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Von Hanna Fröhlich

Redaktorin

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12. August 2020 um 11:52

Eine Ode ans «Uto»

Den Sommer verbringt Hanna Fröhlich in der Badi Utoquai. Eine Liebeserklärung ans «Uto», mit seinen Badekappen-Damen und der Ruhe auf dem Holzsteg.

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Sommer, Sonne, Uto. Illustration: Artemisia Astolfi

Es gibt für mich keine andere Badi in Zürich, die so einen Charme hat, wie das Seebad Utoquai, welches seit 130 Jahren die Seepromenade von Zürich ziert. Ich nenne das Uto «Hausbadi», da ich im Seefeld wohne und mit dem Fahrrad in nur einer Minute vor dem Eingang stehen kann. Seit ich studiere, verbringe ich meine Sommer in dieser Badi. Hier habe ich schon Arbeiten geschrieben, Bücher gelesen, Freund*innen getroffen, getannt – nicht immer ohne Sonnenbrand.

Das Uto ist in drei Teile aufgeteilt: Frauen, Gemischt und Männer. Im gemischten Teil befindet sich das Restaurant «Freie Sicht aufs Mittelmeer», welches ein leckeres Salatbuffet und Gasparini Glacés anbietet. Alle Bademeister*innen und Café-Angestellten sind entspannt und nett. Als ich kurz nach der Eröffnung der Badis nach dem Lockdown mein Saisonabo lösen wollte, schauten mich die zwei an der Kasse verdutzt an. Ob ich mir sicher sei, fragte man mich. Da der Preis des Badiabo wegen der verkürzten Saison sogar noch reduziert ist, war ich mir sogar sehr sicher. Sie dachten kurz nach und nickten dann langsam. Ja klar, falls keine zweite Welle komme und das Wetter noch etwas besser werde, dann lohne es sich vielleicht ja. Das ist typisch Uto – es wird einem nichts angedreht.

Der frühe Vogel überquert den See

Das haben sie auch nicht nötig, denn das Bad ist sehr beliebt. Jetzt zu Coronazeiten empfiehlt es sich, früh zu kommen, da sich um 10 Uhr meistens schon eine Schlange auf dem Kies an der Seeporomenade gebildet hat. Früh morgens ist es im Bad sowieso am schönsten. Es ist ruhig und noch schattig, die Flosse sind leer.

Ausserdem spielt sich in den Morgenstunden immer ein eigenartiges Schauspiel ab: Die Strecke über den See bis zum Springbrunnen auf der anderen Seite ist dann übersät mit runden Plastikbojen in allen Farben, die jeweils im Tempo einer dazugehörigen Badekappe übers Wasser schaukeln. Als ich dieses Schauspiel das erste Mal beobachtete, war ich erstaunt, wie viele Menschen morgens mal eben schnell den See überqueren.

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Direkt über dem Wasser.

Bei den Schwimmer*innen handelt es sich mehrheitlich um die gleichen Gestalten: Drahtige Mittdreissig- bis Mittfünfziger*innen, die am Morgen schnell kommen und dann direkt weiter zu Arbeit gehen – das dann wahrscheinlich noch mit dem Fahrrad. Beim Beobachten der bunten Punkte mache ich mir immer ein bisschen Sorgen, sie könnten von einem der grossen Zürichsee-Schiffe erfasst werden. Ich an ihrer Stelle, würde wohl non stop irritiert und gestresst den See nach sich nähernden Schiffen absuchen und käme gar nicht zum schwimmen. Dazu tragen auch die gelben Bojen bei, mit denen der Badebereich abgetrennt ist: Sie tragen Schriftzüge wie «Ich kann dir nicht helfen, darum schwimm nie alleine.», «Mich sieht man, aber sieht man auch dich?» oder «Wenn ich ein Schiff wäre, wäre es jetzt zu spät».

Die unwillkommenen Besucher*innen

Die Bojen dienen auch als Markierung für alle anderen See-Verkehrsteilnehmer. Für die Jugendlichen auf den Pedalos zum Beispiel, die immer mal wieder fälschlicherweise ins Badeareal fahren und damit jedes Mal einen Radau auslösen. Der*die Bademeister*in pfeift dann aufgeregt in seine*ihre Trillerpfeife, vom Pedalo kommen laute Anweisungen «Mehr nach links. Mehr rechts, jetzt mach doch mal, verdammt» und vom Floss aus sind «AAAhs» und «OOhs» zu hören.

Die willkommenen Besucher*innen

Neben den See-Überquerer*innen gibt es Stammgäste zu Genüge im Uto. Ich verbringe meine Zeit mehrheitlich im Frauenteil, weshalb mir dort die meisten Besucher*innen auffallen. Ganz vorne auf dem Steg, von wo aus man direkt über den See gucken kann, ist das Revier der älteren Frauen, die vor allem Zeitung lesen und mit ihren Nachbarinnen schwatzen. Oft merkt man an den Gesprächen, dass sie ihre Gesprächspartnerinnen gerade erst kennengelernt haben, denn es wird konsequent gesiezt. Man redet über Wespen, Schwäne, Corona und den Platz in der Badi. Aber das Hauptthema ist immer, wo die Sonne gerade ist und ob jemand Schatten möchte oder braucht. Denn das Tan-Game bei den älteren Damen ist strong.

Auch in puncto Kopfbedeckungen sind sie nicht zu toppen. Von fancy Badekappen bis zu samtigen Caps und Strohhüten ist alles dabei. Es gibt die ältere Dame, welche immer mit einer grossen weissen Hut-ähnlichen Haube im Wasser vor sich her dümpelt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie damit überhaupt noch sieht, wo sie hin schwimmt aber das wird wahrscheinlich überbewertet – sie sieht dabei so zufrieden aus.

Neben den Schwimmenden tragen auch die Bademeister*innen massgeblich zur Unterhaltung bei: Damit, dass sie den ganzen Tag Sit-ups machen zum Beispiel oder ab und zu mal wieder ins Boot steigen, damit einmal zur Boje fahren, um kurz darauf wieder zum Platz zurückzukehren. Danach geht es weiter mit den Sit-ups.

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Freie Sicht aufs Mittelmeer.

Ruhe und zufrieden

Die Ruhe dieses Ortes schlägt auch auf die Besucher*innen nieder: Jede*r ist für sich, macht ein Schläfchen oder liest ein Buch. Ab und zu holt man sich einen Eistee oder Eiskaffee im Kiosk, setzt sich für eine Zigarette an einen der Tische und geht dann wieder zurück an den Platz. Es herrscht eine unaufgeregte Stimmung. Niemand guckt blöd, wenn man oben ohne schwimmen geht, auch die Männer nicht (meistens). Draussen auf dem «offenen See» hinter der Boje treiben in zackigem oder weniger zackigem Tempo Stand-up Paddler vorbei, vom Trubel der oft sehr gut besuchten Seepromenade kriegt man gar nichts mit. Obwohl viele Leute hierher kommen, die ich kenne, treffe ich selten jemanden an. Da das Bad sehr verschachtelt ist, ist es grösser als man denkt und es verteilt sich ziemlich. Höchstens an der Treppe am Wasser – dort bildet sich immer eine kleine Schlange, die brav wartet, bis sich die nächste Person mit einem erschrockenen Schnaufen, den Schritt ins kühle Nass gewagt hat.

Wenn ein Gewitter kommt oder es gar regnet bin ich fast am liebsten hier. Dann fühlt man sich wie an der Nordsee. Das Wasser schlägt hohe Wellen, die Bademeister*innen fahren in ihren Bötchen herum und weisen die Schwimmenden daraufhin, aus dem Wasser zu kommen. Man kann sich dann gemütlich unter das Holzdach auf eine Bank setzen und den Sommerregen abwarten, bevor man zum Platz zurückgeht.

Unter Frauen

Das Uto sah übrigens nicht immer so aus wie heute. Dies ist seiner Existenz als einzigstes und ältestes Zürcher Seebad aus dem 19 Jahrhundert zu schulden. Es stand zwar schon immer auf Pfählen, der Bau hat sich aber verändert: 1908 hat man das Bad aufgrund einer neu aufgekommenen Körperkultur zum «Sonnenbad» durch Terrassen auf den Dächern ausgebaut. Lustig ist auch, dass die Geschlechtertrennung seit jeher emsig verteidigt wird: 2019 wurde das gesamte Erdgeschoss als gemischter Bereich markiert, worauf es negative Rückmeldungen hagelte und daraufhin zurück geändert wurde.

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Oben ohne sonnen.

Ich nehme an, dass die Rückmeldungen von Frauen kamen. Denn die Männerseite ist jetzt zu Coronazeiten meistens noch unbesetzt – die der Frauen ist dafür immer als erstes voll. Die Männer scheinen die Gesellschaft der Frauen zu suchen, während diese lieber unter sich sind.

Der Platz vorne am Geländer bei den Stammgästen des Frauenteils ist der beste. Von dort sieht man auf den offenen See und den Springbrunnen neben der Seebadi Enge. Dort zu sitzen fühlt sich wie Ferien an. Wenn ich die Augen schliesse, dann höre ich Möwengekreische. Es bleibt ganz der Vorstellung überlassen, wo dieser Steg auf den Stelzen gerade stehen könnte. Und für dieses Gefühl liebe ich diesen Ort.

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