Moritz Bögli: «Der grosse Wandel kommt nicht vom Parlament, sondern von der Strasse» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderat der Woche: Moritz Bögli (AL)

Moritz Bögli positioniert sich offen als Sprachrohr der linksradikal-aktivistischen Szene im Rat und meint, dass der grosse Wandel von der Strasse und nicht aus dem Parlament komme. Dass er mit dieser Haltung auch Hass auf sich zieht, nimmt er in Kauf.

Moritz Bögli, AL

Der 25-jährige AL-Politiker studiert derzeit Geschichtswissenschaften. (Foto: Steffen Kolberg)


Er sei selbst niemand, der sich exponieren wolle, erklärte Moritz Bögli letzten Sommer gegenüber Tsüri.ch, als er für die zurückgetretene Regula Fischer in den Gemeinderat nachrückte: «Von mir aus könnte auch jemand anders meinen Sitz übernehmen.» Neun Monate später ist Bögli exponierter denn je. In den andauernden Diskussionen um linke, rechte und polizeiliche Gewalt positioniert sich der 25-Jährige offen als Sprachrohr der linksradikal-aktivistischen Szene und avancierte damit für Viele zum Inbegriff eines Linksaussen-Politikers. Die NZZ lud ihn bereits zum grossen Streitgespräch mit der SVP-Politikerin Camille Lothe.

Es sei ihm zwar nicht unangenehm, so im Mittelpunkt zu stehen, sagt Bögli. Aber natürlich sei es nicht schön, nun mit einem steten Zustrom an Hassmails konfrontiert zu sein. «Ich weiss, dass es für viele Menschen sehr wichtig ist, dass ich diese Politik mache und auch mir ist es wichtig, dass sie gemacht wird. Wenn ich aber wirklich ein Problem damit hätte, mit meiner Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen, dann wäre ich nicht in den Gemeinderat gegangen.»

Manchmal geht in der Auseinandersetzung um die grossen politischen Themen ein wenig vergessen, dass der Student der Geschichtswissenschaften eigentlich unter anderem für Bildungspolitik zuständig ist. «Viele bildungspolitische Inhalte werden nicht auf städtischer, sondern kantonaler Ebene verhandelt», so das Vorstandsmitglied der linken Hochschulgruppe Kripo: «Wir können aber beispielsweise Massnahmen beschliessen, um dem Lehrpersonenmangel entgegenzuwirken oder die Betreuungsstrukturen verbessern, das sind auf unserer Ebene zentrale Aufgaben.»

Was ihn im Bereich des Präsidialdepartements, das in der selben Gemeinderatskommission wie das Schul- und Sportdepartement angesiedelt ist, aktuell umtreibt, ist das neue Vergabeverfahren für Fördermittel für die Tanz- und Theaterlandschaft. Dieses sieht statt einer pauschalen Vergütung eine Vergabe aufgrund von eingereichten Konzepten vor und hat dazu geführt, dass manche kleinen Spielstätten, die bisher gefördert wurden, leer ausgingen. «Ich würde rückblickend sagen, dass das neue Verfahren ein Fehler war», meint Bögli.«Es ist nicht unbedingt förderlich für eine breite, vielfältige Tanz- und Theaterlandschaft, wenn all die mittleren und kleinen Bühnen um Fördermittel buhlen müssen.»

Im Rückblick auf sein erstes Dreivierteljahr im Rat meint er: «Wir haben Dinge vorangebracht, die ich unglaublich wichtig finde und die für viele Menschen einen Wandel bedeuten, zum Beispiel den Mindestlohn. Gleichzeitig frage ich mich oft: Ist es wichtig, dass wir jetzt schon wieder stundenlang über Veloparkplätze an Schulhäusern debattieren?» Frustrierend sei auch die lange Zeitdauer von mehreren Jahren, die zwischen einem Beschluss des Gemeinderats und dessen Umsetzung liege. Und dann sei da noch das Grundsatzproblem des Parlamentarismus, dass Vieles nur marginale Änderungen mit sich bringe, meint Bögli: «Ich bin immer noch der Überzeugung, dass der grosse Wandel nicht vom Parlament, sondern von der Strasse kommt.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Das war nicht wirklich geplant. Die Unzufriedenheit mit dem Status Quo hat dazu geführt, dass ich immer schon sehr politisch war. Dass ich ausgerechnet ins Parlament kam, war Zufall. Ich komme eher aus dem ausserparlamentarischen Umfeld, aber es ist wichtig, dass es auch solche Menschen im Parlament gibt.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Ann-Catherine Nabholz, weil ich verstehen möchte, wie man über Deleuze doktorieren und dann bei der GLP landen kann.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Die Abstimmung während der letzten Budgetdebatte, als es um die Streichung der Mittel für Gummischrot und Tränengas bei der Polizei ging und wir verloren haben. Wir haben am 1. Mai wieder gesehen, welche Konsequenzen das hat. Verbieten können wir diese Mittel der Stadtpolizei leider nicht, aber wir können die Möglichkeiten ihres Einsatzes einschränken.

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