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23. Oktober 2015 um 08:49

Züri hat ein neues Netzwerk – es nennt sich «untergrund.»



Vergangen Freitag fand in einem Keller im Niederdorf die erste gemeinsame Veranstaltung des neu gegründeten Netzwerks «untergrund.» statt. Treppentexte, wie die Reihe heisst, eine offene Bühne für alle, die ihre Texte und Gedichte vortragen möchten, gibt es zwar schon länger. Nachdem sie aber letztes Jahr aus der Innenstadt nach Altstetten verlegt wurde und die Teilnehmer immer weniger wurden und schliesslich nach und nach ausblieben, wurde sie eingestellt – zumindest vorübergehend. Das Netzwerk «untergrund.», das sich aus verschiedenen kleineren Gruppen der Zürcher Literaturszene zusammensetzt, hat die Treppentexte nun widerbelebt.

Der kleine Kellerraum an der Krebsgasse ist spartanisch eingerichtet: Auf der einen Seite steht ein Sofa, an einer rudimentären Bar gibt es Bier, Wein und Absinth und anstelle der namensgebenden Treppe muss jetzt eine rotgestrichene Nische in der Wand als Bühne für die Lesenden dienen.

Nach ein paar einleitenden Worten geht es los und der erste Vortragende nimmt in der Nische platz. Eigentlich nur, um das Eis zu brechen, wie er sagt. Wenn gerade niemand liest, läuft Musik und die gut zwei Dutzend Besucher unterhalten sich oder verschwinden nach draussen, um zu rauchen. Wer lesen will, nimmt einfach in der Vertiefung Platz und dreht die Musik leiser. Wer hier untergründigen Aktionismus erwartet hat, wird enttäuscht: Die Atmosphäre ist friedlich, die Stimmung gut, nur nach jedem Text wird lautstark applaudiert. Auch Sprachgrenzen gibt es keine: Vorgetragen wird auf Deutsch, Englisch und sogar Niederländisch.

[caption id="attachment_4256" align="alignleft" width="200"]b8e34122-cd55-48f4-94bd-4f8b061e06ae Das Logo vom «untergrund.»[/caption]

 

Von Fabian Schwitter, der zur Redaktion des Literaturmagazins «delirium» gehört, und Albrecht Füller, einem Mitglied der Gruppe «Konverter», einer offenen Kunstgruppe, möchte ich mehr über «untergrundwissen.

Daniel: Welche Gruppen gehören neben «delirium» und dem «Konverter» noch in den «untergrund.»? Fabian: An der Gründungssitzung waren dabei: Litup, eine Gruppe, die regelmässig salonartige Lese- und Diskussionsrunden veranstaltet; Denkbilder, die Germanistinnen- und Germanistenzeitschrift; Tada-Theater, ein Kleintheater von zwei Frauen, die selber kurze Theaterstücke schreiben und aufführen; Kleb, ein «Einfrau-Nichtsblog»; und die Perspektive, eine zweimonatlich erscheinende Zeitung mit den Schwerpunkten Kunst, Kultur und Politik.

D: Worum geht es dabei? F: Uns war es wichtig, all die unterschiedlichen Gruppen zusammenzubringen. Es sind alles Gruppen, die im weitesten Sinne mit Literatur zu tun haben, aber das Netzwerk ist eigentlich breiter angelegt. Es könnten auch andere Kunstformen mitmachen.

Albrecht: Wir haben gemerkt, dass wir zwar ganz viele kleine Gruppen sind, die von der Stossrichtung und Organisation her eigentlich ähnlich funktionieren – daraus ist die Idee des Netzwerkes entstanden. Wir machen das alle ehrenamtlich nebenher und ohne dafür Geld zu verlangen. Diese Gemeinsamkeit ist auch die Grundlage für unsere Zusammenarbeit.

F: Das zentrale Element ist vor allem ein rund monatlich erscheinender Newsletter im Zusammenhang mit der offenen Bühne «treppentexte», die ja auch früher schon von den drei Gruppen Konverter, Denkbilder und delirium organisiert wurde. Der Newsletter soll einerseits die einzelnen Gruppen darüber informieren, wer was macht, und andererseits auch Aussenstehende auf Veranstaltungen aufmerksam machen. Für diesen Newsletter kann man sich einfach im Internet einschreiben: Es gibt ein Formular auf einer rudimentären Website, da hat im Prinzip jeder Zugang.

D: Wieso ein Newsletter? F: Weil das die einfachste Variante ist, einen Haufen Leute zu erreichen. Es ist mit relativ wenig Aufwand verbunden, man kann alles übers Internet abwickeln, muss nichts drucken und es entstehen praktisch keine Kosten.

D: Und wieso Untergrund? F: Über den Namen gab es eine kontroverse Diskussion. Untergrund vor allem deswegen, weil Gruppen mitmachen, die nicht an etablierten Institutionen angebunden sind. Es ist also all das, was unter der etablierten Öffentlichkeit stattfindet.

A: Ja, darüber gab es viele Diskussionen. Einige fanden, er klinge zu radikal oder komisch. Wir verstehen uns aber auch nicht bloss als eine weitere dieser unsäglichen Nachwuchs-Literaturplattformen. Wir zielen mit dem Namen auf anderes.

F: Das Ganze ist ohnehin ein Experiment und man wird sehen müssen, wohin es sich entwickelt, gerade deswegen, weil die verschiedenen Gruppen sehr heterogen sind und verschiedene Ziele verfolgen. Bei der Gründungssitzung ging es deswegen auch vor allem darum, erst einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, der sich dann im Begriff «Partizipation» auch auf der Website niedergeschlagen hat. Wir betreiben also keine Werbung für irgendjemanden. Wer beim Netzwerk mitmachen will, der muss sich auch in irgendeiner Form einbringen und das ist in den meisten Fällen wahrscheinlich die Mitarbeit an den «treppentexten».

Für den Newsletter von «untergrund.» kannst du dich hier anmelden.

Transparenz: Der Interviewer ist Redaktor beim «delirium»

 

Titelbild: Symbolbild von der Denkbilderlesung; Quelle: Facebook/Denkbilder

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