7 Perspektiven des Wohnens – das war die Pitch-Night - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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17. November 2020 um 15:23

7 Perspektiven des Wohnens – das war die Pitch-Night

Sieben Personen, sieben Blickwinkel – und nur sieben Minuten Zeit, um diese dem Publikum vorzustellen. Mit der Pitch Night im Kraftwerk startete am 16. November der Fokusmonat zum Thema Wohnen. Wir haben dir die wichtigsten Aussagen der Vortragenden zusammengefasst.

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Moderator Simon Jacoby (Fotos: Emilio Masullo / Video: Elio Donauer)

1. Wohnbaufinanzierung: Ethik vor Profit

Anita Wymann – Verwaltungsrats Präsidentin ABS

Eine sozial-ökologische Bank, die in der Immobilienbranche tätig ist? Hört sich erst einmal abwegig an, ist laut Anita Wymann jedoch durchaus möglich. Die Alternative Bank Schweiz mache es vor. In ihrem Pitch ging es aber nicht nur darum, die ABS in den Himmel hoch zu loben, sondern auch darum, das Geschäft mit Hypotheken zu erklären und kritisieren. Es sei erschreckend, dass dieser Markt Billionen scheffel, so Wymann. Der Markt wächst. Das Problem: Eigentümer*innen fordern Kredite zu möglichst guten Konditionen – woher das Geld kommt, spielt meist eine weniger wichtige Rolle. Dass soziale Bauunternehmer*innen, wie beispielsweise Genossenschaften, aufgrund kleiner Unterschiede in Zinsprozenten abspringen und sich ihre Kredite lieber von Grossbanken (namentlich UBS, CS) auszahlen lassen, sei eine Entwicklung, die Wymann zu denken gebe, sie aber nicht viel dagegen machen könne.

Am Leitbild der ABS hält sie trotzdem fest: «Ethik kommt immer vor Profit», so die Verwaltungsrats Präsidentin. Gerade bei der Wohnbaufinanzierung seien Transparenz, ein sinnvolles Fördern, Ausschlusskriterien bei Kreditvergaben, das Schützen von bestehenden Bauten und das Unterstützen von neuen Wohnformen zentral.

Hier geht's zum Pitch von Anita Wymann.

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2. Die städtische Wohnpolitik in sieben Minuten

Daniel Leupi – Vorsteher Finanzdepartement

«Die städtische Wohnpolitik in sieben Minuten zu erläutern, ist in etwa so schwierig wie in Zürich eine günstige Wohnung zu finden.» Mit diesen Worten beginnt der Stadtrat Daniel Leupi seinen Pitch. Er versuche es trotzdem und nennt sogleich die Stichworte «Wachstum», «Wohnungen» und «Umwelt». Seit 25 Jahren wachse die Stadt wieder, so Leupi, nachdem sie fast 30 Jahre geschrumpft sei. Eine Chance und Herausforderung zugleich, denn die Attraktivität der Stadt führe auch dazu, dass immer mehr Menschen in Zürich wohnen möchten. Über 9’000 Wohnungen wurden zwischen 2016 und 2019 in der Stadt gebaut. Während Institutionen wie Pensionskassen oder Versicherungen laut Leupi vor allem Wohnraum für die obere Mittelklasse geschaffen hätten, sei es der Stadt ein Anliegen, dass auch sozial Benachteiligte ihren Platz erhalten würden. Auf die Durchmischung komme es an, denn auch gute Steuerzahler*innen seien wichtig.

Der städtische Wohnbau werde auch weiter zunehmen, erklärt Leupi und zählt Beispiele von bisherigen und künftigen Projekten auf. Sein Blick in die Zukunft zeigt: Der Wohnflächenverbrauch soll minimiert, mehr Grünraum geschaffen und Stadtwohnungen CO2-neutral geheizt werden. Die Wohnpolitik sei aber nichtsdestotrotz eine schwierige Aufgabe, die es zu meistern gelte, schliesst der Finanzvorsteher ab.

Hier geht's zum Pitch von Daniel Leupi.

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3. Über die Wichtigkeit der Bodenfrage

Hans Rupp – Geschäftsführer ABZ

Zürich sollte zwar uns allen gehören, findet Hans Rupp, wenn die Lebensqualität in den Quartieren der Stadt stimmen würde, sei es jedoch zweitrangig, wem der Boden gehöre. Am Beispiel «Bullingerplatz» zeigt der Geschäftsführer der Wohnbaugenossenschaft ABZ, wie das geht. Autofrei, mit einem öffentlichen Kaffeelokal und einer Wohnsiedlung mit bezahlbaren Wohnungen. Doch es könne auch anders aussehen: Das Labitzke-Areal an der Hohlstrasse, welches das verdichtete Wohnen salonfähig machen sollte, sei ein Beispiel für die schlechte Nutzung von städtischem Boden, so Rupp: «Die Maximierung der Ausnutzung und somit auch von der Rendite der Inverstor*innen ist sehr problematisch.» Der Bezug zum Quartier hingegen sei völlig verloren gegangen. Rupp kritisiert in seinem Pitch auch die Intransparenz des Zürcher Immobilienmarktes – und hegt lobende Worte für unsere Recherche in diesem Bereich.

Weiter geht Rupp auch auf die Bodenfrage ein. Es sei Fakt, dass der Boden begrenzt ist. Aufgrund der freien Marktwirtschaft sei der Kampf um Bodenbesitz gross und verdichtetes Bauen längst nicht ein Zeichen von Qualität. Umso wichtiger ist es laut Rupp, dass die Stadt den Wohnbaugenossenschaften mehr Einflussmöglichkeiten überlässt, da diese nicht gewinnorientiert bauen, die Gentrifizierung hemmen und die Zivilgesellschaft stärken.

Hier geht's zum Pitch von Hans Rupp.

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4. Jung und wohnungslos – ein Erfahrungsbericht

Jonny Mytreya – Leben ohne festen Wohnsitz

Einer der weiss, wie man in Zürich günstig lebt, ist Jonny Mytreya. Zwei Jahre lebte der heute 26-Jährige ohne festen Wohnsitz in der Limmatstadt. In seinem Pitch erzählt Mytreya offen von seinen Erfahrungen. Angefangen habe alles im Jahr 2018. Damals wohnte Mytreya in einer WG in der Nähe vom Lochergut. Finanziell wie auch emotional sei die Lage schon länger angespannt gewesen, also zog er aus, und bis vor wenigen Monaten nie wieder ein. Aufgrund von Schuldgefühlen und dem eigenen Stolz verzichtete er auf die Möglichkeit, bei Freund*innen oder Familienangehörigen unterzukommen und war offiziell wohnungslos. Ausschlaggebend sei bei dem gelernten Koch auch der Gedanke gewesen, aus dem System auszusteigen: «Ich wollte nicht einfach mehr Energie in meinen Job investieren, um mehr Geld zu haben.» Also stieg er aus. Aus dem Mieter*innen-Dasein, jedoch nicht aus dem Arbeitsmarkt, wie Mytreya betont: Arbeitslos sei er in dieser Zeit nie gewesen.

Geschlafen habe er in dieser Zeit unter Brücken, auf Dächern oder in leerstehenden Häusern – was nicht immer angenehm gewesen sei, so Mytreya Trotzdem habe die Erfahrung sein Leben enorm bereichert und er beendet seine sieben Minuten Redezeit mit den Worten: «Luxus-Verlust muss nicht negativ sein.»

Hier geht's zum Pitch von Jonny Mytreya.

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5. Wie Spekulationen den Garaus gemacht werden kann

Dr. Ulrich Kriese – Stiftung Edith Maryon

«Wer den Wohnungsmarkt verstehen will, muss die Bodenpreise verstehen», startet Dr. Ulrich Kriese in den fünften Pitch des Abends. Gesagt, getan. Anhand einer Grafik erklärt der Vertreter der Edith Maryon Stiftung aus Basel als erster Schritt die Problematik der Bodenrente. Diese sei ein sogenanntes leistungsloses Einkommen. Heisst: Besitzer*innen von Boden müssen für ihren Lohn nicht arbeiten. Durch tiefe Zinsen würde dieser Effekt gar noch verstärkt werden, da es attraktiv wird, Boden zu kaufen. Die Frage, was dagegen unternommen werden kann, beantwortet Kriese gleich selbst: Stiftungen wie die Edith Maryon Stiftung – gestartet mit viel weniger Kapital als die Zürcher Stiftung PWG – sollen Böden aufkaufen und denen zur Verfügung stellen, die eine soziale Wohnbaupolitik betreiben wollen. Sie würden also das Baurecht abgeben, erklärt Kriese. Ein Vertrag über 80 bis 100 Jahre (!) regle die Konditionen sowie die Ziele der Bodennutzung.

Letzteres sei entscheidend, wenn Spekulationen gestoppt werden sollen, so der Experte. Das Definieren von sozialen, nicht-spekulativen Zielen sei eine wichtige Massnahme gegen astronomische Bodenpreise, überhöhte Mietpreise, und einer Immobilienblase, die zu platzen droht.

Hier geht's zum Pitch von Dr. Ulrich Kriese.

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6. Zürich: Open Data – zumindest in der Theorie

Manuela Paganini – Datenjournalistin Tsüri.ch

Es war eine Premiere, als Manuela Paganini für ihren Pitch die Bühne betrat. Bisher waren die Redner*innen von früheren Veranstaltungen nie aus den eigenen Reihen. Doch in diesem Fall machte es durchaus Sinn, denn Paganini weiss, wem Zürich, oder zumindest wem die Langstrasse, gehört. Die Datenjournalistin beginnt ihren Vortrag mit der Aussage, dass jede fünfte Anfrage beim Statistischen Amt des Kantons Zürich die Bodenpreise oder das Bodeneigentum betrifft. Das Thema bewege die Menschen, so Paganini. Denn: «Wem Boden gehört, der kann auch entscheiden, was damit gemacht wird und wie sich die Stadt entwickelt.» Zürich sei weit fortgeschritten was Open Data betreffe – ganz so einfach an die Namen der Eigentümer*innen zu gelangen, sei es aber nicht. 40 Grundbuchämter gibt es in Kanton Zürich, kaum welche sind digitalisiert.

Die Daten des ganzen Kantons auszuwerten, hätte den Rahmen der Möglichkeiten gesprengt, aber eine Strasse in Zürich bot sich aufgrund ihrer Prominenz und ihrer massiven Aufwertung für eine Analyse an: Die Langstrasse.

Hier geht's zum Pitch von Manuela Paganini.

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7. Verdichtet bauen, aber richtig

Rolf Geiger – Wir sind Stadtgarten

Last but not least zeigte Rolf Geiger von der gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» seine Perspektiven zum Thema Wohnen auf. Eine Statistik zeigt: Die Angebotsmieten in Zürich sind in den letzten 20 Jahren um einen Drittel gestiegen. Gleichzeitig hätten sich die Löhne aber nur um 13 Prozent erhöht, so Geiger. Es sei also eine Schere entstanden, die es zu schliessen gelte. Doch der Markt alleine würde dies nicht richten. Viel mehr brauche es gesetzliche Vorgaben, die von Bauunternehmen auch umgesetzt werden würden. Dazu gehöre beispielsweise das echte Verdichten, bei welchem die Lebensqualität nicht verloren geht. Dass das Thema auf der politischen Agenda seinen Platz gefunden hätte, sei wichtig, findet Geiger.

Weiter klärt er auf, wie Bauen und Wohnen in Zukunft aussehen könnte. Ein Grossprojekt in Bern, dass durch die Genossenschaft Halter realisiert wird, zeigt eine grosse Begegnungszone mit Gemeinschaftsräumen, die auch durch die zukünftigen Bewohner*innen mitgestaltet werden konnten. Unter den Kriterien der Stadt Bern sei unter anderem eine kostengünstige Wohnmöglichkeit und eine soziokulturelle Durchmischung der Bewohner*innen gewesen. Eine echte Verdichtung sei wichtig und möglich – gerade in einer urbanen Umgebung.

Hier geht's zum Pitch von Rolf Geiger.

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Fokusmonat «Wohnen» 2020
Dieser Artikel ist im Rahmen unseres Fokusmonats «Wohnen» entstanden. Neben dem hier veröffentlichten Bericht, sammeln wir mit einem Crowdfunding momentan Geld, um herauszufinden wem Zürich gehört. Zudem organisieren wir auch dieses Mal eine Pitch-Night, Podien und machen mit einer Stadtforscherin einen Spaziergang durch die Weststrasse.

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