Der Klimastreik tobt: Stadtrat will Netto-Null bis 2040 - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Jenny Bargetzi

Praktikantin Redaktion

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21. April 2021 um 15:00

Der Klimastreik tobt: Stadtrat will Netto-Null bis 2040

Der Stadtrat hat am Mittwoch bekannt gegeben, dass die Umsetzung der Netto-Null-Klimastrategie um zehn Jahre, sprich ins Jahr 2040, nach hinten verschoben wird. Was als «ehrgeiziges und machbares» Ziel präsentiert wird, löst bei Linken und Grünen Unverständnis und grosse Wut aus. Der Klimastreik Zürich hat sogar eine Petition gestartet.

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Foto: Alun Meyerhans

Eine Stadt ohne Treibhausgase bis 2040, das ist die Klimastrategie «Netto-Null» der Zürcher Stadtregierung. Ein ambitioniertes, aber wichtiges Ziel, das auf den Bericht des Weltklimarats (IPCC) aus dem Jahr 2018 folgt. Dieser zeigt die Notwendigkeit der weltweiten Treibhausgas-Neutralität bis 2050 auf, um die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzen zu können. Der Klimastreik und andere Umweltorganisationen forderten aber bereits per 2030 Netto Null.

Mit der «langfristigen Klimastrategie» hat die Schweiz im Januar 2019 den Schritt in die Klimapolitik gewagt. Kurz darauf stimmte nach einer hitzigen Debatte auch der Zürcher Gemeinderat dem Ziel «Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2030» zu (die NZZ berichtete).

Nun legt die Strategie des Stadtrates Massnahmen im Konsum-, Ernährungs-, Verkehrs- und Gebäudebereich fest, um die CO2-Ausstösse auf ein Minimum zu reduzieren. Die verbleibenden Treibhausgasemissionen sollen schliesslich durch natürliche und technische Treibhausgassenken kompensiert werden. Letztere entziehen der Atmosphäre das verbleibende CO2 und drücken die Treibhausgase schlussendlich auf die Nullgrenze herunter.

Der Auftrag für eine «Netto-Null-Strategie 2030» wurde vom Zürcher Gemeinderat vor fast zwei Jahren mit 85 Ja- zu 29 Nein-Stimmen erteilt. Die Unsicherheit über die tatsächliche Realisierbarkeit des Ziels war aber schon damals von verschiedenen Seiten zu spüren. Der Stadtrat selbst zeigte sich positiv.

Es folgten Analysen, Berichte und Machbarkeitsstudien, welche im September 2020 veröffentlicht wurden. Darin steht, wie die Stadt Zürich ihre direkten energiebedingten Emissionen auf Stadtgebiet bis 2030, 2040 und 2050 auf Null senken könnte und welche Auswirkungen damit verbunden sind. Schon damals liess sich erahnen, dass eine Umsetzung bis 2030 enorm ehrgeizig und teuer werden würde.

Im Februar sorgte dann ein Stelleninserat der Stadt Zürich für Aufruhr. Darin suchte sie ein*en Projektleiter*in Gebäudetechnik für Konzeption und Umsetzung Netto-Null angegeben für das Jahr 2040. Hatte sich der Stadtrat bereits damals vom Klimaziel 2030 verabschiedet? Die Stadt selbst hielt sich gegenüber Medien bedeckt; der definitive Entscheid sei noch nicht gefallen und man werde im April oder Mai über den weiteren Verlauf informieren.

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Grafik: Stadt Zürich

In der Medienkonferenz vom Mittwoch zum neuen Klimaziel für die Stadt Zürich bestätigten sich die Befürchtungen des Klimastreiks. Andreas Hauri, GLP-Stadtrat und Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements der Stadt Zürich, eröffnete die Konferenz: «Das neue Klimaziel ist definiert», so Hauri, «und zwar per 2040.» Der Entscheid basiere auf den Ergebnissen des Grundlagenberichts und den Machbarkeitsüberprüfungen des vergangenen Jahres. Die Stadtverwaltung selbst will in ihrer Vorbildrolle ihre direkten Treibhausgasemissionen bereits fünf Jahre früher auf Netto null senken, so der Stadtrat.

Nicht ganz auf Null, aber immerhin um 30 Prozent gegenüber 1990 sollen die indirekten Emissionen gesenkt werden; also jene, welche ausserhalb des Stadtgebietes verursacht werden. Die grössten Potenziale liegen laut dem Stadtrat in den Bereichen Baumaterial und Mobilität.

Mit unserer Zukunft kann man nicht verhandeln. Wir lassen nicht zu, dass die Stadt Zürich auf Kosten unserer Zukunft und aller zukünftigen Generationen Kompromisse macht.

Cyrill Hermann, Klimastreik

Was auf bürgerlicher Seite begrüsst wird, löst bei der Klimastreik-Bewegung und der Klimakoalition, bestehend aus SP, Grüne, GLP, ALS und EVP, Wut aus.

So sagt Cyrill Hermann vom Klimastreik am Telefon: «Wir sind extrem hässig. Es wurde uns mit Netto-Null 2030 etwas versprochen, das nun nicht eingehalten wird. Stattdessen wird uns ein schlechterer Plan vorgelegt, den sie uns als perfekt und grün verkaufen wollen. Der wissenschaftliche Konsens, dass es ein solches Ziel braucht, ist da. Anders werden wir es einfach nicht schaffen können», erklärt er weiter.

Aus diesem Grund hat eine kleine Arbeitsgruppe des Klimastreiks Zürich namens «Druck auf Politik» eine Petition gestartet. Das Ziel der «Petition gegen die Verwässerung der Stadtzürcher Klimastrategie» ist es, dem Stadtrat und Gemeinderat die Befürwortung der ambitionierten städtischen Klimapolitik erneut aufzuzeigen, um das Ziel Netto-Null 2030 in der Verfassung zu verankern. Dabei verweisen sie auf das internationale CO2-Budget, welches im Pariser Klimaabkommen vor mehr als fünf Jahren festgelegt wurde und eine Begrenzung auf unter 2 Grad Celsius, mit einem maximalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius vorsieht. Hermann warnt: «Um das einzuhalten, hat jedes Land ihr CO2-Budget. Die Schweiz hält ihr CO2-Budget nur ein, wenn sie Netto-Null 2030 anstrebt. Schaffen wir das nicht, haben wir nicht nur das Schweizer Klimaziel nicht erreicht, sondern verfehlen auch das internationale Klimaziel – auf Kosten anderer Länder.»

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Klimaaktivist Cyrill Hermann. (Foto: Elio Donauer)

Es sei frustrierend, dass es nicht mal eine rot-grüne Regierung schaffe, die Zukunft zu sichern, so Hermann. «Die Stimmung der sowieso schon wütenden Jugend wird sich noch mehr verstärken. Denn mit unserer Zukunft kann man nicht verhandeln. Wir lassen nicht zu, dass die Stadt Zürich auf Kosten unserer Zukunft und aller zukünftigen Generationen Kompromisse macht.»

Auch die Klimastadt Zürich kritisiert in ihrer Medienmitteilung Netto-Null 2040. «Weder mutig noch enkeltauglich», bezeichnet sie die neue Strategie des Zürcher Stadtrats und schreibt weiter: «Der Stadtrat verspielt die Chance, Zürich als führende Stadt im Kampf gegen die Klimakrise zu positionieren.»

Die SP indes begrüsse die umfangreiche Grundlagenarbeit zwar, bedauere aber die nach hinten verschobene Zielsetzung, heisst es in einer Medienmitteilung. Sie fordert, die Grosskonzerne in die Pflicht zu nehmen, die die Erdgas- und Erdölindustrie im Milliardenbereich finanziere. Die grösste Partei der Stadt kündigt an, bei der Beratung im Parlament das Tempo verschärfen zu wollen.

Auch die Grünen zeigen sich enttäuscht und betonen in ihrer Medienmitteilung abermals die Dringlichkeit der Situation und fordern den Stadtrat auf, die Wirtschaftlichkeit aller Massnahmen auf einer neuen Berechnungsgrundlage zu überprüfen. Denn der Klimawandel komme viel teurer zu stehen, als dessen Vermeidung.

Bereits heute gibt die Stadt 430 Millionen Franken für den Klimaschutz aus. Zur Erreichung des Klimaziels 2040 will der Stadtrat diesen Betrag mit Investitionen von der Wirtschaft, Privaten und der öffentlichen Hand um 90 Millionen aufstocken.

Bevor die Emissionen aber tatsächlich abgebaut werden können, muss das Ziel des Stadtrats noch in den Gemeinderat und kommt danach vor das Stimmvolk. Das Klima muss sich also noch etwas gedulden.

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