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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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26. Juni 2015 um 06:47

Ist dir diese Woche im Tram etwas Komisches aufgefallen? :)

Kunstinterventionen



Komische Figuren waren diese Woche in den Zürcher Trams und Bussen unterwegs: Eine junge schwarze Frau, die behauptet, vor drei Tagen noch weiss gewesen zu sein und sich nun lauthals am Telefon entschuldigt, dass sie so ihren Mitmenschen Angst einflösst. Oder eine andere Frau, die sich im Bus selber mit Smileys bemalt. Oder eine ältere Frau, die letzte Nacht bei ihrem neuen Lover war und diese Aufregung nun mit allen Fahrgästen teilt.

Insgesamt neun verschiedene Figuren versuchten von Montag bis Freitag undercover die Zürcher Pendler zu irritieren, abzulenken und ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. An den ersten beiden Tagen waren die Interventionen noch schwach und fast nicht als Inszenierung zu erkennen. Im Verlauf der Woche wurden sie immer intensiver und verwirrender. Die Szenen sollen nicht aussehen, als wären sie gestellt – ganz beiläufig sollen die Pendler abgelenkt werden.

«Menschlicher Kommunikationsporno» Die Interventionen sind Teil des Kunstprojekts Hey! der Gruppe Decocoon. Im Januar kündigten die Künstler Alberto Ruano und Magdalena Ostrokolska einen «menschlichen Kommunikationsporno» an, mit welchem sie Zürcherinnen von ihren Smartphones befreien und zu direkter Kommunikation animieren wollten.

[caption id="attachment_2679" align="alignnone" width="640"]Alberto Ruano und die Schauspieler beim Briefing im HB Alberto Ruano und die Schauspieler beim Briefing im HB[/caption]

Tsüri.ch begleitete das ungewöhnliche Theater während der ganzen Woche und filmte einzelne Szenen versteckt mit dem Smartphone. In den Filmchen ist deutlich zu sehen, wie schwierig sich Zürcher tun, wenn sie im ÖV mit aussergewöhnlichen Figuren konfrontiert werden. Dies bestätigt auch Alberto Ruano: «Viele Passagiere hatten Angst, mit den Schauspielern in Kontakt zu treten.» Allerdings sind nicht alle Interventionen des Theaters auf Kommunikation und Interaktion ausgelegt: Wenn eine chinesische Frau ein Rüebli isst und dabei die deutsche Aussprache übt, provoziert oder erfordert das keine Reaktion des Sitznachbars. Schade, finden einige Schauspielerinnen, sie wünschten sich teilweise aktivere Reaktionen der Tram- und Busfahrer.

Pendler werden zu Schauspielern Bei Hey! verschwinden die Barrieren des klassischen Theaters: Das Publikum sitzt nicht im Dunkeln und schaut zu – es ist mittendrin und sich seiner Rolle als Publikum nicht einmal bewusst. Zudem interagieren die Zuschauerinnen mit den Schauspielern – ebenfalls etwas, das im normalen Theater viel zu kurz kommt. Auch für die Schauspieler ist diese Spielanordnung ungewöhnlich: Etwas mulmig ist es ihnen schon, wenn sie das Gefährt betreten und nicht wissen, was sie erwartet. «Was, wenn mich mein Nachbar sieht? Der denkt sicher ich sei gaga, weil er nicht weiss, dass ich am Spielen bin», befürchtet Michèle Hirsig in der Rolle der Chinesin mit dem Rüebli. Auf einer Bühne ist das einfacher, weil die Rollen klar verteilt sind. Als wäre das noch nicht genug an Durcheinander: Durch das versteckte Filmen der Szenen werden die Pendler zu Darstellern, ohne dies zu merken.




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Grosse Fragezeichen ausgelöst Um diese letzte Ebene sichtbar zu machen, waren 18 gut vernetzte Zürcherinnen auf Social Media aktiv: Als Influencer posteten sie die kurzen Videos auf ihren Profilen unter #freakyzüri – ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um ein Kunstprojekt handelt.

Mitinitiant Alberto Ruano ist zufrieden mit dem Projekt. Bis zum Kommunikationsporno zwischen den Fahrgästen sei es noch ein weiter Weg. Das Kunstprojekt habe dennoch einige Fragezeichen auslösen können: «Wir brechen unsere Normalität. Indem die Schauspieler nichts von den Passagieren wollen, sondern einfach da sind und keine Angst haben, sich auszudrücken, gehen sie unserer Kultur diametral entgegen.»

Ob Hey! tatsächlich «etwas angestossen» hat, wie der Künstler überzeugt ist, werden wir sehen. Die Videos in der Playlist beweisen vor allem eins: Die Schauspielerinnen haben tatsächliche einige grosse Fragezeichen bei den Pendlern ausgelöst. Heute Freitag hast du die letzte Möglichkeit, die Schauspieler im Tram und Bus zu sehen. Hier findest du den Routenplan. Viel Spass :)

Liste der beteiligten Schauspieler: Christian Heller, Cory Looser, Julia Sewing, Chantal Huneault, Peter Brundiers, Ana Haugwitz, Claudia Faes, Jeremy (Tien Thang) Chung, Michèle Hirsig, Oyunzol Davgadorj, Senja Santiago, Rahel Keiser, Oriana Schrage, Melinda Bokor, Alina Vimbai, Jennifer David, Eva Panero

Warst du auch mit dem Tram oder Bus unterwegs und hast eine der Szenen miterlebt?

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