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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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22. Januar 2015 um 15:38

«Unser Projekt ist eine Art menschlicher Kommunikations- Porno»

Zürcher Künstler wollen uns von Smartphones weghaben.



Tsüri: Das neue Projekt von Decocoon heisst «HEY!» und hat irgendetwas mit Smartphones zu tun. Worum geht es genau? Alberto Ruano: Wir wollen die Zürcher darauf aufmerksam machen, was sie verpassen, wenn sie in ihr Smartphone vertieft sind. Mit dem Smartphone kommunizieren sie zwar, das Bedürfnis nach Kontakt ist also da. Schöner wäre aber der persönliche Kontakt.

Ihr wollt, dass die scheuen Zürcher im Tram mit fremden Menschen zu sprechen beginnen? Ja. Wir kommunizieren über das Smartphone, weil wir Angst vor fremden Menschen haben. Wir haben Angst, uns zu entblössen. Nun wollen wir zeigen, was man dabei verpasst.

Wie geht ihr das an? Wir fordern die Zürcher auf, uns ihre Gedanken mitzuteilen. Diese Botschaften lassen wir von Schauspielern übermitteln. Wie das genau aussieht, wissen wir erst, wenn wir die Nachrichten erhalten haben. Es gibt sicher nicht einfach ein normales Theater.

Wie kann ich meine Nachricht übermitteln? Analog oder per Smartphone? Das ist für das Projekt nicht relevant. Es geht beides: Per Mail oder per «Sag-Es-Box». Natürlich übermitteln wir die Nachrichten anonym.

Das Projekt soll die Menschen vom Digitalen ins Analoge holen. Werden die sozialen Medien unserem Mitteilungsbedürfnis gerecht? Unser Projekt soll nicht als Kritik an den sozialen Medien verstanden werden. Sie regen die Kommunikation an und es tut den Menschen gut, wenn sie miteinander reden.

Was ist besser an der direkten Kommunikation? Die digitale Kommunikation ist nur ein Zwischenschritt. Es zeigt, dass Kommunikation erwünscht ist. Die Menschen wollen im Gespräch sein. Sie wollen sich austauschen, sie wollen Nähe. Das ist toll. Aber die persönliche Kommunikation ist 10-mal besser.
«Wenn man einen Porno schaut, kriegt man Lust auf Sex»
Warum? Wenn du den Menschen vor dir hast, werden viel mehr Sinne angesprochen, du bekommst also viel mehr von ihm mit. Diese Form der Kommunikation ist viel genauer und auch kompletter. Leder schränkt uns unsere kulturelle Angst ein. Wir glauben, dass wir uns nicht ausdrücken und nicht auffallen dürfen.

Wie willst du den Zürchern diese Angst nehmen? Wenn man einen Porno schaut, kriegt man Lust auf Sex. Unser Projekt ist eine Art menschlicher Kommunikations-Porno. Wir regen die Menschen an, schaffen eine Anziehung, die hoffentlich stärker wird als die Angst. Dadurch soll mehr persönliche Kommunikation entstehen.

War der Appetit auf persönliche Kommunikation früher stärker? Hm, das glaube ich nicht. Seitdem es den Menschen hier so gut geht, dass sie einander nicht mehr fürs Überleben brauchen, war es wahrscheinlich eher noch schlimmer. Heute bietet das Smartphone den Menschen ein Ventil: Sie können kommunizieren, wann sie Lust haben.

Die «Sag-Es-Uns-Box» findest du hier.

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