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Von Dominik Wolfinger

Redaktor

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16. Juni 2017 um 09:59

DJ Bobo lebt! Und ich besuchte seine Show 😳

Über 15 Millionen verkaufte Alben und etliche Auszeichnungen – DJ Bobo gehört zu den erfolgreichsten Musikproduzent*innen der Schweiz und ist eine Ikone im Eurodance. Mit seiner aktuellen Show MYSTORIAL feiert er 25 Jahre DJ-Bobo-sein. Nach all den Jahren füllt er damit spielend das Hallenstadion in Zürich.

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Als eines der glücklichen Kinder, die die blendende Zeit der 90er-Jahre mit all ihren (pop-)kulturellen Errungenschaften miterleben durfte, blieb DJ Bobo für mich stets nur ein Name. Ein Name, den ich wohl schon seit Jahren nicht mehr zu hören bekam. Eine Haltung ihm gegenüber konnte ich noch nie einnehmen und lediglich die Referenzen Pray – das ich allerdings nur aus der wagen Erinnerung an einen Sketch der Bullyparade, in dem DJ Bobo auftrat, kenne – und Chihuahua blieben in meinem in die Jahre gekommenen Gedächtnis. Bei Chihuahua, einem Song den ich noch nie mochte, dachte ich immer an Chiwauwau. Als letztes Fragment meines brüchigen Wissens bleibt noch, dass Bobo auf Japanisch Vagina und in mehreren Sprachen Idiot bedeutet.

Dann aber stiess ich auf seine aktuelle Tour MYSTORIAL, in deren Rahmen er auch im Hallenstadion in Zürich auftreten sollte. Ich wollte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, organisierte prompt ein Ticket und war eifrig, auf drei Fragen Antworten zu finden:

  • Wer ist eigentlich DJ Bobo?
  • Wer geht im Jahre 2017 an ein DJ Bobo Konzert?
  • Und schliesslich: Kann ich an einem DJ Bobo Konzert Spass haben?
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DJ Bobo war schon immer ein Freund Darwins

Einlass

Es ist etwa 17:00 Uhr und ich setze (zum allerersten Mal) einen Fuss in das Hallenstadion. 60 Minuten bis zum Beginn der Aufführung, professionelle Kameras und Tonaufnahmegeräte sind nicht erlaubt. Mein Sackmesser darf ich behalten. Aus den Lautsprechern dröhnt 2 Unlimited – No limit gefolgt von Culture Beat – Mr. Vain. Unweigerlich bewegt eine gehörige Portion 90er-Nostalgie meine Hüfte rhythmisch und ich tänzle zur Bar. Während mein Bier gezapft wird, lasse ich meinen Blick schweifen und staune nicht schlecht über all die Menschen, mit denen ich den Abend verbringen werde. Meines Wissens ist der Event praktisch ausverkauft, was das Beisein von 15’000 Menschen bedeutet. Allerdings rührt mein Erstaunen daher, wie durchmischt das Publikum ist – unmöglich erscheint es mir einen DJ-Bobo-Fan-Archetypus zu definieren. Weiter fällt mir eine Gruppe Menschen auf, die alle weisse T-Shirts mit der Aufschrift «I <3 Curtis» haben. «Wer zum Tüüfel isch denn dr Curtis?», frage ich ausversehen laut. Da ich alleine da bin, bekomme ich keine Antwort.

Ich schlängle mich durch die Massen. Überall essen Menschen Pommes Frites und Popcorn. Pommes und Frites und Pop und Corn. Darüber muss ich kurz schallend kichern, da es wie zwei Vor- und Nachnamen klingt. Ich gehe weiter zum Merchandising-Stand und bin (abermals) erstaunt darüber, womit DJ Bobo alles wirbt. Es gibt Taschen, Feuerzeuge, Schlüsselanhänger, CDs und das Buch Popstar – Der ganz normale Wahnsinn, welches DJ Bobo selber in Zusammenarbeit mit Judith Langhans schrieb. Auf der Rückseite steht: «Frauen kreischen, Männer wackeln mit den Hüften: Selbst Boybands haben nicht so enthusiastische Fans wie DJ BoBo», Süddeutsche Zeitung (25.05.2014). Ich lege das Buch wieder hin und mache ein Foto von seinem Tour-Angebot.

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Faire Preise für ausrangierte Datenträger

Beginn der Show

Nach etlichem Hin- und Herlaufen und nach einiger Fragerei, finde ich endlich meinen Platz. Verkrampft setze ich mich hin und frage mich, ob ich die 2 1⁄2 Stunden aushalten werde. «Wotsch au es Pommes Frites?», fragt der sympathische Mann neben mir, den ich etwas jünger als mich schätze. Ich lehne dankend ab. In einem Videos das abgespielt wird – Vorband gibt es keine – gratulieren die Backstreet Boys DJ Bobo zum Erfolg, im nächsten hüpft Otto Waalkes, der im Videoclip life goes on mitgespielt hat, über die Bühne. Ich widme mich der Zeitschrift, die vorher noch auf meinem Stuhl lag – 25 Jahre DJ Bobo. Wir sagen danke! Unter anderem stehen darin seine Meilensteine: Special Guest im Vorprogramm der Backstreet Boys, der ESC 2007, sein Auftritt in Tirana (Albanien) am 15. August 1999 mit 150’000 Besucher*innen und eine kurze Liste mit seine weltweiten Auftritte.

Der Countdown neigt sich langsam dem Ende zu und ich spüre (und teile) die Aufregung des Publikums. Gleich geht es los. Noch einmal wird DJ Bobo, der für diese Tour mit schief sitzendem, schwarzen Hut, Brille mit einem Hauch von Steampunk und elegantem Western-Anzug posiert, gezeigt. Dabei muss ich immer wieder an Will Smith in Wild Wild West denken. Der Countdown steht auf Null und das Publikum beginnt zu toben. Ein kurzer Action-Trailer gibt DJ Bobos Werdegang wieder und dann erscheint der Mann, der als Peter René Cipiriano Baumann weniger bekannt ist, auf der Bühne mit dem Eröffnungssong Mytorial. Ich bin leicht irritiert: Für mich klingt es so, als ob DJ Bobo gar nicht so gut singe. Danach einführende Worte. DJ Bobo fordert alle dazu auf, die Nachbarschaft zu begrüssen. Ich gebe dem freundlichen Mann neben mir die Hand – eigentlich hätte ich ihn gerne umarmt, aberdas habe ich mich nicht getraut. Mario, der Nachbar zu meiner Linken, ist mit seiner Freundin Natalina hier. Zu meiner Rechten sitzt Cejana mit Tochter Ajuna und Mann Peter. Während DJ Bobo bereits den nächsten Song einleitet – das Setting ist aus irgendeinem Grund Paris 1887, erkennbar am Eiffelturm, der gerade erst gebaut wird, beginnt eine Diskussion zwischen Mario, Natalina und einem älteren Herr mit schwarzem Hemd, der direkt hinter ihnen sitzt. Ich beachte die Situation nicht weiter, nicke leicht mit während together gespielt wird.

Together in Paris

Mario bietet mir einen Kaugummi an. Ich nehme dankend an. «Häsch das vo vorher mitübercho?» «Nei, was isch gsi?» «Ich und mine Fründin hän kschmuset und denn hät dr Typ hinter eus kseit mier sölled ufhöre, er ksähe nüt und hät eus beleidigt.»

Anscheinend passt der Herr, der ein ausgesprochener DJ-Bobo-Fan zu sein scheint (er hüpfte sofort auf und kreischte lauthals mit), nicht richtig, wenn DJ Bobo «Everybody here tonight / We will never start a fight» oder «love is all around» oder irgendein anderer Song singt, denn schliesslich handeln ja alle von Frieden, Liebe und einer tollen Zeit. «Weisch mich stressts huere nöd aber assi isch es scho!», ergänzt Mario. Ich rate ihm, das Ganze zu vergessen und die Show zu geniessen. Wir plaudern noch ein bisschen weiter. Mario ist aus dem Aargau, ganz aus der Nähe von dort, wo DJ Bobo aufgewachsen ist. Mario selbst wuchs auf einem Bauernhof auf und weiss über DJ Bobo etwa so viel wie ich. «Weisch du wer dr Curtis isch?», frage ich scheu. «Ey, imfall chei ahnig», gibt Mario als Antwort.

Nach einigen Songs, die ich nicht kenne und die mich zwar zum Aufstehen aber nicht zum Tanzen bringen, ändert sich das historische Pariser Setting zu einem kitschigen Herz mit der Aufschrift «love is all around». Dabei frage ich mich, ob es an meinem Zustand liegt oder, ob dieses Zeitreise Konzept – im Beschrieb steht, dass DJ Bobo von ägyptischen Pharaonen bis zu den Göttern der Zukunft reise und dabei seine grössten Songs passieren würde – einfach nur zusammengeschustert wurde. Früher war DJ Bobo ja mal Pirat und dann ein Vampir. Nun ist er ein etwas betagter Zeitreisender. «Geile Siech! Jetzt spielt er Chlavier!» ruft Mario. Er hat Recht. DJ Bobo nimmt an einem weissen Flügel Platz und kündigt eine dreistündige Sonate an. Gelächter des Publikums. Ein paar Tasten werden angetippt – Chihuahua. Kreischen und Getobe. Darauf reisen wir weiter nach Ägypten.

Pyramiden in Flammen

Als Eurodance-Freund (ich mag ja Novaspace, was nicht für meinen Geschmack spricht) mochte ich bei Pray doch etwas mehr mitwippen. Was das alles mit dem alten Ägypten zu tun hat und weshalb dieses in Flammen steht, bleibt mir dennoch schleierhaft. «Hey, söll ich dier öppis z trinke bringe?», fragt Mario, dieser wirklich überaus nette Mensch. Ich schlage vor, dass ich ihn begleite. Wir holen uns ein köstliches, kühles Bier (0,4dl für 5.50 CHF) und rauchen noch eine Zigarette. «So guys, hänner fun?», fragt ein Mann mittleren Alters mit gepflegtem Bart, langen braunen Haaren und Tribal-Tattoos. Wir bejahen, worauf Mario erzählt, dass ihn seine Freunde ausgelacht haben, als er erzählte, dass er ans DJ-Bobo-Konzert gehen würden. Eine Zigarettenlänge lang reden wir zu dritt über DJ Bobos Bezug zu unserer Kindheit. Ich halte mich eher ruhig. Auf dem Rückweg in die Halle macht Mario nochmals seinem Ärger über den kurzen Streit mit dem Mann hinter ihm Luft und bestätigt nochmals, dass es ihn aber auch wirklich nicht stresse. Wir kommen rechtzeitig zu Everybody (diesen Song mag ich und er wird mich, wie sich später herausstellen wird, noch als Ohrwurm begleiten) zurück. Anscheinend sind wir inzwischen schon in der Steinzeit angekommen, denn die Bühne erinnert mich stark an Bedrock. Kurz wundere ich mich über die DJ Bobo’sche Zeitreisetechnik und deren eigenwillige Chronologie. Darauf erklärt DJ Bobo kurz eine Choreographie und alle beginnen zu tanzen.

Tanzend im Paläolithikum

Ich scheitere beim Versuch mitzutanzen kläglich, da ich völlig überfordert bin. Und auch bei Cejana, die präzise und locker mithalten kann, abzuschauen, nützt mir nichts. Mario und Natalina verlassen ihre Plätze und gehen nach vorne. Sie wollen DJ Bobo noch aus der Nähe betrachten. Dabei fällt mir auf, dass praktisch kein Sicherheits-Personal zugegen ist und es in der Tat möglich ist, einfach nach vorne zu gehen und sich ins Getümmel zu stürzen. Ich für meinen Teil fühle mich auf meinem Platz wesentlich sicherer. Zudem fällt mir nochmals auf, dass DJ Bobo wirklich kein begnadeter Sänger ist – soweit ich das beurteilen kann –, dafür aber rappen kann. Auch scheint es mir, dass er in fast jedem Rap das Publikum dazu auffordert die Hände zu heben, als ob das einen nicht kümmern würde. Da abermals ein Song kommt, der mich wenig zum tanzend anregt, blättere ich wieder etwas in der Zeitschrift. Dort erhalte ich einige spannende Informationen. DJ Bobo hat den Jahrgang 1968, absolvierte eine Lehre als Bäcker-Konditor, war DJ im Jugendhaus Tuchlaube in Aarau, BoBo war sein Graffiti-Tag und er ist verheiratet mit Nancy. Nancy Baumann, ehemals Nancy Rentzsch, ist eine hervorragende Tänzerin, Sängerin und Kostümbildnerin. Und (Achtung!) war mit Haddaway auf der Bühne! Das muss ich allerdings später nachrecherchieren. Aber ernsthaft, Haddaway, ich meine DJ Bobo war im Vorprogramm der Backstreet Boys als diese noch keiner kannte, aber Nancy war bei Haddaway! Auch entnehme ich dem Heft, dass Nancy ebenfalls auf der Bühne mitsingt (womöglich besser als Bobo) und für die Kostüme zuständig ist. Ich blättere noch etwas weiter und als ich lachen muss ab dem Bild von DJ Bobo in jungen Jahren mit schulterlangem Haar, der auf vielen Plüschtieren sitzt, merke ich, dass ich das Heft wieder weglegen sollte. Auf der Bühne schlagen einige Menschen auf Trommeln. Dann Spotlight und DJ Bobo steht in der Mitte der Halle. Ich staune nicht schlecht über diesen Trick. Er motiviert das Publikum zu einer La-Ola-Welle und dann zu einer Slow-Motion-La-Ola-Welle. Ich habe wirklich den Eindruck, dass DJ Bobo die Zeit verlangsamt. Darauf sollen wir unsere iPhones hervornehmen und die Taschenlampen einschalten. Für eine iPhone-Taschenlampe-Slow-Motion-La-Ola-Welle.

Finale

Die Reise geht weiter und zwar in die Zukunft, die abermals die Pharaonenbüste, diesmal in silber, und fliegende Pyramiden zeigt. So stellt sich also DJ Bobo die Zukunft vor. Spannend! Und schliesslich weiter (oder zurück) nach Zürich in den 90er-Jahren. Dort steht an einer Ziegelsteinwand Somebody Dance. Damit neigt sich auch alles langsam dem Ende zu. Mit den Songs Somebody Dance with me und there is a party beginne auch ich ausgefallen zu tanzen. Tosender Applaus. DJ Bobo stellt seine Crew vor und der Name Curtis fällt. Curtis! «Soso, endlich isch das Gheimnis klüftet!», sage ich wieder zu laut und zu mir selber. Curtis Burger ist ein Tänzer, Choreograf, Produzent mit internationalem Erfolg und charismatischer Persönlichkeit (das steht zumindest auf seiner Homepage). Anscheinend war er ein langjähriger Begleiter Bobos und, wenn ich das nicht missverstanden habe, ist dies seine letzte Tournee mit DJ Bobo.

Nach weiterem Applaus und der obligatorischen Zugabe gehen die Lichter wieder an und rasch drängen die Massen in alle Richtungen. Ich warte noch auf Mario und Natalina, da beide ihre Jacken liegen gelassen haben. «Und wia isch vorne gsi?» «Huere geil! So es geils Konzert!», geben mir beide als Antwort. Für mich war es kein Konzert, sondern eine Show. Eine Show, wie die Blue Man Group oder Riverdance oder eine Art Musical ohne Figuren, ohne Handlung dafür mit Zeitreise von und mit DJ Bobo und seinen legendären Hits und neueren Songs. Die eigentliche Zeitreise war eine nostalgische in die 90er. Und um wirklich ehrlich zu sein, weiss ich nicht, was ich davon halten soll. Sein Erfolg ist sicher verdient, Charity-Organisationen beteiligt er sich auch, seine Absichten sind wohlwollend, Spass hatte ich auch, sogar bewegen wollte ich mich von Zeit zu Zeit und es ist schön, wieviel unterschiedliche Menschen Freude an seiner Musik und seiner Show haben konnten. DJ Bobo ist und bleibt ein Jahrmarkt oder noch besser ein wandelnder Europa-Park. Am 9. Juni 2019 ist DJ Bobo wieder im Hallenstadion Zürich mit seiner nächsten Tournee.

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