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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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18. Januar 2015 um 14:24

«Die heutige Drogenpolitik ist völlig realitätsfremd. Polizeiliche Repression bringt nichts»

Ein Interview mit Koni Wäch, Präsident von Eve & Rave Schweiz, über Drogen, Medikamentenmissbrauch und Drogenliberalisierung.

Ein Interview mit Koni Wäch, Präsident von Eve & Rave Schweiz, über Drogen, Medikamentenmissbrauch und Drogenliberalisierung.

Was hast du an der Streetparade gemacht? Koni Wäch: Normalerweise sind wir an der Streetparade mit unserem Info-Stand oder als Helfer bei anderen Institutionen unterwegs. In diesem Jahr machte ich mir ein Bild von der Parade: Ich holte mir beispielsweise Infos an einem anderen Drogenstand über neue Substanzen, die getestet wurden.

Weisst du, warum ich das frage? Weil es der Big-Event ist?

Ja, und weil es mich wundernimmt, ob ein Drogenexperte an der Drogenparty schlechthin arbeitet oder selbst sein Bewusstsein erweitert. Am Abend war ich schon auch im Ausgang – diesmal nüchtern (lacht).

Was macht Eve&Rave? Kann ich bei dir Kokain kaufen? Nein, kannst du nicht. Aber du kannst dich über Koks informieren. Wir setzen uns für einen eigenverantworteten und bewussten Drogenkonsum ein. Wir informieren über Saver-Konsum, organisieren Weiterbildungen, klären Clubpersonal auf… Zudem betreiben wir das grösste deutschsprachige Drogenforum.

Eve & Rave will für einen aufgeklärten Drogenkonsum sorgen. Warum machst du das? Da muss es doch ein persönliches Interesse geben. Ja, klar. Bei all unseren Mitgliedern gibt es ein persönliches Interesse: Szene-Kenner, die sich da einsetzen möchten oder auch Beobachter, die wissen wollen, was sich Drögeler schmeissen. Wir haben auch Leute, die sich anmelden und Fragen stellen, weil sie sich um den Konsum in ihrem Umfeld Sorgen machen und so zum Verein stossen.

Wie kamst du zu Eve & Rave? Als Jugendlicher stiess ich auf das Forum und las da über Substanzen, deren Name ich kaum aussprechen konnte. Irgendwie hat mich das fasziniert. Ich begann viel über Drogen und deren Chemie zu lesen, noch lange vor meinem ersten Rausch.

Woher nimmst du das Hintergrundwissen, das es für deine Arbeit braucht? Nicht alle, die bei uns arbeiten brauchen die gleiche Wissenstiefe. An Parties beantworten wir auch chemische Fragen, aber nicht nur. Einiges ist auch zu kompliziert. Von Fachstellen holen wir uns Informationen, einige arbeiten auch neben Eve & Rave in einem verwandten Bereich und nehmen da viel Know-How mit. Jene mit weniger Hintergrundwissen sind dafür anderweitig begabt und betreuen zum Beispiel Konsumenten, die einen Bad-Trip haben

Die Forum-Beiträge sind sehr aktuell, andere Seiten der Webseite sind schon über 12 Jahre nicht mehr aktualisiert worden. Überlasst ihr die Plattform sich selber? Das ist ein wunder Punkt – wir sind gerade dabei, eine neue Webseite zu erstellen. Das Problem, welches zu veralteten Beiträgen führt ist die Zeit. Weil alle Aktiven freiwillig und nebenberuflich tätig sind, müssen wir Prioritäten setzen. Freiwilligenarbeit erfordert manchmal sehr viel Geduld …

Das Forum wird nicht sich selber überlassen. Auch wenn wir stark auf User-Generated-Content setzen, moderieren täglich mehrere Personen das Forum: Da werden zum Beispiel Adressen von Dealern gelöscht und Personen mit krassen Konsummustern angeschrieben.

Eure Einsätze an Parties und die Aufklärung können Leben retten. Können Fehler auch tödlich sein? Ja, das ist so. Bei den offiziellen Informationen, die wir weitergeben, können wir die Richtigkeit garantieren – Beispiel Pillenwarnungen. Im Forum gilt aber das Prinzip der Eigenverantwortung, weil wir nicht alles kontrollieren können. Bis jetzt ist uns aber noch kein solcher Fall bekannt.

Wie macht ihr auf die Gefahren aufmerksam? Wer Substanzen konsumiert, setzt sich immer einem Risiko aus; jemand kann zum Beispiel allergisch auf ein Streckmittel reagieren. Wir versuchen die Leute vor allem präventiv zu erreichen, um damit einem übermässigen Konsum vorzubeugen. Wenn Partygäste sich nach dem Konsum nicht wohl fühlen, können wir sie bis zu einem bestimmten Grad betreuen; insbesondere wenn sie einen Bad Trip haben. Wir haben aber keine spezifische medizinische Ausbildung und ersetzen keinen Sanitätsdienst. Wenn jemand stark überdosiert ist und sich in einem bedenklichen Zustand befindet, dann ist das ein Fall für den Notarzt.

Im Forum ist es nicht selten, dass grober Mischkonsum von harten Drogen empfohlen wird. Ist das nicht saugefährlich? Empfohlen wird es nicht – aber realistisch darüber geschrieben. In der Regel wird aber von einem Moderator oder einem anderen User darauf hingewiesen, dass ein solcher Mischkonsum mit Gefahren verbunden ist. Wir wollen den Fokus auf Saver-Konsum legen. Die Selbstkontrolle im Forum funktioniert gut, wir haben nur sehr wenige extreme Fälle.

Wie stehst du zur Liberalisierung von Drogen? Als erster Schritt wollen wir die Entkriminalisierung des Drogen-Konsums. Die heutige Repression bringt nichts. Andere Länder zeigen, dass präventive Information mehr bringt als sinnlose Kriminalisierung. Klar ist, dass es zur Leglaisierung von vielen Drogen ein langer Weg ist. Aber mit einem guten Programm sollte man sich da ran wagen.

Die heutige Drogenpolitik ist völlig realitätsfremd. Dass konsumiert wird, ist eine Tatsache, mit unserer Aufklärung wollen wir den Schaden minimieren. Die polizeiliche Repression bewirkt das Gegenteil.

Was ist für dich Drogenmissbrauch? Wir reden meistens bei Medikamenten von Missbrauch – das polarisiert stark. In den Lernphasen haben wir viele Anfragen von Studis, ob sie mit Ritalin wirklich besser lernen können. Sie wollen ein Medikament missbrauchen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.  Für mich ist Missbrauch, wenn in den Konsum eine gewisse Regelmässigkeit reinkommt und der Genuss nicht mehr im Zentrum steht.

Info: Das Forum Eve & Rave wurde 1999 gegründet, um im Verein miteinander kommunizieren zu können. Mittlerweile ist es das grösste deutschsprachige Drogenforum. Eve & Rave arbeitet mit Institutionen wie saferparty.ch und raveitsafe.ch zusammen.

P. S. Das Gespräch wurde im August 2014 geführt und ist bereits auf dieperspektive.ch erschienen.

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