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Von Sonya Jamil

Praktikantin Redaktion

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17. Dezember 2020 um 10:00

Das Leben in der Arche Zürich: «Mir gefällt die Freiheit»

«Wohnen mit Betreuung nach Mass» lautet das Credo der Arche Zürich. In dieser Form bietet der Verein Menschen mit Sucht- und/oder psychischen Problemen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ein Zuhause. Bewohnerin Sonja Michelsanti lebt seit zehn Jahren in der Arche.

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Titelbild: Sonya Jamil. Fotos der Wohnhäuser: zVg. Arche Zürich

Einer der Standorte der Arche liegt an der Altstetter Hohlstrasse. Diese ist auch an diesem bewölkten Dezember Nachmittag stark befahren. Wer von der Bushaltestelle des 31ers auf die gegenüberliegende Strassenseite schaut, dem fällt zuerst das Arche Brockenhaus und Bistro auf. Ein paar Meter weiter, gleich um die Ecke befindet sich das Wohnhaus. Der Neubau mit der grauen Fassade und den Archbögen ist scheinbar unauffällig.

Der erste Tag

Aufgrund einer Heroinabhängigkeit entschied sich Sonja damals gemeinsam mit ihrer Suchtberaterin für eine betreute Wohnform. Zuvor wohnte die zweifache Mutter in Thalwil. Anfangs lebte Sonja zwei Jahre lang im Wohnhaus der Blümlisalp; das 1867 erbaute und 2013 sanierte und ausgebaute Wohnhaus in der Enge, damals noch unter der Leitung der Zürcher Aids Projekte, kurz ZAP. Das Wohnhaus bietet seinen 18 Bewohner*innen Einzelzimmer, unter der Woche täglich eine gemeinsame Mahlzeit sowie tagsüber eine Betreuungspräsenz von Montag bis Samstag. Den ersten Tag empfand Sonja als gewöhnungsbedürftig, sie habe sich aber gut eingelebt und wäre gleich mit allen ausgekommen.

Die Arche bietet in drei Häusern in der Stadt Zürich, an der Hohlstrasse, der Blümlisalp und der Waid 61 Wohnplätze an, davon sind 44 IV-Heimplätze. Zurzeit lebt Sonja Michelsanti im Wohnhaus an der Hohlstrasse. Hier teilt sie sich mit einer Mitbewohnerin eine zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Davon gibt es in der Altstetter Arche fünf Stück, sowie sechs Studios und zwei 5-Zimmer-Wohnungen.

Das Leben in der Arche

Die Bewohner*innen der Arche Hohlstrasse seien zwischen Mitte 20 und Mitte 60 meint Sonja. Mit ihrer Mitbewohnerin versteht sie sich gut, es wäre bereits der vierte Mitbewohner*innenwechsel während Sonjas Zeit in der Arche. Die 28 Wohnplätze sind teilmöbliert, die Bewohner*innen können eigene Möbel mitbringen. Der Gemeinschaftsraum lädt ein zu Plauder- und Kaffeerunden oder einem gemeinsamen Essen. Mittags darf man im Arche Bistro essen. Sonja erzählt von gemeinsamen Spieleabenden im Wohnhaus, zu Corona-Zeiten wäre man aber vorsichtiger. Die Betreuer*innen stehen den Bewohner*innen von Montag bis Freitag zur Verfügung. Das Konsumieren der Suchtmittel ist in der Arche nicht verboten, aus der Überzeugung heraus, dass der Alltag für manche ohnehin schon schwer zu meistern ist. Sich bewusst davon zu distanzieren sei nicht immer einfach, vor allem wenn im Nebenzimmer jemand konsumieren würde, aber: «Es ist eine gute Schule und härtet ab», findet Sonja, die mittlerweile substituiert lebt. Einen Weg aus der Suchtabhängigkeit und/oder psychischen Erkrankung will unter anderem die Arche Therapie in Bülach bieten. In der stationären Einrichtung können die Menschen durch eine individuell auf sie abgestimmte Kurz- oder Langzeittherapie zur Ruhe kommen und in ländlicher Lage wieder ins Leben finden.

Zwischen Betreuung und Eigenständigkeit

Betreuung nach Mass bedeutet, dass die Bewohner*innen die Unterstützung bekommen, die sie auch wirklich benötigen. Wer sich mehr Unterstützung wünscht, der bekommt sie auch. «Wohnung aufräumen, Wäsche waschen...», zählt Sonja auf. Das sei ihr aber zu persönlich, das mache sie alles selbst. Sie fühle sich schon viel selbstständiger als früher; einzig bei administrativen Arbeiten und der Dokumentenverwaltung würde man ihr noch helfen. «Ich brauche nicht mehr viel Betreuung», betont die 55-Jährige. Sonja gefällt die Tatsache, dass sie in der Arche nicht bemuttert wird und hier ein freies Leben führen kann. Sie darf im Wohnhaus ein- und ausgehen wann sie will, die Betreuer*innen würden sich vor dem Zimmerbesuch anmelden. Sonja würde sich alllerdings wünschen, in Zukunft ihr eigenes Geld verwalten zu dürfen, was momentan noch die Arche macht. Diese Selbstverantwortung will sie wieder für sich gewinnen: «Sonst verlernt man noch, mit Geld umzugehen!»

Wie kann man den sicherstellen, dass die Bewohner*innen die für sie passende Unterstützung kriegen? «Es gibt keine Sicherheit!», meint Arche-Pflegefachfrau Isabel Blatter. Bei der Arbeit stehen Präsenz, Empathie und fachliche Kompetenz im Vordergrund. In langen und kurzen Gesprächen mit den Bewohner*innen wird versucht, deren Vertrauen zu gewinnen, auch in enger Zusammenarbeit mit den Ärzt*innen und Beiständ*innen der Bewohner*innen. Es werden nur in Ausnahmesituationen einseitige Entscheide, das heisst ohne die jeweiligen Bewohner*innen getroffen, dies betrifft akute psychische oder physische Notfallsituationen und gravierende Verstösse gegen die Hausordnung, so Isabel. Es sei ein umso schöneres Erlebnis, wenn man sieht, wie die Arbeit Früchte trägt und die Bewohner*innen Vertrauen fassen und offen mit den Betreuer*innen zusammenarbeiten würden. So können bei den Bewohner*innen auch plötzlich Ideen, Wünsche und Träume entstehen, wie zum Beispiel: «Ich will jetzt spanisch lernen, ich will wieder arbeiten gehen, ich habe mit der Familie wieder Kontakt oder ich hatte seit einem Monat keinen zusätzlichen Drogenkonsum mehr.» Die Arche freut sich, wenn die Bewohner*innen ein selbstständiges Leben führen können, auch ausserhalb des Wohnhauses. Bis es soweit ist, bieten sie den Bewohner*innen unbefristet ein Zuhause.

Fokusmonat «Wohnen» 2020
Dieser Artikel ist im Rahmen unseres Fokusmonats «Wohnen» entstanden. Neben dem hier veröffentlichten Bericht, sammeln wir mit einem Crowdfunding momentan Geld, um herauszufinden wem Zürich gehört. Zudem organisieren wir auch dieses Mal eine Pitch-Night, Podien und machen mit einer Stadtforscherin einen Spaziergang durch die Weststrasse.

Zu allen Berichten zum Thema Wohnen
Zu allen Veranstaltungen im Rahmen unseres Fokusmonats «Wohnen»
Zum Recherchecrowdfunding «Wem gehört Züri»

Seit 40 Jahren unterwegs mit Engagement

Nebst der betreuten Wohnform bietet die Arche auch das Konzept des integrierenden Wohnens an. Im Wohnhaus in Wiedikon haben sich 24 Personen je zu dritt in WG’s zusammengeschlossen und bewältigen ihren Alltag mithilfe von sozialtherapeutischer Beratung grösstenteils selbstständig. Die 1980 gegründete Arche macht sich ausserdem stark für die berufliche Integration von IV- und Sozialhilfe-Bezüger*innen. Durch die Arbeit im Arche Biohof erhalten sie in einem geschützten Rahmen Tagesstruktur, was die Motivation und Selbstständigkeit fördert. Für die schulische Integration macht sich die Arche Kinderbegleitung stark. Einmal in der Woche trifft sich eine Begleitperson auf freiwilliger Basis mit dem Kind und unterstützt es beim Deutsch-Lernen oder bei sonstigen Hausaufgaben. Damit das Zusammenleben in der Familie harmoniert, gibt es die Arche für Familien als Begegnungsort und Beratungsstelle.

Seit geraumer Zeit ist Sonja wieder auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Das gestalte sich der Zürcher Mietpreise und ihrer Vergangenheit wegen schwierig. Sonja zeigt sich verständnisvoll, meint aber: «Man kann nicht alle Menschen in einen Topf werfen!»

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