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Von Lara Blatter

Co-Geschäftsleitung & Redaktorin

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29. Juli 2020 um 05:00

Eine E-Mail reicht und die Parkplätze verschwinden

Der Fall von Thilo zeigt, dass es sich lohnen kann, einfach mal zu fragen: Er störte sich, dass er mit dem Velo eine Einbahnstrasse nicht in beide Richtungen befahren durfte. Eine E-Mail reichte, die Stadt ändert die Signalisation und lässt Blaue Zonen Parkplätze verschwinden.

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Bald können Velofahrer*innen ganz legal durch diese Strasse fahren. (Fotos: Lara Blatter)

Parkplätze kommen weg, dabei wollte Thilo* eigentlich nur einen Zusatz zur Einbahn-Tafel, der ihm als Velofahrer erlaubt, in beide Richtungen durch die Einbahn an der Stationsstrasse im Kreis 3 zu fahren.

Die Stationsstrasse führt von der Birmensdorfer- bis zur Seebahnstrasse. Lediglich in einem kleinen Abschnitt ist es Velofahrer*innen erlaubt, in beide Richtungen zu fahren – dies signalisiert ein «ausgenommen» gefolgt von einem Velo-Piktogramm. Ansonsten gilt Einbahn. Die Stationsstrasse ist eine ruhige und wenig befahrene Quartierstrasse, darum sei es naheliegend, dass Velofahrer*innen diese der Kalkbreitestrasse vorziehen. «Geduldet wird es, aber ideal ist es nicht. Falls zum Beispiel mal ein Unfall passiert, kann dem*der Velofahrer*in vorgeworfen werden, rechtswidrig durch eine Einbahn gefahren zu sein. Ausserdem ist die Strasse sehr eng. Ich fuhr auch schon mit dem Velo und die Türe eines Autos ging auf, ohne einen Blick in den Rückspiegel», sagt Thilo. Vor gut zwei Monaten fasste er den Entschluss, der Stadtverwaltung eine E-Mail zu schreiben. Er schrieb, dass die Strasse Einbahn sei und fragte, ob man den beidseitigen Veloverkehr zulassen könne.

Gefragt, getan

Prompt kam die Antwort der Dienstabteilung Verkehr; das könne man machen, Signalisationsänderungen müssten zuerst im Amtsblatt ausgeschrieben werden. Der eine Abschnitt der Strasse sei zu eng, dort meinten die Verkehrsplaner*innen, sie würden eine Auflösung von Parkfeldern im Rahmen des Projekts «Kompensation Blaue Zone Parkplätze» prüfen.

Eine Woche, am 26. Juni, stand es genau so im Amtsblatt. Thilo staunte nicht schlecht. «Wenn es keine Einsprachen gibt, werden wir die Parkplätze im Herbst demarkieren und die Öffnung für Velos und Mofas im Gegenverkehr signalisieren», so Martin Guggi, Mediensprecher der Dienstabteilung Verkehr. Am 25. Juli lief die Einsprachefrist aus, der Stadt liegen bis heute keine Einwendungen vor.

Das Projekt «Kompensation Blaue Zone» wird seit 2014 als Pilotprojekt betrieben. Parkplätze in der Blauen Zonen sollen vermehrt verschwinden und so Platz für Velowege und breitere Trottoirs entstehen. Zudem soll auch der Sommerhitze entgegengewirkt werden, indem mehr Bäume auf städtischem Boden gepflanzt werden. Kompensieren heisst nicht verschwinden, so entstehen auf privatem Grund neue Parkplätze: «Wir beurteilen, wie viele Parkplätze auf Privatgrund zur Verfügung stehen, wie viele Jahresparkkarten im betreffenden Kreis im Umlauf sind und welche Bedürfnisse, z.B. des Gewerbes, bestehen. So wird berechnet, ob und wie viele Blaue Zonen Parkplätze aufgehoben werden können», sagt Guggi.

Einbahnstrassen, die mit einfachen Massnahmen für Velos im Gegenverkehr geöffnet werden können, möchte die Stadt proaktiv angehen. Eine der nächsten Signalisationsänderungen wird die Rousseaustrasse zwischen Imfeld- und Nordstrasse sein.

Immer weniger Autos in der Stadt

Rund 130 Parkplätze in der Blauen Zone seien im Rahmen des Pilotprojekts bis heute abgebaut und im Privatraum kompensiert worden. Der Abbau von weiteren 500 Parkplätzen ist geplant. Die Stadt verfolgt das Projekt konsequent: «Die Kompensation wird systematisch durchgeführt. Das heisst, dass in jedem Strassenbauprojekt überprüft wird, ob Parkplätze in der Blauen Zone aufgehoben werden können. Von «Parkplatz-Kahlschlag» und einer «Abbauwelle» ist teils die Rede und die Interessengemeinschaft Quartierparkplätze Zürich setzt sich gegen den Abbau von Anwohner*innenparkplätzen ein. Dass es immer wieder zu negativen Rückmeldungen komme, wenn Parkplätze aufgehoben werden, bestätigt Guggi und fügt an, dass die Anzahl Autos pro Einwohner*innen aber stetig abnehme und weniger Jahreskarten für die Blaue Zone im Umlauf seien. Tendenziell nehme die Nachfrage nach Blauen Zonen Plätzen also ab.

Die Stadt erhalte zudem Schreiben von Baugenossenschaften oder Immobilienfirmen, die ihre Tiefgaragenparkplätze nicht vermieten können, weil die Bewohner*innen ihre Fahrzeuge lieber mit Anwohner*innenparkkarten in der Blauen Zonen parkierten. «Dies widerspricht dem kantonalen Planungs- und Baugesetz, welches seit 1976 vorschreibt, dass alle Nutzungen ihren Parkplatzbedarf auf Privatgrund abzudecken haben», sagt Guggi. Private Parkplätze sind teurer als jene in der Blauen Zone. «Die monatlichen Mietkosten für einen privaten Parkplatz im Freien liegen mit durchschnittlich 120 Franken weit über dem heutigen Preis einer Blaue Zone Parkkarte mit 25 Franken», so die Stadt in der Medienmitteilung vom 10. Juli, worin sie verkündet, dass der Stadtrat neu den Preis für die Jahreskarte von 300 auf 780 Franken festlegen will.

Etwa 70’000 öffentlich zugängliche Parkplätze gibt es in Zürich. Selbst wenn davon in den nächsten Jahren 500 verschwinden, kann von einem Parkplatz-Kahlschlag nicht die Rede sein. Der Abbau von Parkplätzen hat aber schon politische Priorität. Stadtrat Wolff bezeichnete diesen im Interview mit Tsüri.ch als eine der fünf zentralen Linien seiner neuen Mobilitätsstrategie.

«Ich hätte auch nicht erwartet, dass sie gleich Parkfelder auflösen, aber ja, die Stadt verfolgt ihre Strategie konsequent», so Thilo und rät allen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, einfach mal eine nette E-Mail an die Dienstabteilung Verkehr zu schreiben.

*Name der Redaktion bekannt

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