Selbstversorger - Eine Kommune am Stadtrand kämpft ums Überleben - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Conradin Zellweger

Redaktor

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23. September 2015 um 11:12

Selbstversorger - Eine Kommune am Stadtrand kämpft ums Überleben



Was macht man mit einem knorrigen, 450-jährigen Bauernhaus, das unter Heimatschutz steht? Renovieren und 4-fache Miete verlangen. Was wie ein schlechter Scherz klingt, plant die Stadt am Burenweg 28 in Witikon. Einziges Problem: Im Haus wohnt eine Gruppe Selbstversorger und die haben einen anderen Plan.

Ende August überreichten die Selbstversorger vom Burenweg dem Stadtrat Daniel Leupi einen Korb voll Gemüse und Unterschriften. Über 1000 Leute haben die Petition für den Erhalt der Selbsversorger-Kommune unterschrieben. Wie kommt es, dass eine solch kleine Kommune so viel Unterstützung bekommt? Das wollt ich wissen, also los an den Burenweg. Der liegt keine zehn Gehminuten von der 11er-Station Balgrist entfernt.

Es ist Donnerstagabend im September, der Herbst zeigt sich von der kalten Seite. Philipp Amstutz (28) trägt einen dicken, grobmaschigen Pullover, trägt Bart und langes Haar. Er ist gelernter Gärtner und treibende Kraft im Garten vom Burenweg. Für Geld arbeiten, kann er neben seiner Arbeit hier auf dem Hof nicht mehr viel. Ein, zwei Tage die Woche ist er noch als angestellter Gärtner tätig, den Grossteil seiner Zeit investiert er in den Burenweg. «Wenn du Vollzeit arbeitest, dann kannst du nur aus den bestehenden Jobmöglichkeiten auswählen. Aber dann du hast keine Zeit mehr, die Welt zu verändern» sagt Philipp.

philipp_amstutz

Ernten und Containern

Wir schlendern durch den «Quartiergarten», wie ihn die Selbstversorger nennen. Im Tomatenhaus wachsen grüne, violette, rosa Tomaten sowie Peperoni, Auberginen und Gurken. Auf dem Feld wächst neben Gemüse auch Quinoa und Amarant. Ein Garten, der allen Leuten offen steht. Zwei Mal die Woche kommen Bewohner aus der Umgebung und helfen mit. Der Garten vom Burenweg sei zu einem Quartiertreff geworden, erzählt Philipp. Wenn gerade etwas reif ist, dann hat es manchmal fast zu viel Essen im Burenweg. Dann geben die Selbstversorger Teile ihrer Ernte ab. Aber es reicht nicht das ganze Jahr, um von der eigenen Ernte satt zu werden. Viele Läden geben ihnen die abgelaufenen aber noch geniessbaren Produkte. Hin und wieder fischen die Selbstversorger auch weggeworfenes Essen aus Mülltonnen. Das sei ein guter Weg, um gleich noch etwas gegen Foodwaste zu machen, bemerkt Philipp.

Nachbarschaft auf Besuch

In der Küche wird heute im grossen Stil gekocht. Jeden Donnerstag machen die Selbstversorger einen veganen Znacht für alle Interessenten und Nachbarn – Küche für alle, kurz Küfa heisst das wöchentliche Treffen und Nachtessen. Heute gibt es Randensalat, Auberginenmousse, Reis und Salat. Ein älteres Ehepaar hat eine Flasche Wein zum Znacht mitgebracht. Bernhard Nievergelt (80) ist ehemaliger Biologie Professor der Universität Zürich. Er und seine Frau kommen regelmässig an die Küfa. Hier werde ein Gesellschaftsstil vorgelebt, der heute ganz wichtig sei, sagt Bernhard Nievergelt. «Sonst lebt man da in diesem Witikon ganz anonym».

Von einigen Leuten werden die Selbstversorger am Burenweg auch als Hippies beschrieben. Philipp findet das nicht ganz zutreffend. «Unsere Gemeinschaft ist nicht auf ein kurzfristiges Vergnügen ausgelegt.» Das sei bei den Hippies schon anders, meint Philipp.

0° Celsius im Schlafzimmer

Das alte Bauernhaus wirkt von innen ganz schön gemütlich, wenn auch nicht sehr warm. Ich bekomme von den «Kollektivfinken» für die Hausbesichtigung. Es gibt nur zwei Kachelöfen im Haus. «Im Winter wird es in meinem Zimmer null Grad kalt», sagt Philipp. Aber das sei kein Problem für den Selbstversorger: Eine Kappe und genügend warme Kleider würden gegen die Kälte helfen.

Etwas anders sieht das die Stadt. Das Gebäude soll total saniert werden. Da das Haus unter Heimatschutz steht, wird das ganze Unterfangen sehr teuer. Es ist von über zwei Millionen die Rede. Die Äussere Erscheinung darf nicht verändert werden. Nach einer Schätzung eines Burenwegbewohners würde sich die Miete nach dem Umbau vervierfachen. Fällt der Burenweg der Gentrifizierung zu Opfer? Daniel Leupi betont bei der Übergabe der Petition vom Mittwoch, 19. August 2015, dass man dort so günstig wie bisher, nicht mehr leben könne. Die Stadt schliesst aber eine «teilweise Vermietung an eine Gruppe von Personen mit kultureller oder gärtnerischer Ausrichtung nicht aus.» Wie die Stadt auf eine Anfrage von AL-Politkern antwortete. «Der künftige kostendeckende Mietzins lässt sich festlegen, sobald Bauprojekt und Kostenvoranschlag vorliegen», so die Stadt.

Die Petition mit den 1000 Unterschriften zwingt den Stadtrat, die Sache noch einmal anzuschauen. Sonst müssen Philipp und die anderen Selbstversorger den Burenweg vielleicht schon im Sommer 2016 den Bauarbeitern überlassen.

 

Hier geht es zur Webseite vom Burenweg.

Am 11. Oktober feiert der Burenweg ein Erntedankfest.

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