5 Jahre Human Rights Film Festival: Interview mit der Direktorin Sascha Lara Bleuler - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Florentina Walser

Redaktorin

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4. Dezember 2019 um 05:00

5 Jahre Human Rights Film Festival: Interview mit der Direktorin Sascha Lara Bleuler

Dieses Jahr wird nicht nur Tsüri.ch 5 Jahre alt, sondern auch das Human Rights Film Festival. Zum Jubiläum dieses inzwischen wichtigen Teils der Zürcher Kulturszene gratulieren wir ganz herzlich! Unsere Redaktorin Florentina hat dazu die Direktorin des Festivals Sascha Lara Bleuler zum Interview getroffen.

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Florentina Walser: Dieses Jahr feiern wir 5 Jahre Human Rights Film Festival (HRFF) – du bist als Direktorin Hauptverantwortliche für die Filmauswahl. Wie gehst du dabei vor?

Sascha Lara Bleuler: Ausgangspunkt für die Filmauswahl ist immer, dass ich einfach die besten Filme zu Menschenrechtsthemen zeigen möchte. Anhand dessen suche ich ich an anderen Filmfestivals spezifisch nach Filmen – ob wir diese dann kriegen, ist letztlich auch Verhandlungssache.

Du gehst also nicht bereits mit einem bestimmten Themenfokus im Kopf an die Filmfestivals, um Filme fürs HRFF auszusuchen?

Nein, der thematische Überbau sind die Menschenrechte, das ist bereits Einschränkung genug. Die Schwerpunkte sind nicht im vornherein geplant sondern ergeben sich jeweils von selbst. Dieses Jahr ist es so, dass es einige Filme zu Kinderrechten im Programm hat, was insofern gut passt, denn wir feiern 30 Jahre UNO-Kinderrechtskonvention.

Nach welchen Kriterien – abgesehen von den Menschenrechtsthemen – wählst du deine Filme aus?

Ich versuche, Filme aus unterschiedlichen Ländern auszuwählen und achte dabei bewusst darauf, dass auch Filme aus Europa dabei sind. Bei einem Human Rights Film Festival besteht oft die Annahme, dass es immer um ferne afrikanische oder nahöstliche Länder und deren Probleme geht, die auch als Konfliktländer in den Medien präsent sind.

Es ist wichtig zu wissen, dass Menschenrechte auch in Europa ein Thema sind – wie zum Beispiel die sozialen Missstände in den französischen Banlieues, wie sie im Film Les Misérables gezeigt werden. Bei westlichen, vordergründig demokratischen Ländern kommt man bloss nicht so einfach darauf. Insofern ist es mir ein grosses Anliegen, die Leute daran heranzuführen und ihnen nicht nur das Naheliegendste zu präsentieren.

Es mag dramatisch klingen, aber was wird man den Folgegenerationen sagen, was wir in dieser Zeit getan oder eben nicht getan haben?

Sascha Lara Bleuler über die Flüchtlingskrise

Viele Filme thematisieren Situationen in anderen Ländern. Wie steht es um die Menschenrechte in der Schweiz? Werden hierzulande keine Filme dazu gedreht?

Die Verbindung zur Schweiz resp. Schweizer Konzernen und ihrer Verantwortung besteht bei vielen Filmen, auch wenn sie nicht in der Schweiz gedreht wurden.

Oder wir zeigen Filme wie «Volunteer», wo es um Schweizer Freiwillige geht, die in Griechischen Flüchtlingscamps arbeiten. Dort geht es nicht direkt, aber indirekt um ein Schweizer Problem. Denn die grosse Frage, ob man Solidarität oder Fluchthilfe bestrafen darf, stellt sich immer wieder – und ist auch eine Frage, die Schweizer*innen umtreibt.

Es gibt immer wieder Fälle, in denen Leute vor Gericht kommen und bestraft werden – so wie Carola Rackete zum Beispiel. Das Problem, wer die Verantwortung oder Schuld tragen soll, ist ungelöst – sowohl in der EU, als auch bei uns in der Schweiz.

Es mag dramatisch klingen, aber «Volunteer» stellt im Prinzip allen Schweizer*innen die Frage: Was wird man den Folgegenerationen sagen, was wir in dieser Zeit getan oder eben nicht getan haben?

Aufklärung ist zwar ein erster Schritt, verändert aber noch nichts. Wie kann man das Thema Menschenrechte nach dem HRFF in den Alltag mitnehmen?

Ich habe den Eindruck, dass die Filme einen ermuntern, im eigenen Umfeld offener und toleranter zu sein und am Bewusstsein dafür zu arbeiten, dass Menschen extrem unterschiedlich sind, verschiedene Probleme und komplexe Geschichten haben. In der Schweiz beispielsweise ist es nach wie vor so, dass wir Geflüchtete oder Asylsuchende kaum mitbekommen und sie auch bewusst von uns abgeschottet werden.

Meiner Meinung nach lassen einen die Filme und Panels am HRFF immer politisch und aktivistisch denken und vielleicht auch handeln.

Belastet es dich nicht, so viele Filme zu über Ungerechtigkeiten und unrechtmässige Dinge zu sehen, die auf dieser Welt passieren?

Es kann schon traurig und deprimierend sein, wenn ich gewisse Filme schaue. Trotzdem zeigen wir auch viele Filme, die von starken, lebensbejahenden Figuren erzählen, die auch unter den schlimmsten Umständen nicht aufgeben.

Bist du manchmal auch wütend?

Ja, ich bin auch wütend und frustriert zu sehen, wie viel sich nicht oder nur sehr langsam verändert. Der Bürgerkrieg in Syrien hält noch immer an, aus Israel und Palästina haben wir jedes Jahr einen Film im Programm – einfach, weil die Konflikte dort nicht aufhören!

Hast du einen persönlichen Film-Favoriten, den du der Tsüri.ch-Community empfehlen möchtest?

Dieses Jahr ist es Midnight Traveler, den wir am 10. Dezember, dem Tag für Menschenrechte, zeigen. In diesem Film geht es um die Familie eines afghanischen Filmemacherpaars, die flüchten muss, weil der Vater einen kritischen Film über einen Talibankommandanten gedreht hatte. Sie sind mit ihren zwei Töchtern auf der Flucht und filmen die ganze Reise mit ihren Handys. Es ist eine Langzeitdokumentation über ihre Odyssee bis nach Deutschland. Obwohl der Film viele harte Situationen und die widrigen Umstände zeigt, in denen sie leben, hat er auch lustige Momente und die Protagonist*innen einen zynischen Humor. Für mich ist Midnight Traveler ein Meisterwerk unter all den Filmen zu Flucht und Migration, die ich gesehen habe, das einen nicht hoffnungslos zurücklässt.

Besonders ans Herz legen kann ich der Tsüri.ch-Community auch die Performance der preisgekrönten Slam-Poetin Fatima Moumouni, die am Samstag 7.12. um 22 Uhr auftritt!

Das Human Rights Film Festival dauert vom 5. bis 10. Dezember und findet im Kosmos statt.

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