Gemeinderätin der Woche: Natascha Wey (SP) - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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30. September 2022 um 04:00

Nach Rücktritt aus Gemeinderat: Natascha Wey kämpft weiter

Nach dreieinhalb Jahren und 25 Vorstössen ist für Natascha Wey Schluss, sie verabschiedete sich am Mittwoch aus dem Gemeinderat. Der Einsatz für Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit geht für die Gewerkschafterin aber weiter.

Natascha Wey. (Foto: Simon Jacoby)

Sie wollte in der institutionellen Politik für Gleichstellung kämpfen und ist darum der SP beigetreten und im Mai 2019 in den Gemeinderat nachgerutscht. Die Verknüpfung von feministischen Kämpfen und der sozialen Frage hat die Sozialdemokratische Partei für Natascha Wey attraktiv gemacht. 

Seit Mittwoch ist bereits wieder Schluss mit der parlamentarischen Politik, Natascha Wey kann den Gemeinderat nicht mehr länger mit ihrer Arbeit als Chefin des VPOD und ihrer Familie vereinbaren. Dem Rücktritt aus dem lokalen Parlament wird daher auch keine Kandidatur für den Kantons- oder Nationalrat folgen. 

Seit Wey im Juni die Leitung der zweitgrössten Gewerkschaft der Schweiz übernommen hat, sei es zu viel geworden, es sei einfach nicht mehr machbar. Wer die Ratsarbeit ernst nehme und es gut machen will, müsse auch Zeit investieren. Oder eben: «Gehen, wenn man keine Zeit mehr hat.» 

In ihren dreieinhalb Jahren im Gemeinderat fokussierte sich die 40-jährige Feministin wenig überraschend auf die Themen Gleichstellung und Arbeitsbedingungen. Mit ihrem ersten Vorstoss wollte Wey wissen, wie die Sanktionsmöglichkeiten der Stadt Zürich aussehen, weil der Ruderclub von GC keine Frauen als Mitglieder zulässt. Und mit dem letzten Vorstoss fordert die SP-Gemeinderätin, «eine städtische Polizeiwache mit einer spezifischen und möglichst sichtbaren 24h-Beratungs- und Annahmestelle für Anzeigen zur sexualisierten Gewalt auszustatten». 

Dazwischen liegen diverse Vorstösse wie beispielsweise die «Einführung eines vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaubs von drei Wochen», oder die Nachfrage zu möglichen Gesetzesverstössen in Kindertagesstätten. Neben Gleichstellung und Arbeitssicherheit setzte sich Natascha Wey auch für einen soliden Datenschutz ein und hatte darum Nachfragen zu einem Drohneneinsatz der Polizei und forderte ein «Verbot betreffend Einsatz von biometrischen Erkennungssystemen». 

Ihr Einsatz für die Wiedereingliederung der Reinigung bezeichnet Wey als grösster Erfolg: Die Fraktionen der Grünen, der SP und der AL brachten gemeinsam einen Vorstoss durch, wonach die Stadt Zürich das Reinigungspersonal nicht mehr auslagern durfte. Dieses Geschäft sei ein Beispiel, «dass man manchmal erfolgreicher ist, wenn nicht der persönliche Name draufsteht». 

In ihrem Rücktrittsschreiben wirft Wey einige Fragen auf. Etwa, warum es wichtiger sei, wer einen Vorstoss einreiche, statt was da drin stehe. Oder warum Männer so viel reden und doch so wenig sagen. Oder weshalb ein Parlament, das familienfreundlich sein will, eine Geschäftsordnung erlässt, die Zusatzsitzungen vorsieht, sobald Vorstösse älter als ein Jahr sind. Oder weshalb die linke Mehrheit sich selber filibustert und aus jeder Fraktion immer unbedingt jemand reden muss. 

Zum Schluss appelliert die SP-Politikerin an ihre Ratskolleg:innen: «Tragen Sie Sorge zu dieser Stadt, schauen Sie der Polizei auf die Finger – wer das Gewaltmonopol hat, soll sich besonders gut rechtfertigen müssen, da ist also noch Luft nach oben –, behandeln sie die Mitarbeitenden der Stadt und der Verwaltung anständig, verbessern Sie dringend die Arbeitsbedingungen in den Kitas, im Pflegebereich und in der Reinigung, geben sie der ausländischen Wohnbevölkerung mehr Mitbestimmungsrechte und setzen Sie bald das Drittelsziel bei den gemeinnützigen Wohnungen um. Dann kommt das alles gut! Adieu!»

Am Mittwoch sass Natascha Wey zwar zum letzten Mal im Gemeinderat, als VPOD-Chefin wird sie sich aber weiterhin für Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit einsetzen. 

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