5 Fagen an Beteiligte: Wie ist es, ein Haus zu bauen? - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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30. März 2019 um 05:00

Aktualisiert 26.01.2022

5 Fagen an Beteiligte: Wie ist es, ein Haus zu bauen?

Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man am Bau eines Hauses beteiligt war? Stolz, wütend, gleichgültig? Wir haben drei Beteiligte gefragt.

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Marcel, Bauleiter

1. An der Entstehung eines Gebäudes arbeiten viele Parteien mit. Was ist der Part der Bauleitung?

Im klassischen Baumanagement schaut man, dass aus Plänen in 2D Gebäude in 3D entstehen. Unsere Aufgabe ist die Koordination und Kommunikation mit den Handwerker*innen, die Kontrolle der Bauarbeiten mit den Plänen, die Abstimmung von Terminen aufeinander und stets die Übersicht über die Kosten- und Rentabilitätsseite zu behalten. Ein ebenfalls wichtiger Aspekt ist die Sicherheit auf der Baustelle: Es liegt in der Verantwortung der Bauleitung, allenfalls den Bau zu stoppen, wenn Dinge schieflaufen und Sicherungsmassnahmen der Unternehmer*innen fehlen. Geschieht beispielsweise ein Unfall auf dem eigenen Bau, ist die Bauleitung mit in der Verantwortung.

2. Wie gross ist der Aufwand für eine*n Bauleiter*in bei einem Projekt?

In der Planungsphase eher gering. Die Kostenschätzung in der ersten Phase dauert je nach Projektgösse und Umfang ein bis zwei Wochen und der definitive Kostenvoranschlag in der nächsten Phase zwei bis vier. Danach wartet man, bis das Projekt durch den*die Bauherr*in genehmigt wird. Das Einholen der Offerten und Vergeben der einzelnen Arbeiten an Handwerker*innen danach nimmt zwei bis vier Monate in Anspruch. Für den eigentlichen Bau selbst benötigt man bei einem Einfamilienhaus acht bis zehn und bei einem Schulhaus ungefähr 14 bis 16 Monate – dies hängt von der Grösse des Projektes ab. Als Bauleiter*in ist man dabei nicht jeden Tag auf dem Bau: In der Phase des Rohbaus vielleicht zwei bis drei Mal pro Woche und erst gegen Ende täglich.

3. Gehst du manchmal an Gebäuden vorbei, an deren Entstehung du beteiligt warst und wenn ja, was denkt man dabei?

Man ist wahrscheinlich ähnlich stolz wie der*die Architekt*in. Nach dem Bau eines Gebäudes ist der Job für die Bauleitung ohnehin noch nicht zu Ende: Spätestens nach zwei Jahren, wenn die Garantiezeit abläuft, ist man wieder vor Ort, um allfällige Garantiemängel zu beheben. Das ist eine sehr wichtige Phase. Ansonsten ist es auch interessant zu beobachten, wie der Alterungsprozess verläuft.

4. Gibt es ein Gebäude an dessen Entstehung du besonders gerne beteiligt warst?

Das sind vor allem die ersten eigenen Projekte, bei welchen man die Bauleitung übernimmt. Zurzeit ist es auch das denkmalgeschützte Amtshaus am Helvetiaplatz, welches wir zwischen 2016 und 2018 ausgehöhlt und wieder neu ausgebaut haben.

5. Weshalb fällt die Wahl auf dieses Gebäude?

Wir waren früh dabei in der Projektphase, zudem war die Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich als Bauherrin sehr interessant. Man musste viel Überzeugungsarbeit leisten, sei es in der Projektentwicklung, bei den Kosten, der terminlichen Planung, bei der Denkmalpflege oder anderen Ämtern. Dabei steht lösungsorientiertes Arbeiten an oberster Stelle. Nicht zuletzt ist der Helvetiaplatz ein heisser politischer Ort, an dem man beispielsweise am 1. Mai mit Gesellschaftsproblemen konfrontiert wird, mit welchen man im Baugewerbe im Alltag meistens nicht viel zu tun hat.

Adriana, Architektin

1. An der Entstehung eines Gebäudes arbeiten viele Parteien mit. Was ist der Part der Architektin?

Man erstellt sehr viele Pläne. Für die Baueingabe skizziert man das Gebäude in einem grossen Massstab von 1:100. Dann zeichnet man jeweils eigene Pläne für die Bauleitung, den*die Dachdecker*in, den*die Handwerker*in und viele mehr. Diese zeichnen dann wiederum ihre eigenen Pläne und gemeinsam wird verhandelt und optimiert. Am besten ist aber, man überlässt die grosse Übersicht den Architekt*innen. Denn jede*r denkt für sich, wir aber denken für alle.

2. Wie gross ist der Aufwand für eine*n Architekt*in bei so einem Projekt?

Zuerst findet der Wettbewerb für die Projektvergabe statt. Der Aufwand für die Wettbwerbseingabe beträgt für den*die Architekt*in drei bis vier Monate. Dann folgt der Juryentscheid und darauf die Projektierung, welche ein Jahr dauert. Es gibt ein Vorprojekt, eine Kostenschätzung und dann einen Kostenvoranschlag. Nach Genehmigung durch den*die Bauherr*in wird das Projekt bei der zuständigen Gemeinde als Baugesuch eingegeben. Das dauert zwischen drei und fünf Monate. In einer vierten Phase wird das Projekt aufgrund von Ausschreibungsplänen, die wir zuerst erstellen, durch die Bauleitung ausgeschrieben. Das dauert ungefähr ein Jahr. Und dann wird gebaut, circa zwei Jahre lang. Als Architekt*in ist man an dutzenden Baustellenbesprechungen dabei und öfters auf der Baustelle. Alles in allem dauert ein Projekt von Anfang bis Ende ungefähr drei bis fünf Jahre.

3. Gehst du manchmal an Gebäuden vorbei, an deren Entstehung du beteiligt warst und wenn ja, was denkst du dabei?

Die meisten Architekt*innen bauen nicht nur in der eigenen Stadt. Eins unserer letzten Projekte war in einer kleinen Gemeinde in einem anderen Kanton. Während des Baus bin ich jede Woche dorthin gefahren, aber nach Abschluss war ich nie mehr dort. Einem neuen Mitarbeiter haben wir aber mal einen Balkon gezeigt, den wir vor 20 Jahren geplant hatten, weil er gleich um die Ecke lag. Da haben wir uns schon gefreut, dass der immer noch steht und in Schuss ist.

4. Gibt es ein Gebäude an dessen Entstehung du besonders gerne beteiligt warst?

Bauen ist eine sehr träge Sache. Im Durchschnitt kann ein*e Architekt*in in einer Laufbahn vielleicht ein Dutzend Gebäude verwirklichen. Dementsprechend ist die Auswahlmöglichkeit meistens nicht sehr gross. Bei mir ist es oft das letzte Projekt. Zurzeit ist es das Schulhaus Riesbach, welches im Herbst 2018 fertiggestellt wurde und bei welchem wir die Projektleitung übernommen haben.

5. Weshalb dieses Gebäude?

Es war eine ideale Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Es gab zwar viele Herausforderungen, weil das Schulhaus in einem Garten gebaut werden sollte und dafür viele Ämter konsultiert werden mussten. Wir mussten einige Vorgaben erfüllen, aber das Vertrauen in uns war da und wir konnten schlussendlich unsere Grundidee bis zum Ende erhalten: Das Familiäre des Gartens sollte sich auch im Schulhaus widerspiegeln – und das ging uns im Prozess nicht verloren.

Daniel, Bauleiter

1. An der Entstehung eines Gebäudes arbeiten viele Parteien mit. Was ist der Part der Bauleitung?

Das Baumanagement plant die Kostenermittlung und macht eine Grobkostenschätzung. Danach unterbreitet sie dem*r Bauherr*in einen Kostenvoranschlag, welcher absolut verbindlich ist, mit einer Genauigkeit von plusminus zehn Prozent. Die Kosten ermittelt man aufgrund von Erfahrungszahlen und Richtwerten. Danach schreibt man das Projekt für die Handwerker*innen aus.

2. Wie gross ist der Aufwand für eine*n Bauleiter*in bei so einem Projekt?

Je höher die Bausumme, desto geringer der Aufwand im Verhältnis. Das ist so, weil gewisse Prozesse immer gleich sind und gemacht werden müssen, unabhängig von der Grösse eines Projekts. Kosten und Zeit variieren stark. Im Rahmen eines unserer Projekte haben wir beispielsweise die Bauleitung für drei Einfamilienhäuser im höheren Preissegment übernommen. Die Kosten belaufen sich da auf 7.5 Millionen Franken, bei einem zeitlichen Aufwand von 2'947 Stunden. Die Kosten des Baumanagements machen dabei ungefähr fünf bis sechs Prozent der Gesamtkosten aus.

3. Gehst du manchmal an Gebäuden vorbei, an deren Entstehung du beteiligt warst und wenn ja, was denkt man dabei?

Baumanagement ist grundsätzlich reine Organisationsdienstleistung. Man baut immer für andere. Ich habe trotzdem total Freude, wenn ich an Gebäuden vorbeikomme bei denen ich meine Finger im Spiel hatte. Mir gefallen die Projekte am meisten, deren Herausforderungen unlösbar schienen. Als Beispiel sei hier das Projekt «Chemicalmoonbaby» genannt, welches im Seefeld liegt und auf Knopfdruck aufklappbare Balkone besitzt.

4. Gibt es ein Gebäude an dessen Entstehung du besonders gerne beteiligt warst?

Am Neubau des Logistikzentrums von Haushaltsgeräte-Hersteller «V-Zug». Das Gebäude ist wahnsinnig schön, es wurde nachhaltig gebaut und kann sich fast unabhängig versorgen – zumindest hat es eine eigenständige Stromversorgung. Damit hatten wir zwar viel Ärger, aber nun habe ich umso mehr Freude daran. Es ist allgemein immer eine spannende Herausforderung, wenn man bauen muss, während der Betrieb nebenan weiterlaufen soll – so, wie es auch hier der Fall war.

5. Weshalb fällt die Wahl auf dieses Gebäude?

Die Architektur des Gebäudes gefällt mir sehr. Wir bauen ja alles, auch 08/15-Gebäude. Aber dieses Logistikzentrum war eine echte Herausforderung, besonders weil es ein Industriebau war. In diesem Bereich gibt es keine Routine, alles muss frisch aufgegleist werden. Man lernt sehr viel dazu, sieht in andere Arbeitsbereiche hinein, hier beispielsweise in die Betriebslogistik eines Haushaltsgeräte-Herstellers.

Titelbild: Marco Büsch

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