbauen, ein Problem dabei sei aber unter anderem der Material- sowie der Fachkräftemangel. Sven Sobernheim (GLP) meinte, man sehe, dass der Stadtrat sich mit der Energiewende schwer tue, doch daran werde auch ein weiterer Bericht nichts ändern. Bis auf GLP, Mitte und SVP stimmten jedoch alle Fraktionen der Grünen-Forderung sowie der damit einhergehenden Budgeterhöhung zu.