Gemeinderats-Briefing #16: Das Restaurant am See - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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29. September 2022 um 07:15

Gemeinderats-Briefing #16: Das Restaurant am See

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Eine Volksinitiative fordert eine Beiz am See – und die Politik will wieder Bier-Werbung an Restaurant-Fassaden.

Illustration: Zana Selimi (Foto: Zana Selimi)

Der Sommer ist vorbei, gestern hat es nur einmal gschiffet –und zwar durchgehend. Es war so richtig grau und nass, da konnte ich mir gar nicht richtig vorstellen, wie das einmal aussehen könnte beim Bürkliplatz vorne, in der Verlängerung der Bahnhofstrasse. Also dort, wo heute der Souvenir-Kiosk mit dem Wurstgrill steht. 

Die Volksinitiative «Seerestaurant», welche im letzten November eingereicht worden ist, fordert nämlich genau dort ein Restaurant. Der Wunsch-Standort erscheint mir grundsätzlich sinnvoll, denn wenn es nicht von oben und unten nass ist, macht der Züri-Seekopf mit den Schiffen und der Sicht auf die Alpen wirklich eine gute Falle. 

«Direkt am oder über dem Wasser» soll die neue Beiz entstehen und damit das «gesamte Seebecken als grüne Lunge Zürichs» stärken, fordert die Initiative. Der Stadtrat will nun ein Konzept ausarbeiten, wie das Seerestaurant architektonisch hochwertig, gastronomisch niederschwellig und preislich attraktiv realisiert werden könnte. Bezüglich des exakten Standortes sind sich die Stadtregierung und das Initiativkomitee nicht ganz einig. 

Die IG Seepärke, welche das Volksbegehren lanciert hat, will eher bei der Terrasse vor dem Bürkliplatz, da wo leicht erhöht auch Bäume stehen, das Restaurant gebaut sehen. Der Stadtrat will aber dort, wo schon heute der Kiosk steht, bauen. Auch bei Grösse und Nutzung sind sich die beiden noch nicht einig (Initiative will gross, Stadtrat will klein). Aber dies ist auch gar nicht schlimm, denn zuerst muss überlegt, abgewogen und eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Dann sehen wir, was eigentlich sinnvoll ist. 

Wie vom Stadtrat gewünscht, erklärt der Gemeinderat die Initiative für gültig (ohne Gegenstimme) und bestellt bei diesem einen Plan, wie das Restaurant direkt am See umgesetzt werden könnte («Umsetzungsvorlage») – nur die AL stellte sich hier dagegen.

Die Initiant:innen von der IG Seepärke stellen sich das Restaurant mit Fussgängersteg in etwa so vor. (Foto: Screenshot/IG Seepärke)

An dieser Stelle könnte die Berichterstattung über das Restaurant mit Bergblick fertig sein. Aber stell dir mal diese Beiz konkret vor: mit haltenden und hupenden Schiffen, leicht aggressiven Schwänen im Wasser, die Glarner Alpen im Hintergrund… Gibs doch zu: Jetzt hast du konkrete Wünsche, wie das Ganze am Schluss aussehen soll.

So geht es auch diversen Gemeinderät:innen, weshalb sie die «Umsetzungsvorlage» nicht einfach Stadtrat Andre Odermatt (SP) überlassen, sondern selber mitreden wollen. Mit vier Postulaten von links bis rechts hat das Parlament seine eigenen Vorstellungen eingebracht. 

Eine links-progessive Mehrheit wünscht, dass die Aussicht auf See und Berge auch ohne Restaurantbesuch möglich ist. Sollte das Lokal nämlich wie von der Initiative gefordert 150 Plätze im Innern bekommen, so ist die Befürchtung, dass das Gebäude zweistöckig werden könnte. Es sei absurd, wenn für alle, die nicht in der Beiz sitzen, die Sicht versperrt würde. 

Der Wunsch (aka Postulat der Grünen) nach einer detaillierten Machbarkeitsstudie, welche auch ökologische und verkehrstechnische Interessen berücksichtigt, wurde ebenfalls dem Stadtrat zur Prüfung übergeben. Ausserdem sollen die Nutzungen beschränkt werden, sodass möglichst viel des Ufers weiterhin frei zugänglich bleiben kann.

«Die Sitzung neigt sich dem Ende zu, nun geht es ums Bier.»

Dominique Zygmont, FDP, über das Biersignet-Verbot (siehe unten)

Vielleicht kannst du dich noch an die vergangenen Wahlen vom Februar erinnern. Da gab es verschiedene Stellen in der Stadt, wo uns verschiedene Politiker:innen von den Plakaten angelacht haben. Einige dieser Stellen bietet die Stadt Zürich via der Plakatgesellschaft APG den Parteien an. 

Nun wollten Christian Monn (GLP) und Felix Moser (Grüne) wissen, warum es ausgerechnet im Kreis 12 keine solchen Gratis-Plakate für die Parteien gab, wo doch genau dort die Stimmbeteiligung besonders tief ist. Ausserdem: Welche Partei kriegt eigentlich wie viele Plakatstellen offeriert?

So sehen diese Plakatstellen aus. (Foto: Screenshot/Stadt Zürich)

Man glaubt es kaum: Auf das ganze Stadtgebiet gesehen hat die SP 150 Plakate bekommen, die meisten anderen Parteien nur 50. Zurecht fragt sich Felix Moser, warum dies bei der Stadt niemandem aufgefallen sei. 

Nun stellt sich auch noch die Frage: Wenn die SP trotz dreimal so vielen Gratisplakaten die Wahlen verloren hat – welchen Einfluss haben die ausgedruckten Gesichter auf das Wahlergebnis? 

Wir werden es nie erfahren.

Der Stadtrat will nun aber diese Ungerechtigkeiten ändern und das Reglement bis zu den Kantonsratswahlen vom kommenden Februar überprüfen und fairer machen. Auch im Kreis 12 soll es dann wieder Platz haben.

Zum Schluss zum Bier: Im Juni entschied der Stadtrat, dass Gastro-Betriebe an ihrer Fassade keine Bier-Logos mehr anbringen dürfen. Wer schon eines aufgehängt hat, dürfte es behalten, doch neue wären verboten. So sah es die neue Regelung für Werbung im öffentlichen Raum vor.

Der Gastro-Verband und die Mehrheit im Gemeinderat finden dieses Verbot doof und fordern den Stadtrat mittels Postulaten von SVP und FDP auf, es nochmals zu überdenken. Nur Teile der AL und der Grünen waren für das Verbot. Die restlichen Politiker:innen folgten den Argumenten, wonach das Verbot überflüssig sei und die Wirtschaftsfreiheit unnötig einschränke. Ausserdem sei ein klarer Präventionseffekt nicht nachweisbar.

Weitere Themen der Woche

  1. Der Stadtrat soll ein neues Vergütungsmodell ausarbeiten müssen, zu welchen Konditionen Strom von privaten Photovoltaik-Anlagen ins Netz eingespeist werden kann. Das neue Modell soll zur maximalen Ausnutzung der jeweiligen Dachflächen führen und «die Amortisation der PV-Anlagen über die erwartbare Lebensdauer ermöglichen. Dies fordert eine Motion von Dominik Waser (Grüne) und Patrick Tscherrig (SP), sowie 28 Mitunterzeichnenden. Die Motion ist noch nicht durch, aber sie wurde von der Mehrheit für dringlich erklärt.
  1. Eine Motion von Markus Knauss (Grüne) und Brigitte Fürer (Grüne) fordert, dass die Stadt mit Pilotprojekten klimagerechte Strassenraumgestaltung testet. Das Anliegen wurde in die Kommission geschickt. Wir werden wieder berichten.
  1. Der Stadtrat soll herausfinden, wie E-Scooter so abgestellt werden können, dass es nicht zu «Konflikten mit zu Fuss Gehenden oder mobilitätseingeschränkten Menschen» kommt. So heisst es in einem Postulat von Islam Alijaj (SP) und Carla Reinhard (GLP). Nun ist der Stadtrat an der Reihe.

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