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Von Adelina Gashi

Redaktorin

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30. August 2019 um 12:11

Die 3 grössten Datenkraken der Schweiz

Am Donnerstag fand in Zürich die Verleihung der Big Brother Awards statt, die die grössten Datensünder*innen der Schweiz an den Pranger stellte.

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Ganz nach Orwell: Big Brother is watching you. Bild: Stafford Green via Pixabay

«Datenschätze sind heutzutage lohnender als Bodenschätze. Und: Man macht sich dabei nicht schmutzig.» Mit diesen Worten begrüsste die Pro- und Vizerektorin der Universität Zürich, Professorin Dr. Gabriele Siegert, das Publikum der Big Brother Awards.

Nach zehn Jahren Pause war es wieder so weit: Die grössten Schweizer Datensünder*innen wurden mit dem «Oscar für Datenkraken» ausgezeichnet. Die Organisator*innen des Big Brother Awards, der Chaos Computer Club Schweiz, die Digitale Gesellschaft Schweiz und die PEP-Stiftung, luden in die altehrewürdigen Mauern der Universität Zürich ein, um auf die Missstände des Schweizer Datenschutzes oder auch dessen Lücken, aufmerksam zu machen. Was schnell zu einer trockenen und technischen Angelegenheit hätte werden können, entpuppte sich zum zwar zynischen, aber dafür humoristischen Abendprogramm. Die Veranstalter*innen hatten nicht zu viel versprochen: Die Verleihung war tatsächlich sehr «feierlich» .

Die Moderatorin Jasmin Clamor, die Schauspielerin und Kabarettistin ist, eröffnete die Veranstaltung gleich mal mit dramatischer Filmmusik. Heute würden drei Preise in drei Kategorien verliehen werden, erklärte Clamor und deutete dabei auf die Miniaturstatuen, die wohl dem «Oscar» nachempfunden wurden. Nur, dass die Statuen farblos, ohne Gesicht und Rückgrat seien. «Es geht nicht bloss ums Gesetz, sondern es sind auch tiefe moralische Fragen», die sich Firmen und Institutionen stellen müssten, meinte sodann auch padeluun, Netzaktivist und Ausrichter der Big Brother Awards Deutschland, der nur unter seinem Pseudonym auftritt.

Die Laudatio für die «Gewinner*innen» hielt Künstler und Aktivist Knackeboul, der sich sympathischerweise gleich selbst als Laie in Sachen Datenschutz entlarvte und die inhaltlichen Inputs den Expert*innen überliess. Ein bisschen Gala-Feeling verlieh er der Preisverleihung aber allemal.

42 Nominationen waren eingegangen, die die Jury – Mitglieder des Organisationsteams der Veranstaltung – ausgewertet hatte. Und das sind sie, die grössten Datensünder*innen der Schweiz:

1. In der Kategorie Staat: Geheimjustiz im Überwachungsstaat (Zwangsmassnahmengericht des Kantons Zürich)

Während eines Strafverfahrens kann die Kantonspolizei Zürich das Telefon der beschuldigten Person abhören oder auch die Wohnung verwanzen. Das sind schwere Eingriffe ins Grundrecht, die aber von den Untersuchungsbehörden erlassen werden können. Transparenz in ihrem Vorgehen wäre deshalb von grossem öffentlichem Interesse, die aber nicht gewährleistet wird. 2017 hat das Gericht 97% dieser Anträge gutgeheissen. Obwohl die Verfassung etwas anderes vorsieht, haben die betroffenen Personen, sowie die Öffentlichkeit nach Beendigung eines solchen Verfahrens keinen Zugang zu den Urteilen.

2. In der Kategorie Public-Private-Partnership: Elektronisches Patientendossier (Bundesamt für Gesundheit)

Gesundheitsdaten sind sehr wertvoll, deshalb fallen sie laut Gesetz auch unter die besonders schützenswerten Personendaten. Umso unverständlicher ist es daher, dass unsere Gesundheitsinformationen zurzeit völlig unzureichend geschützt werden. Die Systeme für die elektronischen Patient*innendossiers verfügen über keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Aktuell arbeitet der Bund an einem technisch zentralistischen System – mit der Swisscom und der Post als Betreiberinnen – das die Daten bündeln soll, was es potentiellen Datenabsauger*innen leichter machen würde.

3. In der Kategorie Publikumspreis: PostFinance AG mit ihrer Stimmerkennung

Rufst du bei der PostFinance an, kann sie dich anhand deiner Stimme telefonisch identifizieren. Früher hat auch die Swisscom diese Praxis angewandt, aber letzten April wieder eingestellt. Das passiert momentan noch automatisch, ohne dass die PostFinance nach einer Einwilligung fragen muss. Falls man das nicht möchte, muss man sich aktiv darum bemühen. Die Software, programmiert von der Firma NICE, wurde ursprünglich für militärische Zwecke geschaffen. Geraten solche Daten in die falschen Hände, kann man leicht Opfer von Identitätsdiebstahl werden.

«PostFinance – hört auf mit dem Scheiss» , sind die abschliessenden Worte, als die finale Laudatio endet.

Obwohl niemand von den Preisträger*innen anwesend ist, um Rede und Antwort zu stehen, hat immerhin die PostFinance Zeit gefunden, um brieflich Stellung zu nehmen. Über die Auszeichnung seien sie betrübt, heisst es dort, aber sie würden die Vorlagen über eine explizite Einwilligungsanfrage dann erfüllen, wenn das Gesetz es verlangen würde.

Über eine Zustellung des Pokals per Post würden sie sich freuen.

Trotz der parodistischen Aufmachung haben es die Veranstalter*innen der Verleihung geschafft, auf die Ernsthaftigkeit und Brisanz der Thematik aufmerksam zu machen.

Denn der Umgang mit Daten ist nicht etwas, was bloss Firmen und Institutionen beschäftigt, sondern wird auch auf politischer Ebene heiss diskutiert. Unzureichender Datenschutz sei nicht nur für Einzelpersonen eine Gefahr, sondern auch für die Direkte Demokratie. Das hat das Initiativkomitee des E-Voting-Moratoriums befunden, die sich aktuell dafür einsetzt dass E-Voting in der Schweiz erst implementiert wird, wenn das System sicherer und transparenter wird.

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