Velofahren in Zürich: Mit einem Twitter-Account gegen falsch parkierte Autos - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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20. Dezember 2022 um 14:00

Blockierte Velostreifen in Zürich: Twitter-User kämpfen gegen Falschparker:innen

Der Platz auf Zürichs Strassen ist knapp und deshalb hart umkämpft. Ein Problem für Velofahrende sind Fahrzeuge, die auf Velostreifen oder Radwegen parkieren – und somit einen Teil der Infrastruktur beeinträchtigen. Auf Twitter machen User darauf aufmerksam und fordern von der Stadtpolizei eine strengere Handhabung. Diese pocht auf Verhältnismässigkeit.

Wäre theoretisch gesehen verboten, machen in Zürich aber trotzdem viele: Das Halten von Fahrzeugen auf Velostreifen und Radwegen. (Foto: Screenshots Twitter)

«Rufen Sie 117, wenn ein Auto drängelt. Oder auf der Velospur ist. Immer. Sofort», heisst es auf dem Twitter-Profil «Velospure Zürich». Gemäss diesem kontrolliert und ahndet die Polizei nur selten aus Eigeninitiative, weshalb Auto- sowie Lieferwagenfahrer:innen, die Velowege mit ihrem Fahrzeug blockieren, ungeschoren davonkommen.

Beispiele solcher Vergehen findet man auf dem Account zur Genüge: Mal hält ein SUV auf dem Gehsteig und versperrt den halben Velostreifen, mal steht ein Lieferwagen auf der neuen Markierung für die Velovorzugsroute. Warum die Autofahrer:innen in Zürich das ok finden würden, fragt ein User die Stadtpolizei Zürich halb ernst, halb rhetorisch. «Wir stellen uns die Frage, woher wir wissen sollten, was Autofahrer ok finden», kontert diese. Die Stimmung wirkt angespannt; sie gleicht jener auf den Strassen. 

Im Zweifel 117

Fahrradwege würden nicht ernst genommen, das wolle er hier sichtbar machen, twitterte der Gründer auf «Velospure Zürich» im September. Einen Monat nachdem der Account online gegangen war. 116 Tweets wurden seither verfasst. Auf Anfrage von Tsüri.ch schreibt der Verantwortliche, der lieber anonym bleiben will, dass er die Plattform in erster Linie aus Neugierde für seine Zwecke nutzt. Aber natürlich sei auch sein Interesse an der thematisierten Problematik ausschlaggebend für den Account gewesen.

Anders als die Person hinter «Velospure Zürich» machen andere, die Fotos von Fahrzeugen auf Velostreifen posten, keinen Hehl daraus, wer sie sind. So markiert der Twitter-User Casimir Moll immer wieder die Stadtpolizei Zürich und fragt in einem Post, was bei einem Fahrzeug, das auf dem Velostreifen steht, unternommen werden kann. Falls es immer dasselbe Fahrzeug sei, würde die Polizei den Halter oder die Halterin auf die rechtliche Situation aufmerksam machen, schreibt diese in ihrer Antwort. Falls nicht, werde es der betroffenen Dienststelle weitergegeben.

Es sei deshalb wichtig, dass Velofahrende und Passant:innen auf die Nummer der Einsatzzentrale 117 anrufen und falsch parkierte Fahrzeuge zeitnah melden würden, erklärt der Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich, Pascal Siegenthaler. Ihnen sei der Twitter-Account «Velospure Zürich» bereits bekannt. Je nach Möglichkeiten gehe nach einer Meldung eine Patrouille vorbei und «entscheidet vor Ort, ob eine Ordnungsbusse ausgestellt oder weitere Massnahmen eingeleitet werden müssen». 

«Abschleppen ist das letzte Mittel»

Knapp hundert Mitarbeitende der Stadtpolizei sind im Kommissariat «Kontrolle Ruhender Verkehr» für die Kontrollen auf dem Stadtgebiet verantwortlich. 27’539 Bussen wurden von ihnen im laufenden Jahr im Zusammenhang mit falsch abgestellten  Fahrzeugen ausgestellt. Davon 16 explizit unter dem Begriff «Halten auf einem Radstreifen, wenn der Fahrradverkehr dadurch behindert wird». Allerdings seien auch einige hundert Fahrzeughalter:innen geahndet worden, die zwar einen Velostreifen oder Radweg blockiert hatten, jedoch mit einer Busse für das «Parkieren ausserhalb von Parkfeldern» belegt wurden, hält Siegenthaler fest. Deshalb seien die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen.

Immerhin: 494 Personen wurden innerhalb der Stadtgrenzen wegen Parkierens auf einem Radweg, also auf einem Stück Veloinfrastruktur gebüsst. Ob dabei die Fahrspur von Velofahrer:innen beeinträchtig worden ist oder nicht, bleibt jedoch unklar.

Während auf Twitter auch immer wieder die Forderung kommt, dass die Polizei strenger durchgreifen und illegal abgestellte Autos konsequenter abschleppen soll, sieht Siegenthaler in dieser Praxis die Verhältnismässigkeit in Gefahr: «Abschleppen ist das letzte Mittel. Es wird immer erst versucht, mit der Halterin oder dem Halter Kontakt aufzunehmen.» Nichtsdestotrotz wurden im Jahr 2022 bisher rund 600 falsch parkierte Fahrzeuge abgeschleppt. 

Keine Regel ohne Ausnahme

Doch was, wenn Fahrzeuge der Post, Lastwagen von Zügelunternehmen oder Getränkelieferer die Velospur blockieren, es sonst aber keinen Platz zum Halten gibt? Theoretisch gesehen könnten auch diese Vergehen gebüsst werden, erklärt Kurt Moll. Der Rechtsanwalt ist Lehrbeauftragter für Verkehrs- und Luftrecht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): «Besondere Vortrittsrechte im Strassenverkehrs können grundsätzlich nur Blaulichtorganisationen beanspruchen – Polizei, Krankenwagen oder Feuerwehr.» Trotzdem würden gewisse Tätigkeiten seines Wissens nach nicht geahndet werden, wenn es offensichtlich nicht anders gehe. 

Siegenthaler bestätigt Molls Annahme. Manchmal müsse man gesunden Menschenverstand walten lassen, so der Mediensprecher. Oder anders gesagt: «Wir alle wollen unsere Päckli geliefert bekommen und die Abfallcontainer geleert haben.» Akzeptieren, dass in der Stadt Zürich regelmässig Velostreifen und -wege von motorisierten Fahrzeugen behindert werden, wollen einige Twitter-User jedoch nicht. «Ich glaube, ich bin nicht alleine mit dem Wunsch, dass die Stadtpolizei mehr tun könnte, um uns Velofahrer zu schützen», so der User Casimir Moll unter einem Tweet von Anfang Dezember, der einen Lieferwagen auf einem Radweg zeigt.

Doch nicht alle sehen darin einen konstruktiven Aktivismus. Von: «Das ist so deutsch, dass ich gar nicht glauben kann, dass es in der Schweiz stattfindet.» Über: «Was soll der Fahrer sonst machen?» Bis zu: «Wäre der Lieferwagen auf der Autospur, würden alle motzen.» In den Antworten auf Casimir Molls Tweet sind alle Emotionen vereint. Die Stadtpolizei derweil schätze den Austausch, hält aber auf Twitter fest: «Für Infrastruktur sind wir nicht zuständig.» Das Problem von falsch parkierten Fahrzeugen, die Velowege blockieren, wird sich also wohl auch mit einem Twitter-Account oder mehr Bussen nicht einfach in Luft auflösen. 

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