Snezana Blickenstorfer: «Ich bin ein grosser Zürich-Fan» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderätin der Woche: Snezana Blickenstorfer (GLP)

Als Präsidentin einer der grössten Siedlungsgenossenschaften im Kanton kümmert sich Snezana Blickenstorfer um eine Verdichtung, die im Einklang mit Biodiversitäts- und Hitzeminderungszielen steht. Auch im Gemeinderat hat sie sich zum Ziel gesetzt, das prognostizierte Bevölkerungswachstum mit einem attraktiven Lebensraum in Einklang zu bringen.

Snezana Blickenstorfer

Snezana Blickenstorfer nahe ihrer Genossenschaftssiedlung in Schwamendingen. (Foto: Steffen Kolberg)

Beim Rundgang über das Gelände des Ersatzneubaus Mattenhof der Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof in Schwamendingen zeigt sich Snezana Blickenstorfers Vision von einer Verdichtung, die im Einklang mit Biodiversitäts- und Hitzeminderungszielen steht: Sie zeigt auf die installierten Schwalbennester und Fledermauskästen an den Fassaden und das Leih-Cargovelo, erwähnt die neu entsiegelten Bodenflächen und die Wandbegrünungen. Blickenstorfer wohnt in dieser Siedlung seit 2004, als hier noch niedrige Reihenhäuser aus den 40er Jahren standen. Inzwischen ist sie Präsidentin der Genossenschaft, die zu den grössten im Kanton Zürich zählt und sitzt zudem im Vorstand des Zürcher Regionalverbands der Wohnbaugenossenschaften der Schweiz.

Gegenüber der neuen Überbauung steht noch eine der alten Reihenhaussiedlungen. Man habe sich entschieden, sie noch einmal zu sanieren und vorerst nicht zu ersetzen, erzählt Blickenstorfer. Es sei wichtig, in einer Genossenschaft Gebäude unterschiedlichen Alters zu haben, da in den älteren Bauten die Mietzinse niedriger sind, was wiederum für ökonomisch weniger gut gestellte Genossenschaftsmitglieder wichtig ist. Um den Wandel im stark wachsenden Schwamendingen ökologisch und ökonomisch nachhaltig und sozialverträglich zu gestalten, sei es zum einen wichtig, die Fläche besser zu nutzen, indem man höher baue und gleichzeitig den Aussenraum unter Berücksichtigung der Biodiversität und des Mikroklimas aufwerte. Zum anderen müsse man gemeinschaftsfördernde Strukturen im Quartier stärken, gerade auch von baulicher Seite. «Nicht nur die Stadt ist beauftragt, öffentliche Aufenthaltsräume anzustossen», sagt sie und verweist als Beispiel auf öffentliche Weg- und Nutzungsrechte, welche häufig in Genossenschaftssiedlungen bestehen.

Auch im Gemeinderat wird die Siedlungsentwicklung ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sein: Seit April ist sie Mitglied der Sachkommission Hochbaudepartement und Stadtentwicklung. Ihr Ziel sei es, das prognostizierte Bevölkerungswachtum in den nächsten 15 Jahren auf eine Art zu bewältigen, «dass die Stadt trotz Verdichtung schön und lebenswert bleibt». Es sei wichtig, den Menschen in der Stadt Platz und bezahlbaren Wohnraum zu bieten, um die Zersiedelung der Landschaft zu stoppen: «Mit guter Architektur und sorgfältiger Siedlungsplanung können wir das gemeinsam bewältigen.»

Beruflich hat die 48-Jährige eher weniger mit Architektur und Städteplanung zu tun: Sie arbeitete zehn Jahre lang als Anwältin und Strafverteidigerin. «Während dieser Zeit habe ich dank des Engagements im Sunnige Hof die multidisziplinäre Arbeit kennen- und schätzen gelernt», erzählt sie: «Ich wollte gerne in einem Team mit verschiedenen Kompetenzen arbeiten.» Sie wechselte in die Geschäftsleitung der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen, wo sie nun an der Schnittstelle zwischen Recht und Politik arbeite, so Blickenstorfer. Das Thema sei ihr nahe, denn ihr Mann arbeite als Psychotherapeut: «Wir sind bereits seit dem Studium zusammen, ich habe ihm beim Lernen auf die Uni-Prüfungen geholfen und bin dabei auch mit psychologischen Themen vertrauter geworden.»

Auf die GLP sei sie durch die Operation Libero gestossen, wie sie sagt. Die Partei positioniere sich klar bei Themen, die auch ihr am Herzen lägen, zum Beispiel bei der Europafrage. Einen entscheidenden Anteil an ihrem Beitritt zur Partei vor den Nationalratswahlen 2019 habe das Smartvote-Tool gehabt: «Über die Jahre habe ich festgestellt, dass ich mit der GLP fast immer übereinstimme. Dort, wo ich eine gewisse Ambivalenz verspüre, beschliessen die verschiedenen Parteiebenen häufig Stimmfreigabe.»

Im Februar dieses Jahres rückte Snezana Blickenstorfer für den zurückgetretenen Christian Monn in den Gemeinderat nach. Beeindruckt sei sie von der Professionalität der Parlamentsdienste, sagt sie: «Ich hatte keine Vorstellung davon, was für eine Arbeit sie dort leisten.» Überrascht habe sie ausserdem noch etwas: «Der Lärmpegel in diesem Saal.»

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Als Genossenschaftspräsidentin geniesse ich das Privileg, dort, wo unsere Siedlungen stehen, bereits im Kleinen viel zum attraktiven Lebensraum unserer Bewohnenden und zur Quartiergestaltung beitragen zu dürfen. An dieser Gestaltungsmöglichkeit und der damit einhergehenden Verantwortung habe ich viel Freude entwickelt. Hinzu kommt, dass ich ein grosser Zürich-Fan bin. Die Vorstellung, meine Lieblings-Stadt mit einem Fokus auf attraktivem Lebensraum - wozu auch ein starker Wirtschaftsstandort gehört - Chancengerechtigkeit sowie Biodiversität und Klimagerechtigkeit ebenfalls mit weiterentwickeln zu dürfen, war der Haupttreiber.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Da ich erst seit dem 20. Februar 2023 Gemeinderätin bin, habe ich leider noch nicht zu allen Ratskollegen und -kolleginnen einen Eindruck gewonnen. Grundsätzlich finde ich wichtig, mit allen zu sprechen. Nur so kann man politisch Lösungen finden – dazu gehört auch mal ein Bier mit der Gegenseite zu trinken.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Ärger beinhaltet für mich ein Stück weit ein Überraschungselement. Die Mehrheitsverhältnisse im Rat sind klar, daher sind die Ergebnisse oft voraussehbar und selten überraschend. Geärgert haben mich allerdings die Diskussionen rund um die Serie der Geschäfte betreffend Links- und Rechtsextremismus. Das Niveau war bisweilen sehr tief. Es wurden über weite Strecken faktenfreie populistische Argumente vorgebracht unter Missachtung der Tatsache, dass Gewalt einfach Gewalt ist und jede Form von gewaltbereitem Extremismus bekämpft gehört.

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