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9. Juli 2018 um 12:15

Aktualisiert 26.01.2022

Die Smart City können wir nur gemeinsam erschaffen

Die Städte wachsen, das Zusammenleben wird komplexer. Dieser Komplexität verspricht das Konzept «Smart City» entgegenzutreten. Doch wie kommen wir an den Punkt eines intelligenten Zusammenlebens? Ein Lösungsansatz von Professor Edy Portmann und seinem Team.

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Gastautor und Gastautorin: Prof. Dr. Edy Portmann & Sara D'Onofrio

Mit der rasant steigenden Urbanisierung rückt die Stadt immer stärker in den Mittelpunkt. Gemäss der United Nations leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, wobei mit einem Anstieg bis zu 68 Prozent im Jahre 2050 zu rechnen ist. Europa gehört nebst Nord- und Südamerika und der Karibik bereits heute zu den am stärksten urbanisierten Regionen der Welt. Auch die Schweiz wird immer stärker mit der Urbanisierung konfrontiert. Im Jahr 2016 lebten bereits 80 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung in Städten beziehungsweise in deren näheren Umgebung. Dabei wachsen die grossen Agglomerationen, wie Zürich (1.334 Mio. Einwohner), Genf (579 Tsd.), Bern (410.9 Tsd.) und Lausanne (409.3 Tsd.) immer näher zusammen. Im Mittelland ist schon jetzt der Trend greifbar, dass sich die Schweiz über kurz oder lang zu einer einzigen grossen Stadt entwickeln wird, von Genf bis an den Bodensee. Die Tendenz steigt also, in die Städte zu ziehen und sich dort niederzulassen.

Die Stadt als komplexes Konstrukt

In unserem Verständnis stellt eine Stadt ein System von Subsystemen, wie Gesundheitswesen, Mobilität und Umweltschutz, dar. In diesen Subsystemen gibt es verschiedene Interessengruppen (Bürger*innen, Unternehmen, usw.), die eigene Ziele und Werte haben. Diese Ziele und Werte können unter den Interessengruppen aus den verschiedenen Subsystemen konkurrenzieren, sollten aber dennoch miteinander funktionieren können. Im Bereich Umweltschutz besteht beispielsweise das Interesse, die CO2-Emissionen zu reduzieren, weshalb der Gebrauch von Fahrzeugen hinterfragt wird, währenddessen im Subsystem der Mobilität Fahrzeuge dazu beitragen, Ziele wie zum Beispiel jederzeit mobil zu sein oder seitens der Automobilindustrie Umsatz zu generieren.

Trotz dieser konkurrenzierenden Ziele und Werte sind beide Subsysteme voneinander zu einem gewissen Grad abhängig, da die Interessengruppen des Umweltschutzes mobil sein sollten und möchten und die Interessengruppen der Mobilität ebenfalls an einer nachhaltigen Welt interessiert sind. Dies zeigt, dass eine Stadt ein komplexes Konstrukt darstellt, welches mit einer Vielzahl von Herausforderungen, verursacht durch unterschiedliche Interessengruppen in den Subsystemen, zu kämpfen hat. Es ist zentral, sich diesen Herausforderungen, wie der Entwicklung von Quartieren, der Bereitstellung gut funktionierender Infrastrukturen und der Regulierung eines guten Gesundheitssystems, zu stellen und geeignete Lösungsansätze zu finden.

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Sara D'Onofrio (l.) und Prof. Dr. Edy Portmann

Die Intelligente Stadt lernt aus ihren Fehlern

Aus diesem Grund beschäftigen sich der Staat, aber auch halbstaatliche und private Unternehmen sowie Forschungsinstitutionen und Privatpersonen in «Public Private Partnership»-Zusammenschlüssen mit dem Konzept «Smart City». Das Attribut «Smart» – ein Begriff unseres digitalen Zeitalters – wird hierbei verwendet, um die Transformation einer Stadt in eine «intelligente» Stadt zu kennzeichnen. Das Smarte einer Stadt beruht auf Verständnis, Lernen und Selbsterkenntnis. Dabei geht es darum, die städtischen Prozesse (wie bspw. den öffentlichen Verkehr, Abstimmungen in der Bundesstadt oder Notfallmassnahmen bei Überschwemmungen) zu verstehen, aus den Erfahrungen zu lernen und die Entwicklung der urbanen Prozesse in nachhaltiger, sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht voranzutreiben.

Diese Entwicklung kann mithilfe von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie beispielsweise Internet- und Webtechnologien, unterstützt werden. Die Erfassung, Sammlung und Analyse stadtbezogener (Echtzeit-)Daten sowie die Koordination der Datennutzung mit internet- und webbasierten Diensten sollen zu einer Erweiterung und effizienteren Nutzung der wirtschaftlichen, sozialen, natürlichen und infrastrukturellen Ressourcen führen.

Webbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien können als Rückgrat einer Smart City angesehen werden, da sie eine Intensivierung der sozialen Interaktion zwischen verschiedenen Interessengruppen einer Stadt fördern und zusätzlich ermöglichen in einen kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozess einzutreten.

Gemeinsam gestalten wir unsere Stadt

Dadurch werden Bürger*Innen und andere Interessengruppen, welche die internet- und webbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen, zu «urban drivers of change», zu sogenannten «Co-Designern» der Stadt. Komplementär zur Technologie sind sie aufgerufen, sich einzubringen, Informationen auszutauschen, zusammenzuarbeiten und ihre Stadt mit ihrer Partizipation nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Die Zusammenarbeit zwischen den Bürger*Innen und anderen Interessengruppen mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien schafft eine gemeinsame Wissensbasis, welche schlussendlich der Stadt von Nutzen ist. Dieser bürgernahe Ansatz ermöglicht es, neue sozioökonomische und partizipative Stadtmodelle zu entwickeln, in welchen beispielsweise Solidarität, soziale Integration und Gemeinschaften gefördert werden.

Smart City erreichen durch Zusammenarbeit

Die Vision einer Smart City kann zu einer Realität werden, wenn alle urbanen Interessengruppen zusammenarbeiten. Dabei sind nebst den Bürger*Innen und der Stadtverwaltung weitere Akteur*innen von Relevanz, wie Forschungsinstitutionen und Unternehmen. Wir glauben, dass ein transdisziplinärer Ansatz für alle Parteien am meisten Vorteile bringt. Unter Transdisziplinarität verstehen wir die Integration von praktischem Wissen (z.B. von Akteur*innen aus der Privatwirtschaft, Verwaltung aber auch von Bürger*Innen) und (interdisziplinärem) Wissen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen (z.B. Informatik, Architektur, Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften) in gemeinsame Projekte.

Diese Zusammenarbeit schafft kollektives Wissen, verbunden mit einem stetigen Austausch und somit einem kontinuierlichen Lernprozess. Denn Wissenschaftsbereiche und Praxispartner*innen arbeiten zusammen an einer Problemstellung und erarbeiten gemeinsam Lösungswege. Auf diese Weise tragen alle Beteiligten zu einem besseren Verständnis der Komplexität gesellschaftlich relevanter Fragestellungen bei, wie etwa der digitalen Transformation innerhalb einer Stadt. Dies ermöglicht, eine Stadt Schritt für Schritt in eine Smart City zu verwandeln.

Prof. Dr. Edy Portmann
Edy Portmann ist Professor für Informatik und Förderprofessor der Schweizerischen Post am Human-IST Institut der Universität Freiburg. Zu seinen transdisziplinären Forschungsschwerpunkten zählt das Thema Cognitive Computing sowie die Anwendung dessen auf Städte. Er studierte Wirtschaftsinformatik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre und promovierte in Informatik. Er war unter anderem bei Swisscom, PWC und EY tätig. Zudem forschte Edy Portmann an den Universitäten Singapur, Berkeley und Bern.
Sara D’Onofrio
Sara D’Onofrio ist Informatik-Doktorandin am Human-IST Institut der Universität Freiburg und IT-Praktikantin bei der Schweizerischen Post. Zuvor studierte sie zweisprachig Betriebswirtschaftslehre an der Universität Freiburg und Betriebswirtschaftslehre mit Spezialisierung in Wirtschaftsinformatik an der Universität Bern. Sie forscht im Bereich Cognitive Computing und Smart Cities und nahm bereits an verschiedenen Tagungen in Europa, Südamerika und Kanada teil.

Titelbild: Ryoji Iwata, Unsplash

Verwendete Literatur:

  1. D’Onofrio S, Portmann E (2017) Cognitive Computing in Smart Cities. InformatikSpektrum, 40(1):46-57
  2. Oliveira A, Campolargo M (2015) From Smart Cities to Human Smart Cities. 48th Hawaii International Conference on System Sciences, 2336-2344
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