«Es gibt kein Studium, bei dem man über einen roten Teppich mit Flügeli dahinschwebt» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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19. Oktober 2020 um 06:56

«Es gibt kein Studium, bei dem man über einen roten Teppich mit Flügeli dahinschwebt»

Wenn es um Lernmotivation geht, dann spricht Lerncoach Katrin Piazza nicht gerne von Selbstdisziplin. Stattdessen benutzt sie viel lieber den Ausdruck von Selbstbewusstsein. Ein Gespräch über eine positivere Einstellung zum Studium, den Umgang mit Lernfrust und die Schweizer Arbeitsmoral.

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Bild: Unsplash

Ich befürchte, die anfängliche Motivation – ja fast schon Euphorie – wieder für das Studium lernen zu dürfen, nimmt ab. Zu kalt der Morgen, um das warme und gemütliche Bett zu verlassen, zu kurz und Vitamin-D arm der Tag und zu kompromisslos die Arbeit. Weil ich der sinkenden Lernmotivation entgegenwirken möchte, habe ich mir (und allen Gleichgesinnten) Tipps bei einem Lerncoach eingeholt.

Céline Geneviève Sallustio: Katrin Piazza, warum fällt es Student*Innen schwer, sich langfristig für ein Studium zu motivieren?

Katrin Piazza: Zu glauben, es gäbe eine gleichbleibende Motivation, ist ein Denkfehler. Selbst für das grösste und beste Ziel in unserem Leben schwankt die Motivation. Deshalb müssen wir etwas dafür tun, dass sie zurückkommt. Sich langfristig an die Arbeit heranzuzerren führt zu Frust statt Erfolg.

Was heisst das in Bezug auf Selbstdisziplin?

Als selbstdiszipliniert sehe ich Menschen, die andauernd ihren inneren Schweinehund überwinden. Das braucht unheimlich viel Willenskraft und Energie. Das ist langfristig nicht nur schädlich, sondern kann ins Burnout führen. Statt Selbstdisziplin empfehle ich viel lieber Selbstbewusstsein.

Können Sie das erläutern?

Wer seiner Selbst bewusst ist, kennt seine Stärken, Schwächen und Bedürfnisse. Im Bezug aufs Studium sollten sich Student*Innen daher in einem ersten Schritt fragen, weshalb sie das Studium überhaupt machen. In einem zweiten Schritt müssen sie herausfinden oder sich selbst vor Augen führen, ob das Ziel das eigene ist und was für einen Nutzen sie davon haben. Dies führt zu einer positiveren Einstellung zum Studium und somit auch zum Lernen.

Was müssen Studierende tun, um dieses Selbstbewusstsein zu erlangen?

Sich Zeit nehmen, über sich nachdenken und kritische Fragen stellen: Was sind meine Ziele? Wie erreiche ich sie? Was brauche ich dazu? Was schadet mir? Was kann ich gegen diese Störer unternehmen?

Lernfrust überkommt Studierende dennoch immer wieder. Wie geht man damit um?

Ich möchte klarstellen: Lernfrust ist etwas völlig Normales. Es gibt kein Studium, bei dem man über einen roten Teppich mit Flügeli dahinschwebt. Daher lohnt es sich, kurz in diesem Frust drin zu bleiben und sich zu fragen, wieso man gerade so Mühe mit dem Lernen hat. Doch beim warum kann man tagelang hängen bleiben, deshalb sollte nicht zu lange darin verharrt werden. Besser rasch fragen: Was oder wer könnte mir jetzt helfen? Wer seine Bedürfnisse kennt – z.B. ich will dieses Studium schaffen - und weiss, was ihm gut tut, findet Lösungen. Zum Beispiel: Ich gönne mir kurz Pause und packe das ausgeruht nochmal an.

Was tun wir also konkret, wenn wir einen Lernfrust haben und uns aufs Sofa platzieren, statt zu lernen?

Wichtig ist, dass man nicht mit dem Gedanken aufs Sofa liegt, dass man eigentlich lernen müsste. Denn dieser Gedanke vermiest nicht nur das Lernen, sondern auch die Erholung. Viel eher sollte man sich diese Pause bewusst gönnen, dafür danach knackige Repetitionsrunden von 10 oder 20 Minuten einbauen. So kurze Lernsessions sind viel attraktiver und kurzweiliger als endlose Büffelei.

Das Sich-zu-viel-Vornehmen treibt also den Lernfrust in die Höhe.

Ja. Denn wir Schweizer sind erst mit uns zufrieden, wenn unser Kopf raucht und vor Erschöpfung die Stimmung im Keller ist. Das ist unser Arbeits-Ethos. Aber für das Gehirn und für Kopfarbeit ist diese Vorgehensweise kontraproduktiv. Kleinere Lernsessions führen zu mehr Erfolg und steigern ausserdem das Glücksgefühl.

Haben Sie zum Abschluss noch einen Rat an Studierende?

Ich glaube nicht an Ratschläge. Sie führen dazu, dass dem Gegenüber der Laden runtergeht . Viel eher plädiere ich für den Coaching-Prozess, der durch geschickte Fragen anderen Menschen zeigt, dass sie die Lösung schon kennen. Aber – und hier spreche ich von persönlichen Erfahrungen – manche benötigen einfach etwas mehr Zeit, bis sie herausgefunden haben, was sie studieren wollen. Daher scheint es mir wichtig herauszufinden, für was man brennt. Denn wenn das Herz für etwas brennt, sind Lernprobleme selten gravierend.

Katrin Piazza ist Lerncoach. In ihrer Lernpraxis im Zürcher Kreis 6 erarbeitet sie mit Studierenden eine Verbesserung der individuellen Lernkompetenz.

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