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25. Februar 2020 um 09:37

Aktualisiert 27.01.2022

Bildung für unsere Zukunft: Vergesst die Kosmetik, lasst uns etwas verändern

Tiefgreifende nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen brauchen transformative Bildungsansätze. «Bei sich beginnen aber nicht bei sich enden.» Wir wollen alle etwas zum Besseren verändern.

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Photo by Markus Spiske on Unsplash

Text: Anaïs Sägesser & Ruth Förster (beide STRIDE the unSchool)

Ein Problem der heutigen formalen Bildungslandschaft ist allerdings, dass sie sich vor allem auf die Reproduktion des Bestehenden spezialisiert hat und wenig Neues zu grundlegenden Veränderungen beiträgt und so oft nur Kosmetik betreibt. Dies gilt insbesondere für die Führungs- & Managementausbildung, in der oft die bestehenden Machtstrukturen und das Wirtschaftssystem nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, sondern ein geschicktes Handeln innerhalb dieser «geübt» wird.

Um momentan gültige Systeme - wie z.B. unser Finanzsystem oder Ernährungssystem - zu hinterfragen und zu ändern, benötigen wir auch eine andere Art der Bildung, die bestehende Paradigmen und darauf basierendes Handeln, Denken und Fühlen inklusive der damit verbundenen Systeme in Frage stellt und Raum für Neues bietet. Unterstützend ist hier das Konzept vom transformativem Lernen, da es bei der Veränderung von Bedeutungsperspektiven, sozusagen der Brillen, mit der wir die Welt sehen, im Zusammenspiel von Individuellem und Kollektivem ansetzt. Es bietet ein «Framework» für den Lernprozess verstanden als tiefgreifender Veränderungsprozess. Transformative Bildung ist einerseits Rahmenbedingung und andererseits auch Herausforderung: Wenn unsere gültigen Bedeutungsperspektiven, die über Jahrzehnte gewachsen sind, gestört werden, regt sich Widerstand. Ein Verändern der eigenen oder auch kollektiven Sicht auf die Welt auch immer ein potentiell existentieller Angriff auf die gültige Orientierung und auf das Selbst ist.

So ist erstens für einen transformativen Lernprozess ein sicherer Raum, ein «safe space» essentiell. Dieser erlaubt es, Irritationen zuzulassen, über Paradigmen und daraus resultierendes Handeln zu reflektieren oder Neues zu erkunden und für die Kreativität Raum zu lassen. Damit wird die Begleitung des Lernprozesses und die vertrauensvolle Beziehung unter den Lernenden sowie auch zwischen Lernenden und “Lehrenden” zentral, wobei der Lehrende auch die Funktion eines Prozessbegleitenden übernimmt.

Zweitens, kann transformatives Lernen nicht verschrieben sondern lediglich ein Raum geboten werden, in dem dieses stattfinden kann. Die Lernenden sollen sich stets freiwillig auf den Prozess einlassen, und es darf nicht instrumentalisiert werden. Sie müssen Selbstverantwortung für den eigenen Transformationsprozess übernehmen (können).

Drittens ist es wichtig, dass transformatives Lernen weniger ein inhaltliches Projekt mit Wissensvermittlung - wie Bildung oft (immer) noch gesehen wird - ist, sondern ein begleiteter Prozess, der eine Auseinandersetzung mit Normativität (Werten, Paradigmen) beinhalten muss und zur Gestaltung von Transformation befähigen sollte.

Dieser Prozess muss partizipativ, also unter Einbezug aller im Lernprozess Beteiligten auf Augenhöhe gestaltet werden, wird also mit jeder Lerngruppe auch wieder etwas anders aussehen. Eine partizipative Gestaltung, heisst inklusiv zu sein und für unterschiedliche Perspektiven Raum zu lassen. Im Sinne der Adressierung von Normativität - insbesondere im Kontext Bildung für nachhaltige Entwicklung - ist es dabei wichtig, dass das Recht der Lernenden auf eine eigene politische Meinungsbildung gewahrt werden muss. Dies schliesst nicht aus, bewusst und transparent den existierenden normativen Konsens mit dem Hinweis, wie dieser zustande gekommen ist, darzulegen sowie eine persönlichen Meinung dazu abzugeben. Dies soll als Reibungsfläche zum Schärfen des eigenen kritischen Denken (Reflexion) der Lernenden dienen. Wobei in einem transformativen Kontext stets jeder Beteiligte letztendlich Lernender ist, d.h. auch die strikte Rollentrennung zwischen Lehrenden und Lernenden verwischt.

Viertens, soll der Lernprozesse eine Prozessbegleitungsrolle beinhalten (die neue Rolle des Lehrenden). Hier ist eine grosse Offenheit für solche Veränderungsprozesse gefragt, sowie ein fundiertes didaktisch-methodisches Handwerkszeug, um begleiten zu können. Auch ist die Reflektion eigener Grundannahmen, Paradigmen und Verhaltens nötig.

Momentan werden solche sicheren Lernräume für «Transformation» nur selten und vornehmlich in der Erwachsenenbildung geboten, die sich ausserhalb regulärer Curricula bewegen. Also bspw. einer Coachingausbildung oder bei den Angeboten von STRIDE. Hier geht es immer auch um ein Experimentieren in und mit der Welt und ein explorieren dieser wechselseitigen Beziehung zwischen Selbst und Welt. Der sichere Raum wird hier von den Lernenden gemeinsam mit erfahrenen Lerncoaches geschaffen und gehalten. Die eigenen und gemeinsamen (Lern-) Fragen werden dabei auf eine inspirierende Mischung aus Erleben, Beobachten, Reflektieren und Experimentieren aufgenommen.

Damit wir nicht Weiterfahren, nur Kosmetik zur Bildung zu betreiben, wäre es wünschenswert, dass Ansätze, wie diese auch von einer grösseren Breite von Anbietern im Bereich der Erwachsenenbildung ausgetauscht und übernommen würde.

Hier bietet z.B. auch die saguf, die Schweizerische Akademische Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie immer wieder Raum für Austausch. so haben die beiden Autorinnen im Dezember hierzu mit über 20 «reflective practitioners» einen fruchtbaren Austausch zu transformativem Lernen moderiert und die saguf Jahrestagung 2020 zusammen mit der Copernicus Alliance u.a. zu transformativem Lernen in der Hochschullehre wird einen weiteren Austausch ermöglichen.

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