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27. August 2018 um 13:15

Das steckt hinter dem absurden Pferdeverbotsschild

Ein Szenario, das uns allen bekannt ist: Man reitet entspannt mit dem Pferd durch die Stadt und steht plötzlich vor einem Pferdeverbotsschild. Denn die Brücke am Güterbahnhof ist ausschliesslich den Fussgänger*innen vorbehalten. Aber warum wird den Reiter*innen hoch zu Pferd die Überquerung der Brücke verboten? Wir haben nachgefragt.

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Wir haben uns alle darauf gefreut, mit dem 8er-Tram endlich über die Hardbrücke zu fahren. Der Spass wurde aber unterbrochen – zumindest temporär. Grund dafür ist die Renovation der Hohlstrassenbrücke zwischen Güterbahnhof und Bäckeranlage, was aber eigentlich nicht das spannende an dieser Geschichte ist. Denn was mir wirklich seit Monaten schlaflose Nächte bereitet, ist dieses Schild an der Überführung für Fussgänger*innen eben dieser Baustelle: Warum darf ich mit dem Pferd nicht über diese Brücke reiten?
Da schweifen die Gedanken ab, zu anderen kuriosen Verboten: Warum steht auf der Mikrowelle, dass man den Hamster nicht mirkrowellieren darf? Warum darf man die Katze nicht in der Waschmaschine waschen? Genau, weil irgendein Idiot mal dachte, es sei eine gute Idee. Diese Geschichte hat Potenzial.

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Vor etwa einem Jahr postete Tsüri.ch dieses Foto auf Instagram. Mittlerweile klebt sogar ein Tsüri-Kleber drauf. (Bild: Tsüri.ch)

Die Odyssee: Bürokratie ist mein Ozean

Die provisorische Gleisüberführung liegt auf meinem Heimweg. Eines Tages habe ich mir vorgenommen, dem Mysterium auf den Grund zu gehen. An der Baustelle entdeckte ich zwei E-Mail Adressen – so setze ich mich also in Kontakt mit der SBB Pressestelle und dem Projektleiter Herr Olgiati.

Die einzige Antwort, welche ich erhalten habe ist ein Danke der Pressestelle, dass die Baustelle auf öffentlichem Grund sei und ich mich an die Stadtpolizei Zürich wenden solle. Es ist Freitagnachmittag, doch auf der Pressestelle der Polizei nimmt niemand das Telefon ab – nicht mal ein Anrufbeantworter erklingt.

Meine geniale journalistische Eingebung war, dass ich mich an Twitter wende. Meine Frage in beschränkten Satzzeichen richtet sich ab sofort an die Stadtpolizei und Implenia, deren Logo unübersehbar an der Baustelle angebracht ist. Implenia wurde mir zwar nicht als Kontakt empfohlen, aber mein Misstrauen war erweckt – Die SBB Pressestelle konnte mir keine Auskunft geben, aber ich war aus Erfahrung der Überzeugung, dass der Projektmanager mehr weiss. Ich erhoffte mir also, auf diesen Weg eher die direkt verantwortliche Person zu erreichen. Kaum gezwitschert, meldet sich das Bauunternehmen zu Wort: «Bei der Hitze ist Vorsicht geboten, das Wohl der Tiere liegt uns am Herzen.» Aha, lustig. Weil ich noch «richtige» Antwort brauche, wechseln wir auf E-Mail. Ich freute mich bereits, dachte meine Reise wäre hier zu Ende.

Beeindruckend: Implenia ist das ganze Wochenende via Twitter und E-Mail erreichbar – Die Stadtpolizei erst am Montag.

Das Pferd beisst sich in den Schweif

Am Montag habe ich Gewissheit: Weder SBB, Implenia, noch die Stadtpolizei sind verantwortlich für dieses Schild. Es soll die Dienstabteilung Verkehr DAV sein, die sich diesen Spass erlaubt hat. Die zuständige Person sei erst ab 15 Uhr wieder erreichbar. Na toll, da hab ich ein Meeting – also darf ich nochmals ein E-Mail schreiben. Der Kommunikationsverantwortliche lässt mich am nächsten Tag wissen: «Diese Signalisation wurde nicht von der DAV angebracht, sondern vom Unternehmer. Bitte wenden Sie sich hierzu an die Projektleitung der SBB.»

Ein GIF sagt manchmal mehr als 1’000 Worte. Lachen oder weinen, ist hier die Frage. (Quelle: GIPHY)

Mit der «guten» Nachricht, welches Unternehmen zuständig sei, kam eine weitere «gute» Information: Es sei in der NZZ schon über dieses Schild berichtet worden, dort fände ich den Namen der Ansprechperson. Ein flüchtiger Blick auf den Artikel, und meine Angst, dass bereits alles gesagt wurde, ist verflogen. Adi Kälin, der Autor des Textes, hat Geschichte studiert und dementsprechend liegt der Schwerpunkt seines Artikels in der Vergangenheit, inklusive Bilder der Gleise um circa 1920. Der wichtigste Absatz – der über das Schild natürlich – hält sich kurz und löst keine Rätsel.

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Der NZZ-Artikel über das «Kuriosum» beantwortet meine Fragen nicht oder nur unzufriedenstellend.

Ist das ein Witz?

Zurück bei der SBB: Nach zwei E-Mails, zwei Tagen Telefonterror, gefühlten zehn verpassten Anrufen und zwei tatsächlichen Gesprächen erreiche ich endlich Christian Ginsig, Pressesprecher der SBB. Die wichtigste Frage zuerst: Ist dieses Schild ein Witz? «Nein, das Schild ist kein Witz», sagt Herr Ginsig und lacht. Er gibt zu, dass es in der Stadt ein fast rein hypothetisches Szenario ist. Kein spezifischer Vorfall hätte dieses Verbot ausgelöst, trotzdem müsse aus Sicherheitsgründen dieses Pferdeverbot an der Brücke angebracht werden. Schuld daran seien die hohen Sicherheitsansprüche in der Baubranche. «Die seitlichen Abschrankungen bieten nur bis zu einer gewissen Höhe Schutz. Würde beispielsweise ein Pferd wegen eines durchfahrenden Zuges scheuen, könnte dies für den Reiter gefährlich werden.»

Die Alternative zum Verbotsschild wäre ein Tunnel gewesen oder die Absperrung höher zu bauen – aus optischen Gründen sei man auf das auf den ersten Blick belustigende Schild ausgewichen. Auf Nachfrage erklärt Herr Ginsig, dass es keinen finanziellen Hintergrund gäbe. Was tun wir also, wenn wir mit dem Pferd vor der Brücke stehen? «Das Gewicht des Pferdes ist kein Problem. Die wenigen Reiter können einfach vom Pferd absteigen, und zu Fuss die Brücke überqueren, ein Umweg ist nicht nötig.» Wie sieht es mit dem Rest vom Zoo aus? Weder mit Kühen noch mit Giraffen sollte man also die Brücke überqueren – falls man es überhaupt schaffen sollte, diese zu reiten.

Bild: Arjuna Brütsch / Unsplash

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