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Von Rahel Bains

Redaktionsleiterin

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18. August 2021 um 15:00

Bekommen in Zürich wirklich nur die Harten einen Garten?

Schreber- und Familiengärten auf städtischem Boden sind so begehrt wie nie, Vereine werden vor allem seit dem Corona-Lockdown mit Anfragen überhäuft. Auch Gemeinschaftsgärten wie jene im Dunkelhölzli haben Wartelisten. Eine neue Generation Schrebergärtner:innen ist im Anmarsch – und dies nicht nur wegen kleinen Wohnungen mit noch kleineren Balkonen.

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Keine Gartenzäune weit und breit: Der Gemeinschaftsgarten des Vereins Grünhölzli. Bilder: Rahel Bains

Dieser Beitrag ist zum ersten Mal am 16. Juli 2020 erschienen. Im Rahmen einer Repost-Woche kramen wir unsere liebsten Artikel aus dem Archiv hervor.

«Nur die Harten bekommen einen Garten», titelte die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» vor zehn Tagen in einem Artikel über die immense Nachfrage nach Schreber- und Familiengärten in der Stadt Hamburg, ausgelöst durch die Corona-Krise. Autor Moritz Hermann schreibt darin über den Kampf nach einem Stück Land, der längst politisch geworden ist. Über eine Frau, die 20’000 Euro zahlen würde, um sofort einen Kleingarten zu bekommen. Über eine neue Generation Schrebergärtner:innen: «jung, dynamisch, kleine Familie, die den Gartenbau mit einem Instagram-Account begleitet.» Der Kleingarten sei zum Ausgleich geworden für auf dem Immobilienmarkt geplatzte Träume. Gartenzwerg, Jägerzaun und Hollywoodschaukel würden langsam verschwinden und durch Acapulco-Chairs, Designertische und DIY-Hochbeete ersetzt.

Auch wer in Zürich ein Stück Land beackern möchte, muss sich in Geduld üben, bestätigen mehrere Familiengärten-Vereine. Fast 300 Anmeldungen zählt man derzeit etwa beim Familiengartenverein Zürich-Wipkingen. Dem gegenüber stehen gerade mal drei Gärten, die auf den Herbst frei werden, erzählt der Arealchef der Parzelle Käferberg, Max Dell’Ava. Der 77-jährige Höngger, der seit fast 20 Jahren Mitglied des Vereins ist, sagt: «Die Nachfrage war schon immer gross, aber so gross wie seit Corona noch nie.» Die Lage oberhalb des Waidspitals mit Blick über die Stadt sei halt schon sehr gut. Es gäbe nur wenig Areale in der Stadt, die so gut gelegen seien. Die Wartezeit? Betrage derzeit durchschnittlich zwei Jahre. Nach einem Jahr laufe zudem die Anmeldung ab, wer dann noch immer interessiert sei, müsse sich erneut melden.

Anfragen aus der ganzen Stadt

Ähnlich sieht es im zweitkleinsten Gartenverein der Stadt, dem Familiengartenverein Höngg, aus. Vor Corona waren etwa 60 Parteien auf der Warteliste für die insgesamt 93 Gärten. Seit dem Lockdown ist diese Zahl um fast die Hälfte sprich auf 115 Anfragen angestiegen. Matthias Häni, Präsident des Vereins, sagt: «Pro Jahr geben wir zwischen fünf und zehn Gärten weiter. Das heisst jetzt aber nicht, dass die derzeitige Wartezeit dementsprechend elf Jahre beträgt. Es gibt immer wieder Wegzüge oder Menschen, die sich umentscheiden. Ich würde sagen, es ist realistisch, wenn man von einer Wartezeit von zwei bis drei Jahren spricht.»

Obwohl aus den Bewerber:innen nur jene berücksichtigt werden, die einen starken Bezug zu Höngg haben, erhalte man Anfragen aus der ganzen Stadt: Aus dem Seefeld etwa oder den Kreisen 4 und 5. Und auch immer mehr von Wohngemeinschaften, jungen Menschen, die keinen Garten haben und sich trotzdem ein Stück Grün wünschen. «Wir haben eine tolle Mischung aus Familien, älteren Personen und Jungen. Viele davon probieren immer wieder neue Sachen aus, pflanzen etwas Topinambur und anderes exotisches Gemüse an. Häni selbst mag am liebsten Beeren: «Erdbeeren, Himbeeren, Cassis- und Brombeeren. Meine Kinder lieben es.»

Wir mussten die Anfragen stoppen, weil wir nichts versprechen wollen, das wir nicht einhalten können.

Nadine Rogger, Präsidentin des Familiengartenvereins Zürich Süd

Die Warteliste ganz schliessen musste vor kurzem Nadine Rogger, Präsidentin des Familiengartenvereins Zürich Süd in Wollishofen. Der Lockdown kam – und plötzlich waren auf der Liste über 100 Namen eingetragen. «Wir mussten die Anfragen stoppen, weil wir nichts versprechen wollen, das wir nicht einhalten können», so Rogger. Die Mitglieder des Vereins seien mittlerweile ebenfalls sehr durchmischt, man durchlaufe gerade einen Generationenwechsel. Nicht nur Familien würden sich nun bei ihnen melden, sondern auch immer mehr Einzelpersonen, die mit anderen gemeinschaftlich gärtnern möchten. «Viele von ihnen wohnen in kleinen Wohnungen, mit noch kleineren Balkonen und ohne verfügbaren Aussenraum. Da ist es verständlich, dass man sich eine Fläche wünscht, auf die man sich zurückziehen kann.»

Neue Formen des Gärtnerns im Dunkelhölzli

Da solche Flächen immer rarer werden, verbreiten sich in der Stadt seit einigen Jahren immer mehr gemeinschaftliche Formen des Gärtnerns, die sich von der Nutzung her von den oben genannten klassischen Schreber- und Familiengärten unterscheiden. So werden etwa auf der Hardturmbrache, dem Guggach-Areal oder im Dunkelhölzli neue, nachhaltige Formen des Gärtnerns erprobt.

Letzteres liegt am Westrand der Stadt Zürich, oberhalb eines Quartiers, in dem sich Mehrfamilienhäuser beschaulich aneinanderreihen. Dort, am Übergang von der Stadt zur Landwirtschaft, engagieren sich etwa 80 aktive Gärtner:innen im Verein Grünhölzli. Die insgesamt zur Verfügung stehenden 3000 Quadratmeter Land gleichen einem einzigen grossen Garten. Dieser ist in Wirklichkeit aber in Gemeinschaftsflächen, die allen zur Verfügung stehen sowie privaten Parzellen unterteilt, dies jedoch ohne von Zäunen oder hölzernen Gartenhäuschen Gebrauch zu machen.

Noémie Delfou und Patric Bachmann bewirtschaften seit April mit zwei anderen Vereinsmitgliedern rund 50 Quadratmeter Gartenfläche. Noémie nennt diese ihren «Kraftort». Zwischen Sonnenblumen, wohl Überreste eines einstigen Sonnenblumenfelds, wachsen Erdbeeren, Kräuter, Zucchetti und Blattsalate. Noémie lockert Unkraut aus der Erde. Einige Meter weiter ragen in einem Gewächshaus Tomaten in die Höhe, die man als Patin oder Pate betreuen darf. Daneben hat Landschaftsökologe Robert Zollinger ein Beet mit 20 verschiedenen Spargelsalat-Sorten angelegt. «Zu Forschungszwecken», sagt Thilo Gruber, Präsident des Vereins Grünhölzli.

Er sitzt auf dem Kiesplatz an einem langen Holztisch, auf dem blau-weisse Platten mit Saucen- und Spargelresten liegen. Der Verein hat zwei Stunden zuvor zur Spargel-Degustation geladen. Gruber erzählt, wie die Stadt das Areal in den kommenden Jahren nutzen und umgestalten will. Mittels Bächen, einer Allmend und verschiedenen Gartenfeldern. Nächstes Jahr dürfen sie ihre Anbaufläche bereits verdoppeln, sagt er. Deshalb sei die Wartezeit für die rund 20 Personen, die derzeit auf der Warteliste sind, absehbar. Gruber: «Wir hoffen auf Menschen, die sich mit dem Projekt identifizieren können und bereit sind, nebst ihrer kleinen Privatgartenfläche auch etwas für die Gemeinschaft zu machen.» Auch würde das Areal künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen: «Die angrenzenden Quartiere Altstetten und Albisrieden boomen und sollen laut Prognosen in den kommenden Jahren um rund 30'000 Einwohner:innen wachsen. Da spielen wir als Naherholungsgebiet eine wichtige Rolle.»

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Patric Bachmann und Noémie Delfou.

«Back to the roots»

Eine Warteliste führt auch der Pflanzplatz Dunkelhölzli der «Anbaugemeinschaft für eigenes Gemüse aus städtischen Böden». Die Verantwortlichen bewirtschaften zusammen mit allen Abonnent:innen unter anderem auch im Dunkelhölzli ein Stück Land. Die Ernte wird im Abo-System mittels Gemüsetaschen an die Mitglieder verteilt. Am Tag der Spargel-Degustation ist auch Tinu Balmer vom Dunkelhölzli-Team auf dem Kiesplatz anzutreffen. Bei ihnen stehe das Gemeinschaftliche im Vordergrund, dass man eine Fläche möglichst effizient nutzt, erzählt er. Rund 20 Menschen würden derzeit darauf warten, bei den Projekten mitwirken zu dürfen. «Wir merken, immer mehr wollen gärtnern, sprichwörtlich zurück zur Wurzel.»

Du willst auch gärtnern und jäten? Diese Liste führt auf, wo, welche Chancen auf einen Gartenplatz bestehen.

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