Meister der Schaumkunst - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch
Von Viviane Stadelmann

Redaktorin

emailfacebook logoinstagram logo

13. April 2017 um 15:15

Meister der Schaumkunst

Milo Kamil ist zweifacher Schweizermeister in «Latte Art» und zaubert mit Milchschaum kunstvolle Bilder auf den Kaffee. Aufgewachsen in Indonesien zog es ihn der Liebe wegen nach Zürich. Die Liebe ist inzwischen einer anderen gewichen: Der Passion für kleine Kännchen und Perfektion.

Mood image for Meister der Schaumkunst

Die Kaffeemühle tost. Mit lautem Brummen werden die Bohnen pulverisiert, Milo Kamil schlägt den Kolben zweimal hart auf die Kante. Während die rechte Hand den Kolben bereits wieder unter die Mühle hält, sucht die linke Hand den Presser. Festdrücken, einhaken, zwei Tassen stehen schon bereit. Milo Kamils Bewegungen sind automatisiert, einstudiert. Trotz der Hektik haftet der Trainingsszene eine merkwürdige Eleganz an. Er agiert mit der Leichtigkeit eines Spitzensportlers, nur findet die Performance vor einem chromstahlglänzenden Maschinenungeheuer statt. Mensch und Maschine sind hier eins. Gesprochen wird nicht im CoffeeLab in Zürich, während der Latte Art Künstler am Werk ist. Dafür verstärkt die Stille die Geräusche der Technik. Das ryhtmische Säuseln der Luftdüse im Milchschaum klingt wie eine haarige Riesenraupe, die über Schnee kriecht.

Gleich beim Stauffacher im Kreis 4 versteckt sich das «CoffeeLab» in einer Nebenstrasse. Cimbali hat hier einen durchgestylten Showroom gesponsert und bietet Barista-Schulungen an. Aber vor allem trainiert hier ein Meister der Schaumkunst: Milo Kamil steht mit weissem Hemd mitten im weissen Raum neben zwei königlichen Kaffeemaschinen, die auf Podesten thronen. «Lass uns loslegen! Du musst unbedingt diese spezielle Röstung mit leichter Beerennote probieren», wird man vom Barista mit breitem Grinsen und wachem Blick begrüsst. Wer bei Espressi an Italiener denkt, stolpert schon bei der Türschwelle über seine Vorurteile: Der (mittlerweile vom Thron gestossene) beste Latte Artist der Schweiz kommt aus Indonesien.

Vom Instantcoffee zum Cappuccino
Milo Kamil wächst in einem kleinen Dorf in Indonesien auf. Für den Kaffee gibt es noch keine Maschine sondern heisses Wasser: Instant Coffee. Nach dem Schulabschluss unterrichtet er als Englischlehrer in Jakarta, als es ihn der Liebe wegen in die Schweiz zieht. In Zürich findet er gleich eine Stelle. Mit seiner offenen Art fällt es ihm leicht, auf Menschen zuzugehen. Nach einem Job im Kino, bei dem es ihm «zu wenig Kontakt mit Menschen» gab, verschlägt es ihn ins Babu’s Coffeehouse.

Von wegen Schaumschläger
Als Barista im Babu’s lernt er die Standartformen der Latte Art: Herzen und Rosetten. «Das hat mich von der ersten Tasse an begeistert. Einerseits, wie man aus simplen Zutaten wie Milchschaum und Kaffee etwas kreieren kann. Andererseits, weil ich die Freude der Gäste über die kleinen Kunstwerke sah.» Begeisterung, die man auch jetzt im Coffeelab im Training spürt: Jede angefertigte Übungstasse wird einem feierlich überreicht. Nein sagen ist trotz des steigenden Koffeingehalts im Blut keine Option.

Die Reaktionen der Gäste treiben Milo Kamil voran. Von da an schaut er sich Tutorials auf Youtube an. Rosetten und Herzen reichen ihm nicht mehr: Bald versucht er sich an einem Schwan. Und scheitert kläglich. Doch sein Ehrgeiz fordert ihn heraus. Er übt so lange, bis aus dem verschwommenen Entlein ein schaumweisser Schwan wird.

Ohne Fleiss kein Preis
Ein Mitarbeiter spürt Milo Kamils Begeisterung und schlägt ihm vor, sich mit einem Trainer, Armin Luggenbühl, zu treffen. Das Ziel steht bald fest: die Schweizermeisterschaften. Ab da trainiert er mehrmals die Woche. Zusammen mit seinem Trainer und anderen Freunden aus der Barista-Szene treffen sie sich abends, um zwischen fünf und zehn Liter Milch zu verschäumen. «Das klingt schon ein wenig verrückt. Doch man muss üben, üben, üben.» Der Trainer nervt Milo Kamil teilweise unglaublich. «Du brauchst jemand, der dich anspornt. Übst du zwei Stunden Libellenformen, kannst du es nicht mehr sehen. Aber das Motiv muss sitzen.» Denn an den Meisterschaften müssen die Teilnehmer jedes Motiv zweimal möglichst identisch herstellen.

Die Creme de la Creme
Dann ist es soweit: Die Creme de la Creme der Schweizer Latte Artisten findet sich an der Ferienmesse in St.Gallen ein. Als er 2013 das erste Mal an den Schweizermeisterschaften teilnimmt, wird er trotz «riesiger Nervosität» gleich Drittplatzierter. In den zwei darauffolgenden Jahren holte er jeweils den ersten Platz. So qualifiziert er sich für die Weltmeisterschaften in Oslo und Shanghai.

Die Regeln an den Meisterschaften in Latte Art sind überall dieselben – ob national oder international. Der Teilnehmer überlegt sich im Voraus drei Sujets. Eines der drei Motive muss rein durch die Bewegungen des Handgelenks entstehen. Bei den anderen zwei darf ein Stäbchen verwendet werden: Damit zeichnet der Latte Artist die feinen Linien in den Milchschaum.

Jede Sekunde zählt
«Im Wettbewerb hat man nur acht Minuten Zeit.» Überzeit gibt Abzug. «In den Schweizermeisterschaften kann ich es mir noch leisten, lieber das Sujet zu perfektionieren statt auf den Sekundenzeiger zu achten.» Anders bei den Weltmeisterschaften: «Dort zählt jede Sekunde. Man kann sich keine Patzer leisten.»

Nicht nur der Anteil asiatischer Teilnehmer an der Weltmeisterschaft ist vergleichbar zum Spitzensport: Auch die Spleens gleichen sich. Jeder reist mit eigenen Milchkännchen an. Und als Milo Kamil einmal einen seiner zwei akurat platzierten Lumpen aus Versehen vor dem Start benutzt, um verschüttete Milch aufzuwischen, irritiert ihn das Fehlen des zweiten Lumpens dermassen, dass er für wertvolle Sekundenbruchteile seine Konzentration verliert.

Milo Kamils Ziel ist es gewesen, im Februar 2017 den Schweizermeistertitel zu verteidigen. Das hat leider nicht geklappt, «aber das ist halt die Competition!», wie er im Nachhinein sagt. Woher seine Leidenschaft für die Latte Art kommt? Der sonst ausschweifend erzählende Barista stutzt einen Moment. «Es ist etwas Spezielles. Viele interessieren sich dafür, obwohl es hier in der Schweiz noch nicht so bekannt ist.» Und fügt dann entwaffnend ehrlich an: «Und vielleicht stehe ich auch einfach gerne manchmal im Spotlight!»

Hast du das Tsüri-Mail schon abonniert?

Dieser Artikel wurde automatisch in das neue CMS von Tsri.ch migriert. Wenn du Fehler bemerkst, darfst du diese sehr gerne unserem Computerflüsterer melden.

Das könnte dich auch interessieren