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Von Lea Bloch

Journalistin

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18. Februar 2020 um 14:00

3 feministische Kollektive antworten: Wie feministisch soll man(n) sein?

Spätestens mit dem Frauenstreik vom Juni 2019 ist der Feminismus in Zürich wieder erstarkt. Dies zeigen die drei feministischen Zürcher Kollektive «F96», das feministische Streikkollektiv im feministischen Streikhaus und «Die Feministen». Sie unterscheiden sich zwar grundlegend, stehen am Ende jedoch alle für dasselbe ein.

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Das Streikhaus am Sihlquai. Bild: Facebook

Unsere Autorin Lea Bloch ist Mitglied des «F96» Frauen* Kollektivs. Sie wollte von ihren Mitstreiter*innen – in diesem Fall den Mitgliedern und Verantwortlichen des feministischen Streikkollektivs im feministischen Streikhaus, den «Feministen» sowie von «F96» – wissen, wie feministisch die drei Kollektive sind und was Feminismus konkret für sie bedeutet. Auch wollte sie Antwort auf die Fragen, wer sich als Feminist*in bezeichnen sollte, in wessen Verantwortung es liegt, für die Gleichberechtigung zu kämpfen, inwiefern ihre Grundsätze überein stimmen und worin sich die Standpunkte dieser Kollektive unterscheiden.

Das Streikkollektiv

2018, ein Jahr vor dem feministischen Streik, startete die feministische Streikbewegung und das Frauen*streik Kollektiv entstand für die Planung des ersten grossen Streiks seit 1991. Ein Jahr nach dem erfolgreichen feministischen Streik ergatterte ebendiese Gruppierung nach einem langen Bewerbungsprozess ein leerstehendes Haus am Sihlquai: Das feministische Streikhaus.

Natascha (21) zählt zu jenen, die sich im feministischen Streikhaus – das eng mit dem Frauenstreikkollektiv kollaboriert und gemeinsame Ziele verfolgt – und auch in der feministischen Bewegung seit Beginn engagieren. Laut Natascha sind Geschlechterrollen irrelevant, dies sollte zumindest das Fernziel sein. Dies gehe auch mit der Sprache einher, daher verwendet Natascha meistens den Begriff FTIQ*, wenn von der feministischen Bewegung gesprochen wird. Dazu zählen Frauen*, Trans, Inter und genderqueere Menschen.

Das Ziel ist eine Umgestaltung der gesamten Gesellschaft in Richtung Gleichberechtigung.

Natascha, Streikkollektiv

Das Streikhaus soll als feministisches Quartierhaus dienen, als Vernetzungsort. Die Ideen und Ziele des Kollektivs sind für Natascha klar. Doch die Aussagen Nataschas würden nicht für das gesamte Kollektiv gelten. Jede*r könne nur für sich sprechen: «Es geht um Feminismus und dessen Verbreitung in der Gesellschaft.» Dabei seien die Selbstorganisierung und die Selbstbestimmung von FTIQ* Menschen zentral: «Das Ziel ist dabei eine Umgestaltung der gesamten Gesellschaft in Richtung Gleichberechtigung. Das bedeutet gleiche Chancen für alle Geschlechter oder dass Geschlechter letztlich irrelevant werden.»

Für Natascha steht Feminismus jedoch nicht nur im Zusammenhang mit der Geschlechterfrage. «Ebenso Teil des Feminismus ist die antikapitalistische Haltung, die ökologische und antirassistische Einstellung. Das sind alles Kämpfe, die ich vereinen möchte.»

Es fehlt nicht an den Skills, sondern am Mut, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Lena, Co-Präsidentin von «F96»

«F96» Frauen* Kollektiv

Im gleichen Sommer, in dem das feministische Streikhaus entstanden ist, wurde auch das «F96» Frauen* Kollektiv gegründet, das mittlerweile über 200 Mitglieder* zählt. Wie die Co-Präsidentin Lena erzählt, setzt sich das Kollektiv dafür ein, dass Frauen* sich austauschen, unterstützen und sich somit trauen sollen, Dinge in Angriff zu nehmen. «Es fehlt nicht an den Skills, sondern am Mut, damit an die Öffentlichkeit zu gehen», so die 22-Jährige.

Dies beziehe sich in diesem Kontext hauptsächlich auf den kulturellen Bereich. Der Name «F96» stehe mit dem Jahr 1996 in Verbindung, als das Gleichstellungsgesetz in der Schweiz in Kraft getreten ist. F stehe zum Beispiel für Feminismus und female. Auch Lena hält wie bereits Natascha fest, dass sie – sobald es um das Ziel des Kollektivs geht – nur für sich selber und nicht für die anderen Aussagen machen könne. Sie betont, dass das Ziel des Kollektivs noch nicht abschliessend definiert ist, aber dass es grundsätzlich darum geht, «selbstorganisiert ein Netzwerk aufzubauen und gemeinsam eine Plattform der kollektiven Arbeit und Unterstützung zu schaffen».

Dabei zentral sei der Begriff des «Skillsharings», um im Rahmen dessen voneinander zu lernen, zu experimentieren und auszuprobieren. Dies soll in einem geschützten Rahmen stattfinden, aber auch den Mut verleihen, an die Öffentlichkeit zu treten. Inhaltlich sei das Ganze sehr frei. Lena: «Momentan geht es vor allem um die Organisation von Veranstaltungen wie Talks, Workshops, Partys etc. Wobei man mit diversen Leuten zusammenarbeitet und ein Netz aufbaut.»

Auf die Frage, ob «F96» ein feministisches Kollektiv sei, zögert Lena kurz. Es sei nicht das Ziel, eine klar definierte Form von Feminismus zu finden, «F96» erlaube und fördere eine Pluralität. Sie selbst sehe das junge Kollektiv zum jetzigen Zeitpunkt noch eher als eine Plattform, um Fragen zu stellen und zu diskutieren, als dass bereits konkrete Statements abgegeben werden könnten.

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Im Vergleich zu F96 und dem feministischen Streikkollektiv agieren „Die Feministen“ nicht nur regional, sondern national. Bild: Facebook

«Die Feministen»

Sasha (24) agiert als Vize-Präsident des Vereins «Die Feministen». Die Idee dazu entstand im Sommer 2018 mit dem Ziel, den Sexismus in den Kommentarspalten auf Online-Portalen zu bekämpfen. Um dies zu erreichen sei es laut den Initianten effektiver, wenn Männer bei sexistischen Hasskommentaren aktiv werden. Daraufhin gründeten Sasha und seine Mitstreiter quasi über Nacht einen Verein, der auch andere Männer für gleichstellungs- und feministische Themen und Aktivitäten mobilisieren soll. Im Vergleich zu F96 und dem feministischen Streikkollektiv agieren «Die Feministen» nicht nur regional, sondern national.

Sie haben sich zum Ziel gesetzt, auch an Menschen zu gelangen, die sich von der Genderfrage weniger betroffen fühlen. Zugleich soll ihre Bewegung aber auch für Menschen nachvollziehbar sein, die sich schon lange mit feministischen Themen auseinandersetzen.

Weil sie von Beginn weg mit Kritik aus linken feministischen Kreisen rechneten, positionierten sich die Anhänger der Gruppe ganz klar als Ergänzung zur feministischen Bewegung. Männer* sollten genauso ihren Beitrag zur Gleichstellung leisten.

Viele meinen jedoch, dass es dabei um den reinen Kampf von der Frau* für die Frau* geht. Gleichstellung betrifft aber alle.

Sasha, Vize-Präsident von «Die Feministen»

Wer darf sich als Feminist*in bezeichnen?

Auf die Frage, wer sich als Feminist*in bezeichnen darf und wer nicht, sind sich die Kollektive nicht einig. Sasha von «Die Feministen» meint dazu etwa: «Feminismus bedeutet der allgemeine Kampf für Geschlechtergleichstellung. Viele meinen jedoch, dass es dabei um den reinen Kampf von der Frau* für die Frau* geht. Gleichstellung betrifft aber beide.»

Auch die Männer* würden teilweise unter dem Patriarchat leiden, zum Beispiel dann, wenn sie das Gefühl haben, sie müssen Stärke zeigen. Feminismus hinterfrage immer Privilegien und wolle dafür sorgen, dass alle die gleichen Rechte haben. «Die Feministen» versuchen auch dabei zu helfen, das Wort Feminismus von der negativen Konnotation, die sie in gewissen Kreisen hat, zu entstauben.

Natascha ist davon überzeugt, dass sich alle für den Feminismus einsetzen dürfen. Doch die Kämpfe sollten von den Unterdrückten, Diskriminierten geführt werden. Das Mitglied des Frauen*streik Kollektivs sieht die Rolle von Cis-Männern daher in Unterstützungsgruppen, wie es sie auch bereits gegeben hat, beispielsweise damals am Frauenstreiktag. Doch wenn Cis-Männer (Männer, die sich mit demselben Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) ihre Meinung zu Feminismus äussern würden, bedeutet dies für Natascha noch lange kein Feminismus. Dann sei die Grundidee der Selbstorganisierung von FTIQ* Menschen missverstanden worden, auch wenn es zentral sei, dass sich Cis-Männer mit toxischer Maskulinität auseinandersetzen würden.

Das feministische Streikhaus sei sich in dieser Frage einig: Grundsätzlich sei das Haus lediglich für FTIQ* Menschen offen. Ausser an jeweils einem Tag in der Woche sowie einmal im Monat währends eines Events – dann seien die Räumlichkeiten für alle geöffnet.

Der Ursprungsgedanke war, Frauen* in wichtigen organisatorischen Belangen im kulturellen Bereich zu unterstützen.

Lena, Co-Präsidentin von «F96»

Zum F96 Kollektiv zählen lediglich Frauen*. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob das Kollektiv für alle geöffnet werden soll. Für Lena ist klar: «Das Kernteam besteht aus Frauen*, denn das war auch der Ursprungsgedanke: Frauen* in wichtigen organisatorischen Belangen im kulturellen Bereich zu unterstützen.» Lenas persönliche Meinung bringt zum Ausdruck, dass die Frage der Gleichberechtigung nicht nur eine Frage der Frauen*, sondern eine Zusammenarbeit ist. Gleichberechtigung bedeutet für sie, einen Machtausgleich zu schaffen, was gemeinschaftlich erreicht werden müsse.

Wichtig sei es demnach, dass Plattformen geschaffen werden, um sich darüber auszutauschen. F96 sei «ein vielstimmiges Kollektiv», weshalb Lena kein abschliessendes Statement im Namen des Kollektivs geben kann. Solche Themen seien aber durchaus zentral und nähmen einen wichtigen Platz in Diskussionen innerhalb des Kollektivs ein.

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