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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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13. Mai 2015 um 10:47

Plakate in Züri nerven, findet diese Gruppe und attackiert den Stadtrat

Petition gegen neue Werbeflächen in Zürich



Die Interessensgemeinschaft Plakat, Raum, Gesellschaft stört sich seit Jahren an den vielen Plakaten im öffentlichen Raum. Die Anzahl der Plakatstellen stehe in keinem Verhältnis zu den Einnahmen, argumentieren sie. Zudem seien Plakate im öffentlichen Raum die einzige Werbeform, bei der man als Person nicht «wegzappen» könne.

Mit einer Petition wollte die Interessensgemeinschaft im Jahr 2007 den Stadtrat dazu bringen, die Werbefläche in der Stadt zu halbieren. Ohne Erfolg. Nun versuchen sie es zum zweiten Mal: Weil der Stadtrat beschlossen hat, 1.15 Millionen Franken in 10 neue Werbebildschirme und 30 Plakatdrehsäulen zu stecken, startete die Gruppe erneut eine Petition und will diesen Entscheid rückgängig machen.

Wir haben uns mit dem Co-Präsidenten – Christian Hänggi – darüber unterhalten.

Herr Hänggi, was haben Sie gegen Werbung? Ich bin nicht grundsätzlich gegen Werbung. Zum Beispiel bei Radio- und Zeitungswerbung sehe ich durchaus einen Nutzen: Damit können Inhalte und Arbeitsplätze von Journalistinnen finanziert werden.

Aber? Gegen kommerzielle Aussenwerbung, also Plakate, habe ich eine ganze Menge. Da geht es nur um die Werbung an sich, es ist eine Form der Privatisierung des öffentlichen Raumes. Dieser sollte aber Platz für gesellschaftliche Verhandlungen bieten. Wenn alles mit Werbung zu gepflastert ist, kann diese Funktion nicht wahrgenommen werden.

Werbung hilft uns, die richtigen Kaufentscheide zu treffen. Ich sehe nicht ein, warum der öffentliche Raum dafür herhalten soll. Ausserdem kenne ich keine unabhängige Studie, welche die Wirkung von Werbung beweist. Ein Beispiel:
Ich habe schon Hunderte dieser Manor-Plakate mit der Frau drauf gesehen, trotzdem gehe ich nicht in das Geschäft und kaufe Frauenkleider.
[caption id="attachment_2089" align="alignnone" width="600"]Quelle: schoenes-zuerich.ch Quelle: schoenes-zuerich.ch[/caption]

Mit der Petition vom 9. Mai fordern Sie die Stadt auf, keine neuen Werbebildschirme und Plakatdrehsäulen zu bauen. Wie viele Plakatstellen sind Ihrer Meinung nach genug?
Ich bin um jede Werbefläche froh, die verschwindet.
Wenn ich die vier Minuten von mir zur Tramhaltestelle gehe, komme ich an 17 Plakatstellen vorbei – das ist einfach zu viel. Kommerzielle Plakate können meiner Meinung nach komplett verschwinden. Niemand in der Bevölkerung würde diesen nachtrauern.

Warum werden Sie nicht deutlicher und fordern die Abschaffung aller Werbeflächen? Dies können Sie auch mit einer Petition fordern. Bereits im Jahr 2007 forderten wir mit einer Petition die Halbierung der Werbeflächen, aus taktischen Gründen. Der Stadtrat ist nicht darauf eingetreten. Es ist trotzdem unsere Vision, dass alle kommerziellen Werbeflächen verschwinden sollen. Kulturelle Plakate wären da selbstverständlich ausgenommen.

Wenn Bligg mit der Credit Suisse auf Tournee geht verschwindet die Grenze zwischen Kommerz und Kultur. Klar, wie alle Grenzen ist auch diese schwierig zu ziehen. Entweder müsste man dazu Leitlinien erstellen oder man spricht nicht von Kultur sondern von Veranstaltungen. Dann müssen wir nicht über den Kulturbegriff diskutieren.

Zusammen mit Demoscope hat die Stadt Zürich eine Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis: 96 Prozent der Zürcherinnen sind der Meinung, dass Werbung zur heutigen Welt gehört. Die Frage in der Studie ist unwissenschaftlich und falsch gestellt. Wenn die Frage lautet, ob Krieg zur Welt gehört, würden auch alle zustimmen, weil es nun einmal Krieg gibt. Deswegen muss man Krieg nicht befürworten. Die Frage vermischt den Ist- und den Sollzustand. Die Stadt interpretiert die Antworten fälschlicherweise als Sollzustand.
57 Prozent der Befragten gaben denn auch an, dass es in der Schweiz zu viel Werbung gibt.
[caption id="attachment_2088" align="alignnone" width="600"]IGPRG_Petition_slideshow2 Quelle: schoenes-zuerich.ch[/caption]

Eines Ihrer Hauptargumente ist, dass Werbung schöne Strassen und Plätze verschandelt. Dieser Aussage stimmten aber nur 25 Prozent der Befragten zu. Ich führte schon mindestens tausend Gespräche zu diesem Thema.
Die Menschen haben gelernt, die Aussenwerbung auszublenden.
Darum will die Stadt nun bewegte Werbung, um wieder Aufmerksamkeit generieren zu können. Wer etwas nicht wahrnimmt, kann nicht sagen, es sei schön oder hässlich.

0,026 Prozent der Einnahmen der Stadt Zürich kommen von der Aussenwerbung – pro Einwohner sind das etwas mehr als sechs Franken im Jahr. Finanziell lohnt sich der Aufwand der Stadt also kaum. Was will die Stadt damit bezwecken? Wie haben letzte Woche mit Stadtrat André Odermatt genau darüber gesprochen. Die Stadt entscheidet lediglich basierend auf der Meinung, dass Werbung nun einmal dazugehört. Der Stadtrat hat sich offenbar noch kaum mit der gesellschaftlichen Dimension von Werbung auseinander gesetzt und unterliegt da der jahrzehntelangen Lobbyarbeit der Plakatgesellschaften. Das ist ernüchternd. Er konnte uns nicht schlüssig darlegen, warum die Stadt mehr Werbung braucht.

São Paulo, Grenoble und andere grosse und kleine Städte haben Werbung im öffentlichen Raum verboten. Sind die Menschen dort glücklicher? Ich war in São Paulo und habe mit vielen Menschen gesprochen. Alle dort, auch jene aus der Werbebranche, finden das Verbot super.
Sie fühlen sich befreit von all den Botschaften, die ihnen einen Mangel anhängen wollen. Es ist ein kollektives Aufatmen.
 
Der Medienökologe Christian Hänggi ist Co-Präsident der IG Plakat | Raum | Gesellschaft, die sich für weniger Aussenwerbung in Stadt und Kanton Zürich einsetzt. Freiberuflich arbeitet er als Texter in der Unternehmenskommunikation. Er hat regelmässig für das Kommunikationsportal persoenlich.com gebloggt, bis der Verleger genug von der Kritik hatte. Sein Buch Gastfreundschaft im Zeitalter der medialen Repräsentation (Passagen Verlag, 2009) plädiert für einen ethischen Umgang mit der Reizüberflutung durch Werbebotschaften. 

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