Gemeinderats-Briefing #24: Naherholung in der Schusswaffenzone - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderats-Briefing #24: Naherholung in der Schusswaffenzone

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Kein Intermezzo im Rathaus, mehr Geld für Babybetreuung, Erholen statt Schiessen in Albisrieden

Illustration: Zana Selimi (Foto: Zana Selimi)

Meine Bürokolleg:innen beschweren sich momentan häufiger über die 19 Grad an unserem Arbeitsplatz. Dabei können sie eigentlich froh sein, dass sie derzeit nicht Mittwoch für Mittwoch im Gemeinderat sitzen. Denn dort ist die Temperatur noch einmal gute 1,5 Grad niedriger. Der wie immer in diesen Tagen gut bemützte Gemeinderatspräsident Matthias Probst wies zum Ende der Sitzung darauf hin, dass es die Ratsmitglieder selbst waren, die für die Temperaturabsenkung gestimmt hatten, und dass sie es auch sind, die sie wieder aufheben können. «Ich mache noch eine kurze Kunstpause, falls jemand einen Ordnungsantrag stellen will», sagte er mit dem Hauch eines Flehens in der Stimme, bevor er die Sitzung schloss. Doch seine Anmerkung stiess auf kein offenes Ohr.

Kein Intermezzo im Rathaus

In dieser kühlen Stimmung wurde gestern wieder einmal über die Rückkehr des Ratbetriebs in das alte Rathaus debattiert. Denn der Stadtrat hat nun mit einer Weisung erstmals Zahlen vorgelegt, was der Umzug in das Provisorium Kirche Hard bereits vor dem Umbau des alten Rathauses kosten wird: 1,6 Millionen Franken ist der Kostenpunkt für die städtische Beteiligung an Bau und Betrieb des Provisoriums vom Frühjahr 2023 bis Mitte 2024, wenn das Rathaus dann instandgesetzt wird. Zudem entrichte die Stadt dem Kanton derzeit die jährliche Nettomiete von 199'000 Franken für das Rathaus, da dieses grundsätzlich nutzbar sei.

Mehrere Gemeinderät:innen zeigten sich überrascht über die hohen Kosten und wenig erfreut über die kurzfristig vorgelegte Weisung des Stadtrats. Wie Karin Weyermann (Die Mitte) betonte, habe man sich in der Kommission gar kein richtiges Bild machen können. Roger Suter (FDP) stellte den Antrag, nur die relativ geringen Zusatzkosten zu bewilligen, die es für die Tragluftsporthalle braucht, die aktuell erstellt wird, weil der Ratsbetrieb die Messehalle blockiert. Die FDP blieb damit aber in der Minderheit. Während sich die EVP/MItte-Fraktion der Stimme enthielt, stimmte das linksgrüne Lager inklusive der GLP der Weisung zu.

«Für die Liegenschaft am Limmatquai 55 besteht seit gestern Abend eine Jahresmitgliedschaft im Mieterinnen- und Mieterverband Zürich. Wir hoffen, dass der dortige Account Manager dann Wädi Angst ist und zur Verfügung steht, wenn es Unterstützung braucht, weil man wieder einmal vom Vermieter über den Tisch gezogen wird.»

Flurin Capaul, FDP, zum Umstand, dass die Stadt dem Kanton Miete für das Rathaus zahlt, obwohl der Gemeinderat es gar nicht nutzt.

Auch ein Postulat der SVP-Fraktion, das, bereits zum dritten Mal in etwas mehr als einem Jahr, eine zwischenzeitliche Rückkehr ins alte Rathaus forderte, wurde von der Mehrheit abgelehnt. Sven Sobernheim (GLP) rechnete vor, dass es aufgrund der bereits mit dem Kanton geschlossenen Verträge gar nicht billiger käme, nun ins Rathaus zu ziehen, während seine Fraktionskollegin Ann-Catherine Nabholz betonte, dass es im Rathaus aktuell zum Beispiel nicht möglich sei, einen Livestream anzubieten. Den wird es nun wohl vorerst weiter geben, nach den Sportferien dann aus der Kirche Hard.

Mehr Geld für Babybetreuung

«2 mal 1,5 gibt nicht gleich viel wie 3 mal 1», eröffnete David Ondraschek (Die Mitte) gestern seine Vorstellung des von ihm und Walter Angst (AL) eingereichten Postulats: «Das ist spannend.» 1,5 Kita-Plätze belegen Kinder bis 18 Monate im Moment, das ist kantonal so vorgeschrieben. Vergütet werden diese Plätze aber nicht mit dem 1,5-fachen Betrag. Ondraschek und Angst wollen, dass für diese Babyplätze seitens der Stadt auch der 1,5-fache Betrag vergütet wird, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen subventionierten Kita-Platz handelt oder nicht.

Für Mélissa Dufournet (FDP) kam das einem «Paradigmenwechsel» gleich: «Bislang wurde zwischen subventionierten und nicht subventionierten Plätzen unterschieden, jetzt soll die Stadt aber bei nicht subventionierten Kitas die Differenz zuschiessen. Für Haushalte mit einem Jahreseinkommen zwischen 150'000 und 200'000 Franken komme das einer Spende an die externe Kinderbetreuung gleich. Das Geld solle stattdessen nur denjenigen zugutekommen, die es auch benötigten, forderte sie.

«Leider ist es nicht der grosse Paradigmenwechsel», entgegnete Walter Angst mit Verweis auf die kantonale Betreuungsvorgabe: «Wir finanzieren damit lediglich die Qualität der Kinderbetreuung, auch für Kinder reicher Eltern.» Yves Henz erklärte die gespaltene Meinung seiner Grünen bei dem Thema: Man sehe die logische Argumentation, dass es bei Mehrbedarf auch mehr Mittel geben müsse, aber auch die Problematik, dass die Stadt so höhere Dividenden für Aktionäre finanziere. Deshalb habe man Stimmfreigabe beschlossen. Bis auf vier Enthaltungen bei den Grünen stimmten alle Fraktionen gegen die Stimmen von FDP und SVP und nahmen das Postulat somit deutlich an.

Erholen statt Schiessen in Albisrieden

Die grösste Diskussion entspann sich gestern um die Zukunft des Schützenhauses Hasenrain in Albisrieden. Kein allzu kontroverses Thema, denkst du vielleicht? Dann hast du wohl nicht mit dem Dauerbrenner-Thema Parkplätze gerechnet. Doch der Reihe nach: Auf der Grundlage einer Motion der beiden Ex-Gemeinderäte Pascal Lamprecht (SP) und Markus Baumann (GLP) aus 2019 schlug der Stadtrat eine Zonenplanänderung des Gebiets Hasenrain sowie ein Nutzungskonzept für eine niederschwellige öffentliche Nutzung vor. So zum Beispiel für solidarische Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten und Parkanlagen, aber nicht mehr für Parkplätze. Die städtische Schiessanlagenstrategie (Ja, sowas gibt es...) stelle fest, dass der Bedarf an Schiessanlagen gedeckt sei, womit eine Schliessung des Schiessbetriebs mit dem Auslaufen des Mietvertrags Ende 2030 erfolgen könne.

Aber was ist mit den Parkplätzen? Vertreter:innen von FDP, SVP und EVP in der Kommission stellten sogar einen Rückweisungsantrag gegen die Weisung: Transporte und ein paar Parkplätze sollten weiterhin ermöglicht werden, fanden sie. Reto Brüesch und Jean-Marc Jung (beide SVP) verlangten wiederum in einem Postulat, dass ein ganzjähriger Betrieb des Hauses nach einer Sanierung sichergestellt werden solle, zum Beispiel durch Wärmedämmung. Für den Grünen Simon Kälin-Werth eine ökonomisch und ökologisch fragwürdige Massnahme, da die Bausubstanz so alt sei. Jürg Rauser und Brigitte Fürer aus dessen Fraktion befanden wiederum in einem Postulat, man solle prüfen, einzelne Massnahmen der Weisung wie die Gemeinschaftsgärten bereits früher umzusetzen als erst 2030. Etwas, wofür man nicht extra ein Postulat brauche, so SVP-Mann Brüesch.

Zu guter Letzt forderten Islam Alijaj (SP) und Selina Frey (GLP) in ihrem Postulat, eine angemessene Anzahl von Parkplätzen ausschliesslich für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu erhalten, was wiederum Claudia Rabelbauer (EVP) auf den Plan rief. Es gebe mehrere Nutzungsgruppen, die auf das Auto angewiesen seien, erklärte sie und warf den Postulant:innen vor, eine exklusive und nicht inklusive Nutzung zu fordern. Sowohl Jürg Rauser (Grüne) als auch Tanja Maag (AL) meinten daraufhin, unter einem Naherholungsgebiet verstünden sie keinen Ort, den man zwingend mit dem Auto erreichen müsse. Es sei zudem absolut machbar, innerhalb von 15 Minuten von der Tramhaltestelle dorthin zu laufen, so Maag. Am Ende wurden sowohl die Weisung als auch alle drei Postulate angenommen. Wir dürfen gespannt sein, wie die Umsetzung am Ende aussieht.

Weitere Themen der Woche:

  1. Erst vor zwei Wochen hatte der Gemeinderat ein Pilotprojekt für Dolmetscher:innen in städtischen Gesundheitsdiensten beschlossen (wir berichteten), das auf eine Motion der AL aus 2019 zurückgegangen war. Gestern forderten Tanja Maag und David Garcia Nuñez (beide AL) in einem Postulat, im Rahmen des Pilotprojekts 200 Stellenprozente für professionelle interkulturelle Übersetzende zu schaffen. Grüne und SP verhalfen dem AL-Vorstoss zur Mehrheit, während Vertreter:innen von SVP, FDP und GLP erklärten, man solle doch erst das Pilotprojekt abwarten, bevor man Stellen auf Vorrat schaffe.
     
  2. Islam Alijaj (SP) erinnerte in einer persönlichen Erklärung an den 3. Dezember als internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen und daran, dass viele dieser Menschen in der Schweiz keine politischen Rechte haben. Es sei ein Skandal, dass erwachsenen Menschen nur aufgrund ihrer Behinderung ihr Recht auf Mitbestimmung verwehrt werde. «Wir haben alle ein Potenzial, wir können für die Gesellschaft einen Mehrwert haben, wir können alle mehr Wert haben», erklärte er, und: «Mit uns wird man rechnen müssen, mit uns wird man reden müssen, nicht über uns.» Die Zeit sei reif für eine Bewegung, so Alijaj, der für die nächsten Monate mehrere Vorstösse für dieses Anliegen ankündigte.
  3. In ihrer persönlichen Erklärung zeigte sich Anjushka Früh (SP) enttäuscht angesichts der einen Tag zuvor abhehaltenen VBZ Jahresmedienkonferenz. Aufgrund von Personalmangel würden ab Januar Taktreduktionen notwendig, und wie bei der Verzögerung des Baus der Tramlinie und der Eröffnung einer eigenen Busspur auf der Wehntalerstrasse treffe dies wieder einmal besonders Zürich Nord und besonders Affoltern. Dabei sei dies eines der bevölkerungsreichsten und am schnellsten wachsenden Quartiere der Stadt. «Ich hoffe doch sehr, dass da in nächster Zeit ein Umdenken stattfinden kann», schloss sie.

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