Jean-Marc Jung: «Die Stadt muss sich weiterentwickeln» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderat der Woche: Jean-Marc Jung (SVP)

Jean-Marc Jung ist in Hottingen aufgewachsen und lebt auch heute noch dort. Er sieht sich im Rat vor allem als Vertreter von Quartieranliegen und freut sich über den Ausbau des nahen Hochschulgebiets. Die geplante Verkehrsberuhigung lehnt er aber ab.

Jean-Marc Jung, SVP

(Foto: Steffen Kolberg)

Das Zürcher Hochschulgebiet erhält ein neues Gesicht. In den nächsten Jahren stehen mehrere Um- und Neubaumassnahmen an. Jean-Marc Jung ist Anwohner im angrenzenden Hottingen und befürwortet die Veränderungen: «Die Stadt muss sich weiterentwickeln, das ist wichtig für unsere Ausstrahlung nach aussen. Im Sinne des Standortmarketings finde ich das absolut begrüssenswert.»

Mängel sieht Jung allerdings bei der Zufahrt zur Notfallaufnahme des Unispitals. Die müsse zugänglich sein, vor allem über die heutige Hauptachse durch das Hochschulquartier, die Rämistrasse. Der SVP-Politiker stört sich daran, dass die Planungen dort flächige Querungen mit durchgehenden Mittelinseln vorsehen. Wie Krankenwägen im Notfall schnell durch eine solche verkehrsberuhigte Zone kämen, durch die sogar noch ein Tram fährt, das habe ihm bisher noch niemand unter den Verantwortlichen erklären können: «Das Thema Verkehrsberuhigung wird zu hoch gewichtet gegenüber der Sicherheit.»

Diese «fundamentalistische» Verkehrspolitik sieht Jung auch als Ursache dafür, dass bislang keine Fussgängerverbindung zwischen dem Hauptgebäude der Universität (UZH) und einem projektierten Neubau schräg gegenüber geplant wurde. Denn so laufe alles darauf hinaus, dass täglich tausende Studierende die Strasse ebenerdig überqueren und das Verkehrsproblem verschärfen würden. Sein Vorschlag, dargelegt in einem gemeinsamen Postulat mit seinem Fraktionskollegen Reto Brüesch: Der Stadtrat solle eine Über- oder Unterquerung per Tunnel oder Passerelle prüfen.

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Doch im Rat fand das Anliegen wenig Unterstützung. Zu spät komme das Postulat, wo der Masterplan längst stehe, auf der falschen Ebene noch dazu, wo doch der Kantonsrat bereits die Verkehrsregelung diskutiert hat, so die Gegenargumente. Zudem, so Stadträtin Brander, sei die Verkehrsberuhigung in einem Weissbuch geregelt, das Stadt und Kanton gemeinsam mit den Hochschul-Institutionen erarbeitet hätten. Einzig die Fraktion von Mitte und EVP unterstützte den Vorstoss. Denn die Grundidee sei gut, so Benedikt Gerth (Die Mitte): «Und wir haben schon weniger ausgegorene Postulate unterstützt.»

Als ehemaliger Student der Volkswirtschaft an der Uni Zürich kennt Jung die bereits bestehenden unterirdischen Bereiche des UZH-Gebäudes, die sich ihm zufolge unter der Strasse erweitern liessen. Das Argument des Stadtrats, eine Tunnellösung als Verbindung sei zu kompliziert, lässt der 58-Jährige deshalb nicht gelten. «In der Schweiz kann man Tunnel bauen», erklärt er. Auch andere aktuell diskutierte Tunnelprojekte, wie die vom Stadtrat vorprojektierte 400 Meter lange Röhre zur Verbindung des Bahnhofs Stadelhofen mit der Rämistrasse, oder die bereits bestehende über 82 Meter lange Unterführung beim Kunsthaus, sieht das Mitglied der Kommission für Hochbau und Stadtentwicklung positiv.

Jungs Vorstösse im Gemeinderat arbeiten sich meist an konkreten stadtpolitischen Themen ab, seien es die geplanten neuen Wagen für die Dolderbahn oder die Energieeffizienz städtischer Gebäude. Politische Grundsatzdebatten mit schrillen Tönen, wie sie manch anderes Fraktionsmitglied der SVP kultiviert, sind eher nicht seine Sache.

Doch in der Fraktion brauche es beides, ist er überzeugt: «Wir sind eine sehr heterogene Truppe mit unterschiedlichen Lebensläufen. Wir sind beispielsweise nicht stramm akademisch besetzt, und das wollen wir auch nicht sein.» Er selbst sehe sich vor allem als Vertreter seines Quartiers im Rat, sagt er. Dort, im Kreis 7, ist er besonders stark verwurzelt: Heute lebe er wieder ganz in der Nähe des Hauses, in dem er aufgewachsen sei, erzählt er.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich kam 2021 unverhofft durch Nachrücken in den Rat. Das habe ich sehr gerne angenommen, weil ich die Stadt dadurch noch besser kennenlerne und intensiver wahrnehme. Dieser Einblick hilft vielleicht auch, Verständnis dafür aufzubringen, warum manche Dinge nicht ganz so schnell gehen wie gewünscht. Politische Prozesse sind langsam und als Gemeinderat ist man da nur ein Rädchen im Getriebe.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Beat Oberholzer (GLP) sagte an dieser Stelle, er habe schon mit den meisten ein Bier getrunken. Mit mir noch nicht. Das könnte man doch mal nachholen.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Wir können uns nicht so oft durchsetzen, von daher gibt es viel Potenzial, sich zu ärgern. Dass die Wohnungen auf dem Neugasse-Areal nicht kamen, hat mich beispielsweise massiv geärgert. Die Kompromisslosigkeit der linken Parteien, die sie verhindert hat, ist sehr fundamentalistisch. Auf der anderen Seite rege ich mich auch über überteuerte Schulhäuser auf. Es ist klar, dass Schulhäuser gebaut werden müssen, aber hier kosten sie gleich doppelt so viel wie auf dem Land. Dieses «Züri Finish» ist sicher diskutabel.

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