Fussballserie: Auf dem Kunstrasen mit dem FC Hard - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Alice Britschgi

Praktikantin Redaktion

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6. April 2022 um 04:30

FC Hard: «Wäre ich noch in der Schweiz ohne FC Hard?»

In der Region Zürich könnte man jeden zweiten Tag im Jahr mit einem anderen Fussballclub trainieren. Wir haben mit vier Stadtzürcher Vereinen angefangen und sie auf dem Fussballplatz besucht. Heute: die Senior:innen 30+ des FC Hard.

Die Spieler:innen des FC Hard waschen ihre Trikots selbst: immer eine:r alle 25. Im Training spart man sich die Arbeit. (Foto: Alice Britschgi)

Das Zürcher Quartier Alt-Wiedikon erinnert an ein «Crispy Fried Chicken Leg» mit viel Panade – zumindest wenn man seinen Umriss auf Google Maps betrachtet. So gesehen, liegt die Rasensportanlage Allmend Brunau im äussersten Teil des Hühnchenknochens. Im Westen tut sich mit der weiten, grünen Fläche der Allmend das Friesenberg-Quartier auf. Im Osten, abgetrennt durch die Sihl und ihre Autobahnüberbauung liegt die Enge. Aus dieser Richtung mache ich mich an einem kalten, dunklen Märzabend auf den Weg zum Training der Senior:innen 30+ des FC Hard. Und weil Sportanlagen und Industriequartieren eines gemein ist – nämlich ihr Hang zum Labyrinth – überquere ich zuerst Zuggleise, bevor ich die Autobahn unterquere und darauf die Unterführung einer zweiten Brücke nutze, um sie und mit ihr die Sihl im Anschluss auf der richtigen Seite der Strasse zu überqueren und zum Eingang der Sportanlage zu gelangen. Der Plan geht auf, das Labyrinth ist geschafft, ich erreiche das Klubhaus des Areals, wo Brett Stirling (38) im Trainingsanzug schon auf mich wartet.

Der FC Hard ist ein kleiner Verein, der 1931 im Hardquartier gegründet wurde. «Von den Arbeitern dort», vermutet Brett, sicher ist er sich aber nicht. Irgendwann zog der Club nach Alt-Wiedikon um. Brett ist Vorstandsmitglied und spielt schon seit 15 Jahren im Verein. Dafür gibt es zwei simple Erklärungen. Erstens: die Credit Suisse – oder besser gesagt ihr Standort. Als Brett 2007 für einen Job bei der Schweizer Bank aus Edinburgh nach Zürich zog, sah er von seinem Büro aus auf den Sportplatz Allmend Brunau, wo der FC Hard schon damals trainierte. Kurzerhand entschied er sich, dem Verein beizutreten. Im Team fand er seine ersten Freunde in Zürich. Das ist der zweite Grund.

Bretts Panini-Bild wird von Paula gecrasht. (Foto: Alice Britschgi)

Ein Club für alle

Der FC Hard zeichne sich dadurch aus, dass er Spieler:innen aus aller Welt vereine und ihnen das Ankommen in Zürich erleichtere, erklärt mir Brett. Inzwischen sitzen wir an einem Tisch im Café-Kabäuschen. Auf seiner Internetseite wirbt der FC Hard damit, dass schon Spieler:innen aus 50 Ländern in seinen Teams spielten. Bei den Senior:innen 30+ sind es momentan Leute aus Deutschland, Italien, Amerika, England, Schottland, Irland, Frankreich, Spanien, Brasilien und sogar ein paar aus der Schweiz. Im Training wird Englisch gesprochen. Auch beruflich haben die Spieler:innen unterschiedliche Hintergründe. Manche arbeiten auf Banken oder bei Versicherungen, andere sind Architekt:innen, Informatiker:innen, Meeresbiolog:innen, Student:innen oder Elektrotechniker:innen.

«Bei uns ist jeder und jede willkommen», sagt Brett mit Nachdruck. Das solle ich im Text unbedingt erwähnen. Here you go, Brett. Und er fügt an: «Egal welche Staatsangehörigkeit, welches Geschlecht und welche sexuelle Orientierung.» Das, obwohl es im Verein nur drei Teams gibt: die 1. Mannschaft, die Senior:innen 30+ und die Veteran:innen 50+. Ich frage, ob das heisse, das Frauen mit ihnen im Team spielen würden. «Klar», meint Brett und lacht: «wenn eine Frau auf einer guten Stufe spielt, dann ist sie besser als wir.» Momentan spielt in Bretts Team eine Frau: Paula. Als sie beim FC Hard anfing, habe sie noch als Mann gelebt, erzählt er.

Kevin, Genc und Mike ist kalt und warm zugleich. (Foto: Alice Britschgi)

Freunde, keine Profis

Die Senior:innen 30+ spielen in der 3. Regionalliga. Das ist die tiefste Seniorenliga in Zürich. Pro Saison spielt das Team zwei Turniere: den Schweizer Cup der Senioren und das Turnier der 3. Regionalliga. Am Ende des Schweizer Cups stünde der FC Hard theoretisch den FCZ Senioren gegenüber. Dazu kommt es jedoch nie. Nach zwei Spielen ist das Team meist draussen. Das sei ärgerlich, meint Brett, denn natürlich wäre es toll gegen die Grossen zu spielen – auch wenn man 20:0 verlieren würde. Wie viele Spiele sie gewinnen müssten, um auf Basel zu treffen, weiss Brett nicht.

«Wäre ich noch in der Schweiz ohne FC Hard? Zürich ist einer der besten Wohnorte der Welt. Aber der FC Hard hat meine Integration ohne Frage erleichtert.»

Brett Stirling, Vorstandsmitglied des FC Hard

Dass es beim FC Hard nicht primär um den Erfolg auf dem Fussballfeld geht, zeigt schon der Trainingsplan. Während der Fussballsaison trainiert die Mannschaft einmal in der Woche. Von den 25 Kader-Spieler:innen seien dann oft nur etwa 15 dabei, erzählt Brett. Wieso? Weil viele lieber am Wochenende in der Liga spielen würden als zu trainieren. Off-Season, Mitte November bis Anfang März, fände theoretisch auch ein Training statt. Fitness oder Joggen. Doch schon beim Erzählen jucken Bretts Mundwinkel in die Höhe: «Eigentlich treffen wir uns dann eher für andere soziale Aktivitäten.»

John, Ian und Brian – der Captain des FC Hard. (Foto: Alice Britschgi)

Zum Beispiel zum Fussballschauen bei einem Bierchen im Paddy Reilly’s. Das Irish Pub ist gleichzeitig einer von zwei Sponsoren des Teams. Das Zürich Pub Quiz, das Brett selbst gegründet hat, ist der zweite Sponsor. «Wir sind keine Profis», sagt Brett, «wir sind Freunde.» Das gemeinsame Interesse an Fussball sei dafür eine super Grundlage. Nach den Spielen am Wochenende gäbe es oft Grillfeste mit den Familien und Freund:innen.

Plötzlich geht die Tür des Vereinslokals auf, ein Typ kommt herein und reicht Brett ein Bündel kleinformatige Papiere. «Thanks», sagt Brett und steckt das Bündel ein. Vereinsbons von der Migros seien das. Man bekomme die, wenn man für 20 Franken einkaufe. Auf der Migros-Webseite heisst es dazu: «Je mehr Vereinsbons ein Verein über die Zeit der Förderaktion zugewiesen erhält, desto grösser wird sein Anteil am Gesamtfördertopf von sechs Millionen Franken, den die Migros zur Verfügung stellt.»  Das Bündel, das Brett in seiner Tasche verschwinden liess, ist ziemlich dick. Einige der sechs Millionen Franken werden also vielleicht hier im Vereinskabäuschen ausgegeben, denke ich. Oder im Paddy Reilly’s. Oder doch für Trikots, Fussbälle und Trainingslager?

Man mag sich ganz gerne im FC Hard. (Foto: Alice Britschgi)

Selbst gewaschene Trikots

Als Brett und ich auf dem Trainingsfeld ankommen, sind viele der Senior:innen schon da. «Heute sind es mehr, weil die Presse hier ist», scherzt Brett. Es ist jetzt stockdunkel, der quietschgrüne Kunstrasen leuchtet im blauen Licht der hellen Scheinwerfer. Die Beleuchtung lässt die Szene irgendwie professionell erscheinen. Mein Kopf kramt Erinnerungen an Stadionbesuche in der Kindheit hervor. «Hi captain», begrüsst Brett Brian, einen Architekten aus Irland. Weil die Mannschaft keine:n Trainer:in hat, leitet er das Training. Brett will mir einen der Schweizer Spieler zeigen, findet ihn aber nicht. «Where’s the swiss guy?», tönt es durch das Team. Er scheint heute nicht da zu sein. Und sowieso, einer der swiss Guys steht schon vor mir: Brett. Wie einige andere Spieler:innen, die seit Längerem in Zürich wohnen, ist er inzwischen Schweizer. «Wäre ich noch hier ohne den FC Hard?», fragt Brett, um gleich selbst zu antworten: «Zürich ist für mich einer der besten Wohnorte der Welt. Aber der FC Hard hat meine Integration ohne Frage erleichtert. Ich bin dem Verein sehr dankbar.» Das Team beginnt mit dem Aufwärmen. Mit zunehmender Anstrengung bilden sich in der kalten Luft über den Köpfen der Spieler:innen immer grösser werdende Dunstwölckchen, die das grelle Scheinwerferlicht reflektieren.

Die Farben des FC Hard sind Hellblau und Weiss. Im Training tragen die Spieler:innen aber beliebige Sportkleider – die meisten graue, blaue, rote oder schwarze Jäckchen. Denn Trikots tragen bedeutet für das Team Arbeit. Die Spieler:innen waschen die Trikots selbst. Immer eine:r aus dem Team nimmt die 25 verschwitzten Sportkleider nach dem Match nach Hause und wäscht sie für alle. Dafür sei der Jahresbeitrag mit 150 Franken relativ gering, sagt Brett. Bei anderen Clubs sei der viel höher. Im Vergleich zu Schottland seien die Fussballclubs hier sowieso Luxus, die Aussattung der Sportanlagen mit Garderoben, warmen Duschen und Cafés um Welten besser.

Kevin ist nicht allein im Team: Reece, Kevin und Kevin. (Foto: Alice Britschgi)

«Hier spielen keine Profis, hier spielen Freunde», klingt Bretts Stimme in meinem Kopf nach, als ich mich mit steifen Beinen und kalten Händen vom Spielfeld mache. «Yellow, yellow, this side, this side», höre ich die Senior:innen vom FC Hard noch rufen. Ich bin froh, den Weg aus dem Labyrinth zurück an die 72er-Bushaltestelle nun zu kennen. Denn es ist kalt und vielleicht würde ich zu den Spieler:innen gehören, die an einem trostlosen Mittwochabend nicht im Training auftauchen. Dafür mit umso mehr Elan, Grill, Würstchen und Familie am Wochenende am Turnier. Denn das stelle ich mir mit dem FC Hard ganz nett vor.


FC Hard

1931 gegründet

Rasensportanlage Allmend Brunau, Alt-Wiedikon

5. Liga

Erste Mannschaft bis Veteranen 50+

150 Franken Jahresbeitrag

Fussballserie

1. Auf dem Rasen mit dem FC Kosova

2. In der Halle mit Elle Real

3. Auf dem Kunstrasen mit dem FC Hard

4. Auf dem Fussballplatz mit dem FC Wiedikon

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